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Ohne Wort-Gottes-Feiern würde in ländlichen Gebieten die Dorfgemeinschaft zerfallen
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Eine Wort-Gottes-Feier kann aber kein gültiger Ersatz sein, sondern soll in einer Notsituation denen eine Brücke zur Begegnung mit dem Herrn in der Gegenwart seines Wortes sein, die keine Möglichkeit zum Besuch der heiligen Messe haben. Alle aber, die beispielsweise in der Nachbarkirche eine heilige Messe besuchen können, sind auch dazu angehalten.“ Es war nur ein kleiner Passus des Fastenhirtenwortes, in dem Bischof Friedhelm auf sonntägliche Wort-Gottes-Feiern einging. Der aber erhitzte die Gemüter in der Diözese gewaltig. Aufgebrachte Gläubige in der Pfarrversammlung und verunsicherte Wortgottesdienstleiter: Pfarrer Armin Haas aus der Rhön muss sich mit den Folgen des Fastenhirtenwortes auseinander setzen.
Pfarrer Haas ist verantwortlich für rund 7200 Katholiken. Er betreut ganze zehn Ortschaften im Dekanat Bad Kissingen: Burkardroth, Frauenroth, Premich, Gefäll, Waldfenster, Katzenbach, Oehrberg, Stangenroth, Stralsbach und Lauter. Wie Haas feiert auch Kaplan Thorsten Kneuer drei Messen am Sonntag. Außerdem steht Pfarrer Hans Jürgen Elbrecht, Religionslehrer an der Berufsschule Bad Kissingen, für eine Eucharistiefeier zur Verfügung. Sieben Sonntagsmessen, zehn Ortschaften – die Gottesdienstordnung aufzustellen ist dabei für Pfarrer Haas jedesmal ein „Mordsakt“.
Wertvoller Dienst für den Zusammenhalt der Gemeinde
Drei Ortschaften würden also sonntags leer ausgehen, wenn es keine Wort-Gottes-Feiern gäbe. Pfarrer Haas ist deshalb froh, neun Wortgottesdienstleiter an seiner Seite zu wissen. „Die Wortgottesdienstleiter leisten einen wertvollen Dienst für die Ortsgemeinde und deren Zusammenhalt“, sagt Haas. Gerade deshalb könne er verstehen, wenn nun viele Wortgottesdienstleiter vom Fastenhirtenbrief des Bischofs enttäuscht seien. „Sie sind die ganze Zeit davon ausgegangen, sie erfüllen einen wichtigen Dienst. Jetzt kriegen sie gesagt, sie erfüllen nur für die einen wichtigen Dienst, die nicht zum richtigen Gottesdienst können.“ Auch das Ehepaar Sigrid und Christoph Vierheilig aus Waldfenster ist verunsichert. Seit 1997 sind sie Wortgottesdienstleiter in der Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt. „Wir tun diesen Dienst, weil wir in einer Notsituation gerufen worden sind“, macht Christoph Vierheilig deutlich. Die beiden leiten die Wortgottesdienste gemeinsam, an etwa 15 Sonntagen im Jahr. Dabei tragen sie Alben, die sie sich selbst gekauft haben. „In den liturgischen Gewändern treten wir als Person hinter der Aufgabe zurück“, erklärt Sigrid Vierheilig. Von der Gemeinde fühlten sich die Vierheiligs von Beginn an als Wortgottesdienstleiter gut angenommen. Sigrid Vierheilig hat gemerkt: „Die Leute sind froh, wenn sonntags überhaupt in der Kirche gefeiert wird – schon allein von der Tradition her.“
Auf der einen Seite die Tradition, sonntags in die eigene Kirche zu gehen; auf der anderen Seite die Pflicht, sonntags eine Eucharistiefeier zu besuchen. „Besonders ältere Leute sprechen uns jetzt an. Sie geraten in Gewissensnöte wegen der Sonntagspflicht“, erzählt Christoph Vierheilig. Zum einen seien sie zum Gehorsam gegenüber den kirchlichen Autoritäten erzogen worden, zum anderen könnten sie oft nicht mehr so, wie sie wollten. „Wenn die jungen Leut’ sonntags ausschlafen wollen, kommt die Oma net in die Kirch“, weiß Pfarrer Haas aus Erfahrung. Wenn die Gläubigen allerdings zur Messe in einen anderen Ort führen, bestehe außerdem die Gefahr, dass die Gemeinde auseinanderfalle. „Die Ortsgemeinde braucht es, sich sonntags um Jesus Christus zu versammeln“, ist Haas sicher. Und: „Wenn dies zur Eucharistiefeier nicht möglich ist, dann eben zu einer Wort-Gottes-Feier.“ Andererseits hält er es auch für zumutbar, zur Messe in den Nachbarort zu fahren. Doch die Realität sehe anders aus. „Die Leute lassen es sich nicht zumuten“, bedauert Haas. Dass die Leute den Sprung über die eigene Ortsgrenze schaffen, sei nur ganz schwer zu bewerkstelligen.
Den Vierheiligs dagegen ist die Dorfgemeinschaft am wichtigsten – und dazu gehört für sie vor allem ein Gottesdienst am Sonntag. „Um Kirche herum entsteht so viel. Wenn wir keinen eigenen Gottesdienst in Waldfenster haben, zerfällt alles. Der eine fährt dorthin, der andere dahin“, ist sich Sigrid Vierheilig sicher. Außerdem sei es besonders schwierig, junge Leute und Familien für die Kirche zu begeistern. Das Fastenhirtenwort von Bischof Friedhelm sei in diesem Punkt kontraproduktiv. „Wir im kleinen Dorf machen uns tausend Gedanken, wie man junge Leute anspricht, etwa mit Wortgottesdiensten für Familien. Da hilft es nicht gerade, was der Bischof gesagt hat“, meint Sigrid Vierheilig. Ein anderes Beispiel seien die engagierten Ministranten in Waldfenster. „Wir können unsere Minis ja nicht nach Burkardroth fahren, die haben selber genügend. Und je weniger unsere Ministranten zum Einsatz kommen, desto schneller verebbt das Engagement wieder“, bedauert Christoph Vierheilig.
Die Gefahr, dass die Gemeinde sich verstreut und trennt, sah 1978 bereits Bischof Josef Stangl in seinem Hirtenbrief über „Wortgottesdienste mit Kommunionspendung am Sonntag“. Mit diesem Hirtenbrief reagierte er auf die abnehmende Zahl von Priestern. Bischof Josef Stangl förderte eigenständige Wortgottesdienste am Sonntag und berief sich dabei auf die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Zu fördern sind eigene Wortgottesdienste … an Sonn- und Feiertagen, besonders da, wo kein Priester zur Verfügung steht.“ Obwohl er darin „Notlösungen“ sah, betonte Bischof Josef damals: „Dieser Wortgottesdienst am Sonntag ist dennoch nicht arm. Denn Christus ist auch darin für uns gegenwärtig.“
1200 Wortgottesdienstleiter im Bistum ausgebildet
Seit den späten 70er Jahren wurden in der Diözese Würzburg rund 1200 Wortgottesdienstleiter ausgebildet. „Etwa 600 sind zurzeit im Einsatz“, erzählt Bernhard Hopf, Referent für die Wort-Gottes-Feier im Bistum Würzburg. Neben der Aus- und Fortbildung gehört auch die Begleitung der Wortgottesdienstleiter zu seinen Aufgaben. Und das bedeutet nach dem Hirtenwort von Bischof Friedhelm vor allem: Verunsicherungen ausräumen. So sei etwa ein Wortgottesdienstleiter in einen Gewissenskonflikt geraten. Seine Frage: „Versündige ich mich, wenn ich am Sonntag die Wort-Gottes-Feier leite, weil ich so eventuell Menschen davon abhalte, eine heilige Messe zu besuchen?“ Doch Hopf beschwichtigte: „Wenn nur fünf Leute kommen, tust du schon was Gutes.“
Bernhard Hopf betont, dass die Wort-Gottes-Feier nicht in Konkurrenz zur Eucharistiefeier steht. Für ihn müsse Liturgie zum Ort werden, wo sich Menschen geborgen und angenommen fühlten. „Und die Vielfalt einer Liturgie trägt dazu bei, dass die Hochform auch Hochform bleibt“, ist Hopf überzeugt. Dennoch stören sich die Wortgottesdienstleiter oft an der Bezeichnung „Notnagel“. Doch Hopf entgegnet ihnen dann: „Auch einen Notarzt braucht man nur, wenn Not am Mann ist – aber dann ist er lebenswichtig.“ Durch Wort-Gottes-Feiern werde schließlich die Kirchlichkeit im Dorf erhalten. „Wir wollen Kirche im Ort am Leben erhalten, damit ein Pfarrer zur Messe kommen kann.“
Professor Dr. Winfried Haunerland, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg, argumentiert ähnlich. „Gerade weil die Wort-Gottes-Feier eine Sonntagsmesse nicht gleichwertig ersetzen kann, muss sie den Hunger nach der Eucharistie wach halten.“ Er betont, dass die Wort-Gottes-Feiern gar nicht das primäre Thema des Hirtenwortes gewesen seien. „Meiner Ansicht nach ist es dem Bischof vielmehr darum gegangen, herauszuheben, dass die Eucharistie nicht beliebig ersetzbar ist.“ Das Problem seien unterschiedliche Denkmodelle: zum einen die individuelle Verpflichtung, an einer sonntäglichen Eucharistiefeier teilzunehmen; zum anderen, dass sich die Gemeinde notwendigerweise sonntags versammelt. „Eine Kirche, die etwas auf sich hält, muss alles daran setzen, dass sonntags Eucharistie gefeiert wird“, sagt Haunerland.
Die Realität in der Rhön und anderen ländlichen Gebieten sieht jedoch anders aus. Und die Vierheiligs in Waldfenster bezweifeln etwa, dass der Bischof weiß, wie Kirche vor Ort wirklich stattfindet. „Einen Tag sollte Bischof Friedhelm mal mit unserem Pfarrer Haas verbringen. Ob Taufen oder Beerdigungen: In einem der zehn Orte wird er immer benötigt“, meint Sigrid Vierheilig. Ihr Ehemann fragt außerdem: „Wie soll Kirche in dieser Situation ohne Wort-Gottes-Feiern überhaupt noch funktionieren?“ Er sieht in dem Hirtenwort von Bischof Friedhelm den Anfang vom Ende der Wort-Gottes-Feiern.
Worte der Wertschätzung vom Bischof vermisst
Eine solche Einschätzung hält Dr. Stephan Steger, Referent für Liturgie und liturgische Bildung, für überzogen. „Wort-Gottes-Feiern am Sonntag tragen der Realität Rechnung, aber das Ziel ist und bleibt die Eucharistie. Das ist auch niemals anders gesagt worden“, betont Steger. „Die Wort-Gottes-Feier hat ihren hohen Eigenwert als gottesdienstliche Feier an Werktagen.“ Viele Gemeinden seien von sich aus lebensfähig. Für diese seien Wort-Gottes-Feiern auch am Sonntag eine große Hilfe. „Allerdings gibt es auch Ortschaften, die sich nicht mehr als in sich geschlossene christliche Gemeinden verstehen“, sagt Steger. Dieses so genannte territoriale Gemeindeprinzip löse sich vor allem in den Städten bereits auf. Die Folge: Die Gläubigen würden von sich aus wählen, wo sie sonntags in die Messe gehen. „Solche neu entstandenen Gemeinden verstehen sich verstärkt vom Gottesdienst her.“ Dennoch müssten beide Formen von Gemeinde respektiert werden.
Ein paar Worte der Wertschätzung zu Wort-Gottes-Feiern hätten sich Pfarrer Haas und die Vierheiligs im Fastenhirtenwort von Bischof Friedhelm gewünscht. Die kamen allerdings erst drei Wochen später auf der Frühjahrsvollversammlung des Diözesanrates. Bischof Friedhelm bezeichnete dort die Wort-Gottes-Feier als „hochwertigen Ersatz“; Wortgottesdienstleiter leisteten einen „kostbaren Dienst“ (siehe auch Seite 11). Über diese Worte des Dankes und der Anerkennung freuen sich die Vierheiligs. Dennoch sei weiterer Diskussionsbedarf da. „Das soll aber nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen werden“, meint Sigrid Vierheilig. War die ganze Aufregung also umsonst? Professor Haunerland sieht die Diskussion positiv: „Die Leute nehmen an dem Hirtenwort Anstoß, und hoffentlich gibt das Hirtenwort auch einen Anstoß zum Weiterdenken.“
Wort-Gottes-Feier
In der Wort-Gottes-Feier kann stärker als in anderen Gottesdiensten das Wort Gottes zur Sprache kommen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Verkündigung der Schriftlesungen und deren Auslegung. In Abgrenzung zum Wortgottesdienst der Messe wird dieser eigenständige Gottesdienst „Wort-Gottes-Feier“ genannt. Mit diesem Begriff soll zum Ausdruck kommen, dass die Gemeinde wirklich feiert. Das Zweite Vatikanische Konzil empfiehlt vor allem für die Werktage der geprägten Zeiten (zum Beispiel Fasten- und Osterzeit) solche Gottesdienste.
Für den Sonntag ist es seit den Tagen der Apostel selbstverständlich und unverzichtbar, die Eucharistie zu feiern. Dies ist aber wegen des Priestermangels nicht überall möglich. In Notsituationen ist deshalb auch vom Konzil die Möglichkeit von Wortgottesdiensten vorgesehen. Es ist Aufgabe der ganzen Kirche, darauf hinzuarbeiten, dass jede Pfarrgemeinde sonntags Eucharistie feiern kann.
Pfarrer Haas ist verantwortlich für rund 7200 Katholiken. Er betreut ganze zehn Ortschaften im Dekanat Bad Kissingen: Burkardroth, Frauenroth, Premich, Gefäll, Waldfenster, Katzenbach, Oehrberg, Stangenroth, Stralsbach und Lauter. Wie Haas feiert auch Kaplan Thorsten Kneuer drei Messen am Sonntag. Außerdem steht Pfarrer Hans Jürgen Elbrecht, Religionslehrer an der Berufsschule Bad Kissingen, für eine Eucharistiefeier zur Verfügung. Sieben Sonntagsmessen, zehn Ortschaften – die Gottesdienstordnung aufzustellen ist dabei für Pfarrer Haas jedesmal ein „Mordsakt“.
Wertvoller Dienst für den Zusammenhalt der Gemeinde
Drei Ortschaften würden also sonntags leer ausgehen, wenn es keine Wort-Gottes-Feiern gäbe. Pfarrer Haas ist deshalb froh, neun Wortgottesdienstleiter an seiner Seite zu wissen. „Die Wortgottesdienstleiter leisten einen wertvollen Dienst für die Ortsgemeinde und deren Zusammenhalt“, sagt Haas. Gerade deshalb könne er verstehen, wenn nun viele Wortgottesdienstleiter vom Fastenhirtenbrief des Bischofs enttäuscht seien. „Sie sind die ganze Zeit davon ausgegangen, sie erfüllen einen wichtigen Dienst. Jetzt kriegen sie gesagt, sie erfüllen nur für die einen wichtigen Dienst, die nicht zum richtigen Gottesdienst können.“ Auch das Ehepaar Sigrid und Christoph Vierheilig aus Waldfenster ist verunsichert. Seit 1997 sind sie Wortgottesdienstleiter in der Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt. „Wir tun diesen Dienst, weil wir in einer Notsituation gerufen worden sind“, macht Christoph Vierheilig deutlich. Die beiden leiten die Wortgottesdienste gemeinsam, an etwa 15 Sonntagen im Jahr. Dabei tragen sie Alben, die sie sich selbst gekauft haben. „In den liturgischen Gewändern treten wir als Person hinter der Aufgabe zurück“, erklärt Sigrid Vierheilig. Von der Gemeinde fühlten sich die Vierheiligs von Beginn an als Wortgottesdienstleiter gut angenommen. Sigrid Vierheilig hat gemerkt: „Die Leute sind froh, wenn sonntags überhaupt in der Kirche gefeiert wird – schon allein von der Tradition her.“
Auf der einen Seite die Tradition, sonntags in die eigene Kirche zu gehen; auf der anderen Seite die Pflicht, sonntags eine Eucharistiefeier zu besuchen. „Besonders ältere Leute sprechen uns jetzt an. Sie geraten in Gewissensnöte wegen der Sonntagspflicht“, erzählt Christoph Vierheilig. Zum einen seien sie zum Gehorsam gegenüber den kirchlichen Autoritäten erzogen worden, zum anderen könnten sie oft nicht mehr so, wie sie wollten. „Wenn die jungen Leut’ sonntags ausschlafen wollen, kommt die Oma net in die Kirch“, weiß Pfarrer Haas aus Erfahrung. Wenn die Gläubigen allerdings zur Messe in einen anderen Ort führen, bestehe außerdem die Gefahr, dass die Gemeinde auseinanderfalle. „Die Ortsgemeinde braucht es, sich sonntags um Jesus Christus zu versammeln“, ist Haas sicher. Und: „Wenn dies zur Eucharistiefeier nicht möglich ist, dann eben zu einer Wort-Gottes-Feier.“ Andererseits hält er es auch für zumutbar, zur Messe in den Nachbarort zu fahren. Doch die Realität sehe anders aus. „Die Leute lassen es sich nicht zumuten“, bedauert Haas. Dass die Leute den Sprung über die eigene Ortsgrenze schaffen, sei nur ganz schwer zu bewerkstelligen.
Den Vierheiligs dagegen ist die Dorfgemeinschaft am wichtigsten – und dazu gehört für sie vor allem ein Gottesdienst am Sonntag. „Um Kirche herum entsteht so viel. Wenn wir keinen eigenen Gottesdienst in Waldfenster haben, zerfällt alles. Der eine fährt dorthin, der andere dahin“, ist sich Sigrid Vierheilig sicher. Außerdem sei es besonders schwierig, junge Leute und Familien für die Kirche zu begeistern. Das Fastenhirtenwort von Bischof Friedhelm sei in diesem Punkt kontraproduktiv. „Wir im kleinen Dorf machen uns tausend Gedanken, wie man junge Leute anspricht, etwa mit Wortgottesdiensten für Familien. Da hilft es nicht gerade, was der Bischof gesagt hat“, meint Sigrid Vierheilig. Ein anderes Beispiel seien die engagierten Ministranten in Waldfenster. „Wir können unsere Minis ja nicht nach Burkardroth fahren, die haben selber genügend. Und je weniger unsere Ministranten zum Einsatz kommen, desto schneller verebbt das Engagement wieder“, bedauert Christoph Vierheilig.
Die Gefahr, dass die Gemeinde sich verstreut und trennt, sah 1978 bereits Bischof Josef Stangl in seinem Hirtenbrief über „Wortgottesdienste mit Kommunionspendung am Sonntag“. Mit diesem Hirtenbrief reagierte er auf die abnehmende Zahl von Priestern. Bischof Josef Stangl förderte eigenständige Wortgottesdienste am Sonntag und berief sich dabei auf die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Zu fördern sind eigene Wortgottesdienste … an Sonn- und Feiertagen, besonders da, wo kein Priester zur Verfügung steht.“ Obwohl er darin „Notlösungen“ sah, betonte Bischof Josef damals: „Dieser Wortgottesdienst am Sonntag ist dennoch nicht arm. Denn Christus ist auch darin für uns gegenwärtig.“
1200 Wortgottesdienstleiter im Bistum ausgebildet
Seit den späten 70er Jahren wurden in der Diözese Würzburg rund 1200 Wortgottesdienstleiter ausgebildet. „Etwa 600 sind zurzeit im Einsatz“, erzählt Bernhard Hopf, Referent für die Wort-Gottes-Feier im Bistum Würzburg. Neben der Aus- und Fortbildung gehört auch die Begleitung der Wortgottesdienstleiter zu seinen Aufgaben. Und das bedeutet nach dem Hirtenwort von Bischof Friedhelm vor allem: Verunsicherungen ausräumen. So sei etwa ein Wortgottesdienstleiter in einen Gewissenskonflikt geraten. Seine Frage: „Versündige ich mich, wenn ich am Sonntag die Wort-Gottes-Feier leite, weil ich so eventuell Menschen davon abhalte, eine heilige Messe zu besuchen?“ Doch Hopf beschwichtigte: „Wenn nur fünf Leute kommen, tust du schon was Gutes.“
Bernhard Hopf betont, dass die Wort-Gottes-Feier nicht in Konkurrenz zur Eucharistiefeier steht. Für ihn müsse Liturgie zum Ort werden, wo sich Menschen geborgen und angenommen fühlten. „Und die Vielfalt einer Liturgie trägt dazu bei, dass die Hochform auch Hochform bleibt“, ist Hopf überzeugt. Dennoch stören sich die Wortgottesdienstleiter oft an der Bezeichnung „Notnagel“. Doch Hopf entgegnet ihnen dann: „Auch einen Notarzt braucht man nur, wenn Not am Mann ist – aber dann ist er lebenswichtig.“ Durch Wort-Gottes-Feiern werde schließlich die Kirchlichkeit im Dorf erhalten. „Wir wollen Kirche im Ort am Leben erhalten, damit ein Pfarrer zur Messe kommen kann.“
Professor Dr. Winfried Haunerland, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg, argumentiert ähnlich. „Gerade weil die Wort-Gottes-Feier eine Sonntagsmesse nicht gleichwertig ersetzen kann, muss sie den Hunger nach der Eucharistie wach halten.“ Er betont, dass die Wort-Gottes-Feiern gar nicht das primäre Thema des Hirtenwortes gewesen seien. „Meiner Ansicht nach ist es dem Bischof vielmehr darum gegangen, herauszuheben, dass die Eucharistie nicht beliebig ersetzbar ist.“ Das Problem seien unterschiedliche Denkmodelle: zum einen die individuelle Verpflichtung, an einer sonntäglichen Eucharistiefeier teilzunehmen; zum anderen, dass sich die Gemeinde notwendigerweise sonntags versammelt. „Eine Kirche, die etwas auf sich hält, muss alles daran setzen, dass sonntags Eucharistie gefeiert wird“, sagt Haunerland.
Die Realität in der Rhön und anderen ländlichen Gebieten sieht jedoch anders aus. Und die Vierheiligs in Waldfenster bezweifeln etwa, dass der Bischof weiß, wie Kirche vor Ort wirklich stattfindet. „Einen Tag sollte Bischof Friedhelm mal mit unserem Pfarrer Haas verbringen. Ob Taufen oder Beerdigungen: In einem der zehn Orte wird er immer benötigt“, meint Sigrid Vierheilig. Ihr Ehemann fragt außerdem: „Wie soll Kirche in dieser Situation ohne Wort-Gottes-Feiern überhaupt noch funktionieren?“ Er sieht in dem Hirtenwort von Bischof Friedhelm den Anfang vom Ende der Wort-Gottes-Feiern.
Worte der Wertschätzung vom Bischof vermisst
Eine solche Einschätzung hält Dr. Stephan Steger, Referent für Liturgie und liturgische Bildung, für überzogen. „Wort-Gottes-Feiern am Sonntag tragen der Realität Rechnung, aber das Ziel ist und bleibt die Eucharistie. Das ist auch niemals anders gesagt worden“, betont Steger. „Die Wort-Gottes-Feier hat ihren hohen Eigenwert als gottesdienstliche Feier an Werktagen.“ Viele Gemeinden seien von sich aus lebensfähig. Für diese seien Wort-Gottes-Feiern auch am Sonntag eine große Hilfe. „Allerdings gibt es auch Ortschaften, die sich nicht mehr als in sich geschlossene christliche Gemeinden verstehen“, sagt Steger. Dieses so genannte territoriale Gemeindeprinzip löse sich vor allem in den Städten bereits auf. Die Folge: Die Gläubigen würden von sich aus wählen, wo sie sonntags in die Messe gehen. „Solche neu entstandenen Gemeinden verstehen sich verstärkt vom Gottesdienst her.“ Dennoch müssten beide Formen von Gemeinde respektiert werden.
Ein paar Worte der Wertschätzung zu Wort-Gottes-Feiern hätten sich Pfarrer Haas und die Vierheiligs im Fastenhirtenwort von Bischof Friedhelm gewünscht. Die kamen allerdings erst drei Wochen später auf der Frühjahrsvollversammlung des Diözesanrates. Bischof Friedhelm bezeichnete dort die Wort-Gottes-Feier als „hochwertigen Ersatz“; Wortgottesdienstleiter leisteten einen „kostbaren Dienst“ (siehe auch Seite 11). Über diese Worte des Dankes und der Anerkennung freuen sich die Vierheiligs. Dennoch sei weiterer Diskussionsbedarf da. „Das soll aber nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen werden“, meint Sigrid Vierheilig. War die ganze Aufregung also umsonst? Professor Haunerland sieht die Diskussion positiv: „Die Leute nehmen an dem Hirtenwort Anstoß, und hoffentlich gibt das Hirtenwort auch einen Anstoß zum Weiterdenken.“
Wort-Gottes-Feier
In der Wort-Gottes-Feier kann stärker als in anderen Gottesdiensten das Wort Gottes zur Sprache kommen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Verkündigung der Schriftlesungen und deren Auslegung. In Abgrenzung zum Wortgottesdienst der Messe wird dieser eigenständige Gottesdienst „Wort-Gottes-Feier“ genannt. Mit diesem Begriff soll zum Ausdruck kommen, dass die Gemeinde wirklich feiert. Das Zweite Vatikanische Konzil empfiehlt vor allem für die Werktage der geprägten Zeiten (zum Beispiel Fasten- und Osterzeit) solche Gottesdienste.
Für den Sonntag ist es seit den Tagen der Apostel selbstverständlich und unverzichtbar, die Eucharistie zu feiern. Dies ist aber wegen des Priestermangels nicht überall möglich. In Notsituationen ist deshalb auch vom Konzil die Möglichkeit von Wortgottesdiensten vorgesehen. Es ist Aufgabe der ganzen Kirche, darauf hinzuarbeiten, dass jede Pfarrgemeinde sonntags Eucharistie feiern kann.