Und warum hat er zugelassen, dass Amerikas Präsident Georg W. Bush, ohnehin nie für geistige Größe bekannt, danach die US-Armee und ihre Bündnispartner in Afghanistan einmarschieren ließ – ganz alttestamentlich: Auge um Auge, Zahn um Zahn –, ohne wirklich an die Folgen zu denken? Seinen Fehler bezahlten andere in zwei Jahrzehnten Krieg mit ihrem Leben: Soldaten und viele Afghanen, die keine Terroristen waren, sondern Opfer von Selbstmordanschlägen oder Bombardierungen – zur falschen Zeit am falschen Ort, wie die Menschen im World Trade Center. Hat Gott sie alle vergessen?
Und warum scheint er einmal mehr nicht aufgepasst zu haben, als der Westen die im Stich ließ, die helfen sollten, Afghanistan nach seinem Vorbild zu formen? Dolmetscher der Bundeswehr oder -polizei zum Beispiel. Wieder sah die Welt verzweifelte Menschen: Sie hoben Kinder über mit Stacheldraht bewehrte Mauern am Flughafen und klammerten sich an startende Militärflieger. Sie wollten den Taliban entkommen, deren schnelle Einnahme Kabuls der selbstverliebte Westen nicht hatte kommen sehen – doch viel mehr nicht hatte sehen wollen. War ihr Schicksal auch Gott egal?
Und warum lässt er zu, dass viele in Europa gleich wieder arrogant darüber diskutieren, wo die aus Afghanistan Geflohenen hin sollen? Wem man Hilfe schuldet, dem gibt man nicht das Gefühl unwillkommen zu sein! Gott scheint zwar manchmal sehr fern und hat nicht auf alle Fragen unmittelbar eine Antwort, aber da ist er eindeutig: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Danach ist zu handeln – zweifellos.
Anna-Lena Herbert