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    Die Europäische Union schaut mit Bangen und Erwartung in die Zukunft

    Zeigen, dass uns Europa wichtig ist

    Die Europäische Union schaut mit Bangen und Erwartung in die Zukunft
    Am 1. Mai sind zehn weitere Länder in die EU aufgenommen worden. Die wichtigsten Fakten und Daten dieser so genannten Osterweiterung sind schnell aufgezählt: Es handelt sich überwiegend um Staaten, die ehemals dem Ostblock zugehörten, so die baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen, die bis 1991 Teil der Sowjetunion waren, die großen Länder des früheren Warschauer Paktes Polen (38,6 Millionen Einwohner), Tschechien und Ungarn (je zehn Millionen) sowie die Slowakei (5,4 Millionen), dazu Slowenien aus dem ehemaligen Jugoslawien und schließlich die beiden kleinen Mittelmeerinseln Zypern (hier leider nur der griechische Teil) und Malta. Damit wächst die EU um 75 Millionen Bürger auf insgesamt 455 Millionen Einwohner und umfasst geografisch das Gebiet von Schweden und Finnland im Norden bis ins tiefe Mittelmeer bei Malta und Zypern, von West nach Ost erstreckt sie sich vom Atlantik bis an die Grenze Rußlands. Ein Dorf im Westerwald ist jetzt der geografische Mittelpunkt des neuen Europa.
     
    Natürlich gibt es sehr große Unterschiede in der Wirtschaftsleistung, bei Einkommen und Wohlstand, aber auch in der Demokratieerfahrung, der Rechtsprechung und Gesetzgebung, gar nicht zu reden von Sprache, Kultur und Religion. Die Integration bedeutet eine große Herausforderung für die 15 bisherigen Mitgliedsstaaten, vor allem finanzieller Art: Etwa 25 Milliarden Euro Fördermittel sind in den nächsten zwei Jahren zur Entwicklung der Infrastruktur in den neuen Mitgliedsländern erforderlich. Denn während die Einwohnerzahl durch den Beitritt der zehn Neuen um 20 Prozent steigt, wächst die Wirtschaftsleistung nur um fünf Prozent.
     
    Ängste und Risiken
    Dies und viele andere Aspekte führen dazu, dass diese Osterweiterung von den Menschen mit gemischten Gefühlen aufgenommen wird. „Bayerische Ängste und tschechische Hoffnungen“ betitelte vor kurzem die Süddeutsche Zeitung einen Beitrag dazu. Was hier für die Bewohner der bayerisch-tschechischen Grenze gesagt wurde, gilt pauschal für die ganzen EU-Länder: Während bei den 15 alten Mitgliedsstaaten die Sorgen und Ängste überwiegen, schauen die zehn neuen Länder mit großen Hoffnungen und Erwartungen in die Zukunft. Laut einer Umfrage befürchten in Deutschland und Österreich knapp 50 Prozent der Bevölkerung mehr Nachteile als Nutzen durch die Osterweiterung. In den Nachbarländern Frankreich und Großbritannien sind es sicher noch mehr. Vor allem die Wirtschaft hat oft Angst, nicht mehr konkurrenzfähig zu bleiben gegenüber den Billiglohnländern im Osten. Und das hätte noch höhere Arbeitslosenzahlen zur Folge oder ein Abwandern der Industrie in kostengünstigere Standorte. Durch die Öffnung der Grenzen nach Osten befürchten viele eine deutliche Zunahme der Kriminalität, besonders im Drogen-, Waffen- und Menschenhandel oder eine große Zahl von Arbeit suchenden Zuwanderern. Teile der Industrie klagen heute schon über die Regulierwut der EU-Behörden und befürchten Einbußen durch zu kleinkarierte Gesetze aus Brüssel. Dies alles führt zu einem latenten EU-Pessimismus, der oft mehr emotional als logisch begründet erscheint.
    Dennoch sind diese Ängste ernst zu nehmen, weisen sie doch auf ein Risiko hin, dem ein Verbund von Einzelstaaten immer von neuem ausgesetzt ist: Es war schon bisher nicht einfach, die Interessen von 15 Staaten unter einen Hut zu bringen, mit 25 wird es gewiss nicht leichter. Die Balance zwischen den gemeinsamen Zielen und staatlichen Einzelinteressen, die gerechte Aufteilung zwischen Geber- und Nehmerländern verlangen ein großes Maß an Fingerspitzengefühl. Für nationale Egoismen und kleinstaatliches Denken ist da ebenso wenig Platz wie für zentralen Bürokratismus. Dennoch gibt es keine Alternative zum Zusammenschluss. In unserer Welt nimmt die Globalisierung in allen Bereichen zu, ein selbstgewählter Ausschluss wäre auf Dauer unverantwortlich.
     
    Erwartungen und Chancen
    Die meisten Politiker haben dies heute erkannt und weisen auf die großen Vorteile und Chancen hin, die ein vereintes Europa mit sich bringt. So hat man sich schon im Vorfeld gegen gewisse Risiken der Osterweiterung abgesichert: Um sich gegen die erwartete Zuwanderung von Arbeit Suchenden zu schützen, hat man die Zahl beschränkt und gibt jedem Land die Möglichkeit, auf Jahre hinaus diese Zuwanderung zu begrenzen. Ähnliches gilt für die Bekämpfung der Kriminalität, die durch eine stärkere Kooperation der Sicherheitsorgane über die Ländergrenzen hinweg verbessert werden kann. Experten sehen besonders auch im wirtschaftlichen Bereich mehr Chancen als Gefahren: Mit dem wachsenden Wohlstand in den neuen Ländern wächst auch die Nachfrage nach hochwertigen Konsumgütern, von denen unsere Wirtschaft nur profitieren kann. Sicher wird der wirtschaftliche Aufschwung und damit der Lebensstandard im Osten schneller wachsen als im übersättigten Westen, was die Marktchancen in allen Ländern nur beflügeln kann. Schon entwickeln unsere Politiker ja die Option, die EU zur führenden Wirtschaftsmacht der ganzen Welt zu machen. Auch der Euro, den die neuen Länder frühestens 2006 (nach Erfüllung der dafür notwendigen Maastrichtkriterien) als Währung einführen dürfen, hat sich – entgegen manchen Befürchtungen – zu einer starken und stabilen Währung entwickelt. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Gewinn für die Gesundheit und Umwelt: Durch die einheitlichen Richtlinien aus Brüssel, zum Beispiel über Abgaswerte oder im Bereich der gentechnisch veränderten Nahrungsmittel, wird die Lebensqualität vieler Menschen deutlich erhöht.
    Mindestens ebenso wichtig wie der wirtschaftliche Nutzen ist der kulturelle Gewinn. Die neuen Länder bereichern Europa nicht nur durch ihre Sprachen, Kunst und Literatur. Prag, Budapest, Warschau etc. ergänzen als weitere Kulturmetropolen die bisherigen Zentren wie Paris, Berlin. London, Rom und Athen. Gekrönt wird diese ganze Entwicklung durch einen nicht zu überschätzenden Preis: Ab dem 21. Jahrhundert wird es keinen Krieg mehr zwischen europäischen Staaten geben. Für dieses Option sollte uns kein finanzieller Verzicht zu hoch sein!
    So lässt sich als Schlussbilanz feststellen: Europa hat an diesem 1. Mai 2004 einen gewaltigen Sprung in eine Zukunft gemacht, die – so hoffen wir – von Wohlstand, Sicherheit und Frieden geprägt sein wird.
     
    Die nächsten Schritte
    Gleich in den nächsten Wochen stehen zwei wichtige Entscheidungen ins Haus, die für die Weiterentwicklung und Integration Europas von großer Bedeutung sind:
    Am 13. Juni findet in allen 25 EU-Ländern die Wahl zum Europäischen Parlament in Straßburg statt. Hier sind wir als Bürger aufgefordert, unser Interesse und unseren Beitrag für Europa zu erweisen, indem wir zur Wahl gehen. Wir machen uns bewusst, das diese 732 Abgeordneten unsere Volksvertreter sind, und zeigen damit, dass Europa uns wichtig ist.
    Unmittelbar nach dieser Wahl treffen sich die Regierungsvertreter der EU-Länder in Brüssel, um über die neue EU-Verfassung zu beraten. Die Chancen, dieses wichtige Dokument endlich zu verabschieden, sind durch den Regierungswechsel in Spanien gewachsen. Auch Polen hat seine Blockadehaltung wohl aufgegeben. Darüber hinaus hat der Terroranschlag vom 11. März in Madrid den Druck auf ein gemeinsames Handeln in der EU verstärkt. Es bleibt zu hoffen, dass Überlegungen in manchen Ländern – ausgelöst durch Großbritannien – die Bevölkerung in einem Referendum über diese Verfassung abstimmen zu lassen, nicht das ganze Unternehmen wieder gefährden.