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    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Zukunft für Trincomalee

    Von den 200 000 Familien, die nach dem Tsunami obdachlos und in Flüchtlings- und Übergangslager einquartiert wurden, konnte bislang nicht einmal die Hälfte wieder zurück in ihre Häuser. Sie leben noch immer in Notunterkünften – dünnen Wellblechbaracken, unter deren Dächern sich die Hitze staut, und in denen sich bis zu zehn Familien einen Wasseranschluss sowie eine Toilette teilen müssen.
    Ananda Peiris war gerade auf dem Markt in Trincomalee, als er von einer riesigen Welle hörte, die auf die Stadt an der Ostküste von Sri Lanka zugerast käme. Voll Schrecken dachte er an seine Familie, seine Frau Champika und die beiden Kinder, die zu Hause in der kleinen Hütte unmittelbar am Strand geblieben waren. Im ausbrechenden Chaos auf dem Markt versuchte Ananda verzweifelt, nach Hause zu eilen. Aber ihm war klar, dass er es niemals schaffen würde.

    Der Fischer kennt die alles zerstörende Kraft des Wassers. Seit Generationen verdienen die Peiris mit dem Fischfang ihr täglich Brot. Jeden Morgen um drei Uhr fährt Ananda mit seinem kleinen Boot los, um zwei Stunden lang kleine, nachtaktive Fische zu fangen. Diese dienen ihm als Lebendköder für größere Speisefische, die er auf dem Markt verkauft. Von fünf Uhr morgens bis zum frühen Nachmittag jagt er diesen vor der Küste nach. „Das Fischen wird immer schwieriger und ist deshalb oft Glückssache“, zuckt Ananda die Achseln, „du musst einfach zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle sein.“  

    Papa ist der Größte

    Allzu viel Glück scheint Ananda bisher nicht gehabt zu haben – im Gegenteil. In seiner blitzblank geputzten „guten Stube“ zu Hause befinden sich lediglich einige Plastikstühle und ein Bett, die Kinder schlafen auf Strohmatten in einem winzig kleinen Raum nebenan, der nur durch eine Decke abgeteilt ist. Für die elfjährige Jayani und ihre siebenjährige Schwester Dulanjalee ist ihr Papa trotzdem der Größte. Stolz weisen sie auf das Foto, das ihren Vater mit einem fast zwei Meter langen Tunfisch zeigt – dem größten Fang seines Lebens.

    Als an Weihnachten 2004 die Tsunamiwelle kam, spielten die Kinder gerade, und ihre Mutter bereitete in der Küche das Essen vor. In dem dicht besiedelten Gebiet, wo ausschließlich Fischerfamilien leben, wurden sie von den Schreien der Nachbarn aufgeschreckt. Die 44-jährige Champika rannte mit ihren Kindern aus dem Haus. Doch es war zu spät, um zu flüchten. Alle drei klammerten sich an einen Balken, mit dem das Dach abgestützt wurde. Dann brach die meterhohe Welle über ihnen zusammen.

    Glück im Unglück

    Die Peiris hatten riesiges Glück. Beinahe unverletzt überstanden sie die Katastrophe. Erst nach gut einer Stunde, als sich das Wasser zurückzog, sahen sie das ganze Ausmaß der Überschwemmung. Die rechte Seite ihres Hauses war eingestürzt, überall bedeckte meterhoher Schlamm Hausrat, zerborstene Boote, Trümmer. „Wir wurden dann mit Mama in eine Schule gebracht“, erinnert sich Dulanjalee, „denn wir durften ja nicht bleiben. Es lagen ja überall Verletzte und Tote herum, die mussten erst geborgen werden.“ Mit ernsten Augen, ansonsten aber fast teilnahmslos, spricht sie über die schlimmsten Tage ihres Lebens. Ihren Vater sah sie eine Woche später wieder – sieben Tage voller Hoffen und Bangen, in denen die Peiris nichts voneinander wussten.
    Jede dritte Familie der Fischer von Trincomalee hatte Tote zu beklagen. In diesen ersten Tagen nach der Welle, als die gesamte Küstenregion Sri Lankas in Trümmern lag, beteiligte Ananda sich an ersten Aufräumarbeiten. „Als ich mein Haus sah, war ich verzweifelt“, sagt er. „Aber es gab so viel zu tun – ich habe mich direkt in die Arbeit gestürzt.“ Nun erwies sich der Zusammenschluss der Fischer von Trincomalee als hilfreich. Ananda ist der Sprecher dieser örtlichen NAFSO-Gruppe, der Gewerkschaft der Fischer, zu der 1700 Familien im Distrikt gehören.

     
    Hilfe für Familien

    Seit Jahren setzt sich die von MISEREOR unterstützte Gewerkschaft für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Fischer ein. Alle Fischer in der Region hatten durch die Flut ihre Boote und Netze verloren, konnten nicht mehr aufs Meer hinausfahren – für die ohnehin einkommensschwachen Fischer, die meist über keine Ersparnisse verfügen, eine besonders schwierige Zeit. „Viele leben weit unterhalb der Armutsgrenze“, weiß Hermann Kumara, der Leiter von NAFSO auf Sri Lanka. „Sie haben nicht das Wissen, wie sie ihre Lebensbedingungen verbessern oder sich über ihre Rechte informieren können.“ Kleine, sich selbst organisierende Spargruppen unter den Fischerfamilien sind auf Initiative von NAFSO in der Vergangenheit gegründet worden, Handwerkskurse und Workshops sollen den Fischerfamilien weitere Einkommensmöglichkeiten erschließen.

     
    Hilfe aus Deutschland

    Mit diesen Gruppen organisierte NAFSO nach dem Tsunami die ersten Hilfsmaßnahmen und konnte mit den aus Deutschland erhaltenen Spenden auch den Fischern von Trincomalee helfen. Baumaterialien wurden bereitgestellt, zinslose Kredite vergeben, mit freiwilligen Helfern die Häuser der Fischer wieder repariert. Schon im März zogen die Peiris von ihrer Notunterkunft wieder zurück in ihr Heim.

     
    Bitterste Armut

    Doch ob sie dort bleiben können, ist ungewiss. „Die Regierung will eine Schutzzone errichten, wo Fischer sich nicht ansiedeln dürfen“, erklärt Hermann Kumara von NAFSO. „Die Fischer sollen ins Landesinnere umgesiedelt werden.“
    Doch die Betroffenen wollen nicht weg, sondern unmittelbar in der Nähe des Meeres wohnen, bei ihren Booten. Viele fürchten, dass an Stelle ihrer Unterkünfte möglicherweise Hotelanlagen errichtet werden, so dass sie dort auch gar nicht mehr mit dem Boot hinausfahren können. „Auf die Regierung ist kein Verlass“, beklagt Hermann Kumara. „Sie hatte rasche Hilfe versprochen, aber viel ist von denen nicht gekommen.“

    Eigentlich sollten alle Familien, die Hab und Gut im Tsunami verloren hatten, jeden Monat 5000 Rupies, das entspricht etwa 42 Euro, an Unterstützung bekommen. Tatsächlich wurden die Zahlungen aber ohne Angabe von Gründen nach nur drei Monaten eingestellt – ein großes Problem insbesondere für die vielen Witwen, deren Männer durch die Flutwelle starben, und die nun in bitterster Armut leben müssen  

    Ausbildungskurse für Witwen

    Mit speziellen Ausbildungskursen hofft NAFSO, deren unmittelbare Not lindern zu helfen. „Manche der Frauen haben mittlerweile gelernt, Seile für den Fischfang herzustellen; andere versuchen mit selbst hergestellten Batiken oder Stickereien ein Auskommen zu finden“, erläutert Kumara diesen wichtigen Teil der Arbeit von NAFSO, der ebenfalls mit Spendenmitteln von MISEREOR aus Deutschland unterstützt wird.

    Dass diese Hilfe aus dem Ausland über bewährte Partnerorganisationen erfolgt, wird von Kingsley Swampillai, dem Bischof von Trincomalee und Batticaloa, sehr begrüßt: „Ohne ein funktionierendes Organisationswesen wäre der Wiederaufbau nicht möglich“, weiß er. „Hierfür sind verlässliche Partner und Organisationen notwendig, die um die Sorgen und Nöte der Menschen wissen und die verantwortlich und transparent mit den Spendengeldern umgehen. Der Wiederaufbau ist ja noch längst nicht abgeschlossen.“

    Tatsächlich konnte auf Sri Lanka von den 200 000 Familien, die nach dem Tsunami obdachlos und in Flüchtlings- und Übergangslager einquartiert wurden, nicht einmal die Hälfte wieder zurück in ihre Häuser. Sie leben noch immer in Notunterkünften – dünnen Wellblechbaracken, unter deren Dächern sich die Hitze staut, und in denen sich bis zu zehn Familien einen Wasseranschluss sowie eine Toilette teilen müssen. „Sicher, es müssen noch viele Häuser gebaut werden. Aber auch wenn der Wiederaufbau im Tsunami-Gebiet uns noch eine ganze Weile beschäftigen wird, waren wir doch schon erfolgreich“, meint Hermann Kumara von NAFSO. Und wie zur Bestätigung zeigt Fischer Ananda Peiris sein Haus, in dem nichts mehr an die Katastrophe von vor einem Jahr erinnert.