Evangelium
In jener Zeit, als Jesus in das Gebiet von Cäsaréa Philíppi kam, fragte er seine Jünger und sprach: Für wen halten die Menschen den Menschensohn?
Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elíja, wieder andere für Jeremía oder sonst einen Propheten. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?
Simon Petrus antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Jesus antwortete und sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjóna; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.
Ich aber sage dir: Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.
Matthäusevangelium 16,13–19
Der polnische Künstler Konrad Krzyża-nowski hat sie perfekt eingefangen: die Verschiedenheit von Petrus und Paulus. Zwischen 1901 und 1903 ist das Gemälde des Expressionisten entstanden, das heute im Nationalmuseum in Warschau hängt. Viele andere Künstler haben die beiden anders porträtiert: Da sind sie oft kaum zu unterscheiden.
Dabei unterscheidet sie wirklich viel. Da ist Petrus, der einfache Fischer aus einem Dorf am See Gennesaret. Bildung wird er nicht viel gehabt haben, Sprachkenntnisse auch nicht. Dafür verstand er umso mehr vom Alltag. Er war verheiratet, schließlich heilt Jesus seine Schwiegermutter. Von Kindern ist nichts bekannt, aber unwahrscheinlich ist es nicht. Eher im Gegenteil.
Paulus ist ganz anders: Sohn einer wohlhabenden Familie, aufgewachsen in Tarsus, einer damals bedeutenden Handelsstadt in der heutigen Türkei. Ein in griechischer Kultur und Geschichte gebildeter Mann mit römischem Bürgerrecht, Latein konnte er bestimmt auch. Verheiratet war er nie, von Sexualität hielt er wenig.
Petrus – und so fängt es auch das Gemälde ein – muss ein Heißsporn gewesen sein. Wenn die Begeisterung ihn packte, konnte ihn nichts und niemand halten. Wenn die Angst ihn packte, auch nicht. Oder die Reue, die ihn – wie nach dem Verrat in der Nacht vor Jesu Tod – in bitterste Tränen ausbrechen ließ. Petrus handelte erst und überlegte dann. Und um seine Gedanken zu Papier zu bringen, dazu fehlte ihm vermutlich nicht nur das Interesse, sondern auch die Fähigkeit.
Und wieder ist Paulus das Gegenteil: ein Denker. Ein Gelehrter. Ein Schriftsteller. In bestem Griechisch verfasste er seine sieben überlieferten Briefe an diverse Gemeinden – viele andere mögen verschollen sein. Wenn Petrus ganz aus seinen Erlebnissen mit Jesus lebte, machte Paulus aus den Erzählungen ein System, eine Theologie. Sünde und Gnade, Gesetz und Erwählung, Kreuz und Erlösung – über all das philosophierte er in gedanklichen Höhenflügen, die zu durchdringen für Alltagschristen bis heute schwierig sind. Für Petrus war es das sicher auch.
Apostel gegen Quereinsteiger
Und dann ist da natürlich ihre Beziehung zu Jesus. Petrus war von Anfang an dabei. Er war Augenzeuge von Predigten und Wundern, hatte schon im Kreis der Apostel eine besondere Stellung inne. Jesus hatte ihn persönlich berufen und ihm später seine Bewegung anvertraut – so erzählt es an diesem Sonntag der Evangelist Matthäus.
Und Paulus? Der war ein Quereinsteiger. Er verfolgte unter seinem Geburtsnamen Saulus die ersten Christen mit roher Gewalt; für die Steinigung des Stephanus soll er zum Beispiel verantwortlich gewesen sein, erzählt die Apostelgeschichte. Und dann, kurze Zeit später, kommt er an und erzählt von einer Bekehrung. Auch ihn habe Jesus persönlich berufen, sagt er, bei dieser Begegnung vor Damaskus. Er, Paulus, habe Jesus gesehen, sei also auch ein Augenzeuge, ein Apostel. Einer mit Leitungskompetenz, die er selbstbewusst einfordert. Und mit neuen Ideen, sehr seltsamen Ideen. Kein Wunder, dass sich die Begeisterung des Petrus in Grenzen hielt.
Petrus und Paulus – sie scheinen sich vor allem aus dem Weg gegangen zu sein. Zu unterschiedlich im Charakter, zu unterschiedlich im Denken. Doch dann gab es diesen einen Konflikt, der entscheidend werden sollte für die Zukunft des Christusglaubens. Entscheidend für die Entwicklung von einer jüdischen Sekte zu einer neuen Religion. Und auch hier stehen Petrus und Paulus erst auf verschiedenen Seiten.
Petrus war davon überzeugt: Jesus war Jude und wusste sich zu seinem Volk, nur zu seinem Volk gesandt. An der Tora mit all ihren Gesetzen und Geboten war für Petrus nicht zu rütteln: Wer an Jesus glaubt, muss auch daran glauben und die überlieferten Regeln befolgen, etwa die Beschneidung.
Paulus war hingegen sicher: Die Geschichte mit Jesus ist größer, sie ist Weltgeschichte. Deshalb wollte er den Heiden das Evangelium verkünden, den Römern und Griechen und allen, die in fremden Religionen und Kulten zu Hause sind. Alle sollen Christen werden können – ohne gleichzeitig Juden sein zu müssen. Komplizierte Speisegesetze befolgen oder sich beschneiden lassen? Nein, das würden sie nicht tun, das wäre nur ein Hindernis in der Mission, das sollte man klugerweise lassen.
Der Heilige Geist und wir
Im sogenannten Apostelkonzil, einer der wenigen Anlässe, zu denen Paulus nach Jerusalem reiste, wurde die Sache diskutiert und entschieden. Um das Jahr 48 herum muss das gewesen sein. In einem synodalen Prozess, mit Rede und Gegenrede und vor allem mit aufmerksamem Zuhören. Paulus und Barnabas sprachen, Petrus und Jakobus, und am Ende kam man „einmütig“ zu einer Entscheidung, einem Kompromiss – „die Apostel und die Ältesten zusammen mit der ganzen Gemeinde“, wie es heißt: „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weiteren Lasten aufzuerlegen als diese notwendigen Dinge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden.“ (Apostelgeschichte 15,28–29)
Freunde wurden Petrus und Paulus auch danach wohl nicht. Aber sie respektierten einander, weil sie wussten, dass sie sich auf verschiedenen Wegen für dieselbe christliche Sache engagieren. Darin sind sie ein Vorbild für heute in all den Diskussionen, was der wahre und rechte katholische Glaube ist und wie man ihn zu leben hat.
Und warum haben Peter und Paul nun ein und denselben Feiertag? Historisch ist der Grund klar: Der Gedenktag am 29. Juni geht auf die Überlieferung zurück, dass zur Zeit der Valerianischen Verfolgungen an diesem Tag in Rom die Reliquien der beiden Apostel in die Sebastian-Katakombe an der Via Appia übertragen wurden. Die älteste Feier dieses Gedenkens ist aus dem Jahr 354 belegt. Vielleicht ist der gemeinsame Tag aber auch ein Wink des Heiligen Geistes: dass sehr unterschiedliche Menschen mit sehr unterschiedlichen Meinungen trotzdem zusammengehören und für die Sache Jesu zusammenwirken können und müssen. Damals wie heute.
Susanne Haverkamp