Damit ist etwas, das im Zuge der Pandemie immer wieder thematisiert wurde, auf schreckliche Art ganz nahegerückt, hat existenzielle Bedeutung bekommen: die Erfahrung der Verwundbarkeit, der Bedrohung – des Einzelnen und der Gesellschaft. Das schockiert, das verwirrt, das verunsichert. Schockiert, verwirrt, verunsichert waren wohl auch die Augenzeugen des Geschehens. Aber etliche von ihnen haben es nicht dabei belassen; sie haben durch beherztes Eingreifen vermutlich noch Schlimmeres verhindert, Leben gerettet, Mitmenschen geschützt. In dieser Extremsituation haben sie das praktiziert, was bei der Gedenkfeier von allen Rednern beschworen wurde: Zusammenhalt.
Auch die Gedenkfeier selbst war Ausdruck und Symbol dieses Zusammenhalts und hat ihn – hoffentlich – gefördert und gestärkt. Gefragt sind jetzt penible Ermittlungsarbeit und Ausleuchtung des Täterhintergrunds: einerseits zur Vorbeugung, auch wenn sich Verwundbarkeit und Bedrohung selbst mit noch so großem Aufwand nicht auf Null bringen lassen; andererseits auch, um denen Paroli bieten zu können, die stets sofort mit pauschalen Schuldzuweisungen aufwarten.
Schockiert, verwirrt,verunsichert bin ich auch; zugleich erleichtert, weil Mitbürger, von denen ich nicht weiß, wer sie sind und woher sie kommen, nicht weggeschaut haben, vielmehr Zivilcourage gezeigt haben und andere beschützten, von denen sie ebenfalls nicht wussten, wer die sind und woher die kommen. Sie wussten nur, dass die bedroht waren.
Wolfgang Bullin