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    Zauberwelt aus Licht und Schatten

    Was Irmingard von Freyberg nicht an materiellen Gütern besaß, das schuf sie sich mittels ihrer Fantasie. In dem kleinen „Paralleluniversum“ aus schwarzem Tonpapier, das sie im Lauf ihres Lebens geschaffen hat, haben Dinosaurier ebenso wie unheimliche, archaische Fischwesen neben grazilen Prinzessinnen, niedlichen Wichtelmännchen und lustigen Musikanten eine Existenzberechtigung.
    Man sieht nur seinen Schatten, aber die Form seiner Silhouette verrät: Er stammt aus Ägypten. Er ist hochgewachsen und seine stolze Haltung zeigt, dass er ein mächtiger Mann ist: Potiphar, die bekannte Figur aus der alttestamentlichen Josefs-Geschichte. Mit nur wenigen Handbewegungen und einer kleinen Schere hat ihn die Künstlerin Irmingard von Freyberg vor vielen Jahren aus einem Bogen schwarzen Tonpapiers hervorgezaubert. Die Freifrau widmete einen Großteil ihres Lebens der so genannten „schwarzen Kunst“, dem Scherenschnitt. Viele ihrer Schattenkunstwerke entstanden in Ochsenfurt.
    Irmingard von Freyberg wurde 1907 in München geboren. Im Jahr 1912 hat sie damit begonnen, erste Märchenbilder zu schneiden. Von 1926 bis 1929 studierte sie Gebrauchsgraphik, Kostüm-und Bühnenbildnerei an der Staatsschule für angewandte Kunst in München. 1935 zog Irmingard mit ihren Eltern nach Murnau am Staffelsee um. Dort hat sie unter anderem Max Dinglers Buch „Das Bairisch Herz“ illustriert. Nach drei Jahren Schauspielunterricht trat sie im Markgräflichen Opernhaus zu Bayreuth auf und arbeitete anschließend als Maskenverleiherin und Faschingskostümschneiderin in Regensburg. 1958 vertrat sie Luigi Malipiero im Torturmtheater in Sommerhausen. Freyberg gefiel es gut in dem beschaulichen Ort und so lebte sie dort bis zu ihrem Tode am 29. März 1985.

    Der Nachlass der Irmingard von Freyberg besteht heute aus hunderten von Tonpapierfiguren. Ihr Neffe, Pankraz Freiherr von Freyberg, vermachte einen Großteil der Scherenschnittfiguren der Stadt Ochsenfurt, wo sie mehr als 20 Jahre ein Schattendasein in großen Boxen im Kellergewölbe der Stadtbibliothek fristeten. Unter ihnen sind viele so feingliedrig, dass man, aus Angst, die winzigen Details zu zerstören, kaum wagt, sie an den eigens dafür angebrachten Haltestangen zu bewegen. Ihr Einsatz ist lang her: Am 1. Januar 1955 feierte von Freyberg beim NDWR mit dem Schattenspiel „Robert Schumanns Kinderszenen“ ihre Fernsehpremiere. Rund zwanzig Jahre lang, von 1955 bis 1972, waren ihre Figuren die Protagonisten von zahlreichen Fernsehschattenspielen. Geschäftig wuselten sie über den Bildschirm oder schritten gemächlich darüber, je nachdem, welche Rolle ihnen ihre Schöpferin zugedacht hatte.

    Nun können Besucher im Dachgeschoss der Ochsenfurter Stadtbibliothek eine Dauerausstellung mit Figuren aus dem Nachlass besichtigen, die anlässlich des 100-jährigen Geburtstages der Künstlerin eingerichtet wurde. Bereits im Dezember 2006 holten Petra Gold, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Ochsenfurt, und die Bibliotheksleiterin Barbara Süsskind die Sammlung wieder ans Licht. Für die Ausstellung haben sie die schönsten Figuren ausgewählt. „Die Stadt Ochsenfurt hat ein ganz besonderes Verhältnis zu Irmingard von Freyberg,“ erklärt Petra Gold. Da die Künstlerin in ihrer winzigen, altmodisch eingerichteten Wohnung in Sommerhausen nicht genug Platz zum Arbeiten hatte, suchte sie verzweifelt nach einem Atelier. Rettung kam aus dem nahe gelegenen Ochsenfurt: In einem romantischen Turmzimmer an der Stadtmauer sollte sie von nun an ihrer Arbeit nachgehen können und war ab diesem Zeitpunkt auf den Straßen von Ochsenfurt ein viel und gern gesehenes Gesicht. Den Ochsenfurtern ist Irmingard von Freyberg als eine liebenswürdige, großzügige Dame in Erinnerung geblieben, bemerkt Petra Gold: „Viele Leute hier besitzen Scherenschnitte von ihr.“ Diese habe die Freifrau, die sich ihr Leben lang mit Geldsorgen herumschlug, nicht etwa verkauft, so Gold weiter. Freyberg habe sie oft verschenkt. Auch ihr Lebensgefährte Karl Kopperger, ein Schäfer aus Sommerhausen, den sie 1960 kennenlernte, trug nicht zu einem luxuriösen Lebensstil bei.

    Was Irmingard von Freyberg nicht an materiellen Gütern besaß, das schuf sie sich mittels ihrer Fantasie. In dem kleinen „Paralleluniversum“ aus schwarzem Tonpapier, das sie im Lauf ihres Lebens geschaffen hat, haben Dinosaurier ebenso wie unheimliche, archaische Fischwesen neben grazilen Prinzessinnen, niedlichen Wichtelmännchen und lustigen Musikanten eine Existenzberechtigung. Petra Gold und Barbara Süsskind haben noch heute die Aufgabe, diese kleine Welt, die sie auf einem Tisch in der Ochsenfurter Bibliothek vor sich ausgebreitet haben, Stück für Stück zu erschließen und nach Themen zu ordnen. Am Ende wollen sie unter allen Exemplaren die schönsten für die Ausstellung aussuchen. Neben den Märchen und den musikalischen Themen – Irmingard von Freyberg war ein großer Mozartfan – gibt es zahlreiche Motive aus der Bibel. Immer wieder tauchen Engel zwischen den Figuren auf. Aber auch Jesus und seine Jünger sind vertreten, sowie die Charaktere der Josef-Geschichte aus dem alten Testament. „Biblische Geschichten“ war nämlich das Motto einer Serie während ihrer Zeit beim Fernsehen von 1955 bis 1972.

    Diese Serie wurde – ebenso wie ihre anderen Stücke – ausschließlich von ihr selbst gestaltet: Bevor Freyberg die Figuren vorsichtig ausschnitt, zeichnete sie die Umrisse dünn mit Bleistift vor. Indem sie dann die Gelenke der Figuren mit schwarzen Bindfäden festknotete und Schiebestangen an jedem Exemplar befestigte, wurden sie beweglich gemacht. Agieren konnten die Figuren dann vor den Kulissen übereinander gestaffelter Glasplatten, auf denen verschiedene Landschaften abgebildet waren. Bei den Fernsehschattenspielen bewegte Irmingard von Freyberg wenn möglich alle ihre Figuren selbst und hauchte ihnen mit ihrer Stimme Leben ein. Gesendet wurden die Schattenspiele meistens live. Auf diese Weise entstanden über 60 Schattenspiele für das Fernsehen. Aber nicht nur mit ihren beweglichen Schatten hat Irmingard von Freyberg Berühmtheit erlangt. Sie hat auch zahlreiche Bücher illustriert. Für diese Zeichnungen, aber auch für Einzelkunstwerke, entwickelte sie mit der Zeit ihre Scherenschnitte zum so genannten „Schattenriss“ weiter. Die schwarzen Silhouetten wurden dabei durch Hintergrundkulissen erweitert und ergaben mit ihnen gemeinsam ein stimmiges Gesamtbild. Irmingard von Freyberg kolorierte Pergamentpapiere mit schwarzer Tusche in verschiedenen Grautönen, bemalte und beklebte sie mit landschaftlichen Kulissen und legte sie dann übereinander. Als sie sich mit indischen Märchen befasste, experimentierte sie bei dieser Technik auch mit Farbe. In der Bibliothek der Stadt Ochsenfurt kann man einige dieser Schattenrisse besichtigen. Liebevoll an der Wand arrangiert, ziehen sie den Betrachter auf magische Weise in ihre optische Tiefe hinein.

    Die Dauerausstellung wird in der Stadtbibliothek Ochsenfurt, Brückenstr. 1, gezeigt.
    Telefon: 09331/5505,
    Fax: 09331/804616
    E-Mail: „bibliothek.ochsenfurt@t-online.de“.
    Öffnungszeiten:
    Montag und Freitag
    10 bis 18 Uhr,
    Dienstag bis Donnerstag
    13 bis 18 Uhr.

    Der Eintritt ist kostenlos.

     

     

    Zur Geschichte des Schmerenschnitts

    Das Spiel mit den Schatten hat eine lange Tradtion. Allgemein gilt China als das Ursprungsland des Schattentheaters. Die Anfänge des chinesischen Schattenspiels liegen im 11. Jahrhundert nach Christus, als Marktleute die noch farblosen „Schattenmenschen“ anfertigten und hinter beleuchteten Papierwänden agieren ließen.
    Wenig später wurden Indien, Ceylon, Java, Siam und Malaya zum Zentrum des Schattenspiels. Nach Europa kam das Schattenspiel über das nordafrikanische Tunis zuerst in den Süden Italiens. Ab 1683 tauchte es in Frankfurt am Main, Bremen und später in Hamburg auf und wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts mehr und mehr zu einer allgemeinen Volksbelustigung auf den Märkten. Eine Blütezeit erlangte die Silhouettenkunst in Deutschland zur Goethezeit zwischen 1785 und 1800. Damals war es regelrecht in Mode, Porträtsilhouetten zu schneiden und schneiden zu lassen.
    Aber auch im 20. Jahrhundert beschäftigten sich neben Irmingard von Freyberg noch zahlreiche andere Künstler mit der „schwarzen Kunst“, darunter niemand Geringeres als Pablo Picasso, der in der Zeit von 1937 bis 1946 seiner Tochter Maya eine ganze Welt von Scherenschnitten schuf.