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    Weihnachten wird in der Ukraine normalerweise ausgiebig und mit vielen Traditionen gefeiert

    Wunsch nach Frieden

    Wenn Oksana von Weihnachten in der Ukraine erzählt, beginnen ihre Augen zu strahlen. Der Krieg in ihrem Heimatland, die Angst um ihren Ehemann, die Unsicherheit in der Fremde – all das rückt an diesem Nachmittag im Dezember für einen Augenblick in den Hintergrund. Dennoch: Oksana und ihre beiden Kinder werden das Fest der Geburt Christi in diesem Jahr voller Sorge und Traurigkeit verbringen.

    Seit 14. März ist Oksana mit ihrer Tochter (16) und ihrem Sohn (18) in Deutschland. Nach Frankfurt, Würzburg, Giebelstadt und Rottendorf leben die drei in einer Unterkunft des Landkreises Würzburg in Ochsenfurt. Ihr Mann und der ältere Sohn sind noch in der Ukraine. Die Familie kommt aus Winnyzja in der Zentral­ukraine und gehört der ukrainisch-orthodoxen Kirche an.

    Aktuell gibt es in dem osteuropäischen Land zwei orthodoxe Kirchen: Etwa 46 Prozent bekennen sich zu der seit 2018 eigenständigen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ (OKU) unter dem Kiewer Patriarchat, weitere 14 Prozent zur Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, die Moskau unterstellt ist. Im Westen des Landes gibt es zudem einige Millionen griechisch-katholische Christen; sie erkennen den Papst an, feiern aber im östlichem Ritus Liturgie und haben verheiratete Priester.

    Streit um den Termin

    Oksanas Familie feiert Weihnachten ganz traditionell – wie viele Ukrainer auf dem Land. Während das Fest in der westlichen Kirche nach dem Gregorianischen Kalender, also am 25. Dezember, begangen wird, orientieren sich die östlichen Kirchen am Julianischen Kalender. Weihnachten fällt deshalb dort auf den 7. Januar. Bislang – denn bereits Ende 2021 hatte sich der Kiewer Metropolit Epiphanius auf eine Angleichung und eine Verlegung des Weihnachtstermins auf den 25. Dezember ausgesprochen.

    Durch den Krieg hat sich der Kalenderstreit verschärft, die Ukraine erweist sich hier wieder einmal als „Grenzland“ zwischen Osten und Westen. Jetzt hat die Leitung der ukrainisch-orthodoxen Kirche entschieden, den Menschen die Entscheidung selbst zu überlassen. Für Oksana und Dolmetscherin Yuliia „ein wichtiges Signal, um sich von Russland abzugrenzen“.

    Zweimal Neujahr

    Ab der Nacht zum 1. Januar spüren die Menschen den Neuanfang, berichtet Oksana. Sie sehnen sich nach „neuem Leben, neuen Möglichkeiten, einer neuen Zukunft“. Wegen der beiden Kalender feiert man das Neue Jahr in der Ukraine übrigens noch ein zweites Mal, nämlich am 13. Januar. „Malanka“, das „Alte Neue Jahr“ ist ein willkommener Anlass, um einander noch einmal Glück, Wohlstand und Segen zu wünschen – in Form von Weizenkörnern, die man einander vor die Häuser und in die Flure streut.

    Ganz besonders drückt sich die Sehnsucht nach einem Neuanfang aber für Oksana im Kind in der Krippe aus. Am Morgen des 7. Januar besucht sie mit der Familie den Weihnachts-Gottesdienst, anschließend geht es zu Eltern, Großeltern und anderen Familienmitgliedern zum Frühstück. Abends werden die zwölf traditionellen Weihnachtsgerichte aufgetischt. Pfannkuchen, Teigtaschen mit Kartoffeln (Wareniki), gebackener Fisch und selbstgemachte Wurst gehören ebenso dazu wie die ukrainische Nationalspeise Borschtsch. Höhepunkt ist aber die „Kutja“, ein Brei aus gekochten Weizenkörnern, Zucker, Mohn, Walnüssen und Honig, der in einer Tonschale serviert wird.

    Süßigkeiten sammeln

    Die Kinder gehen während der Weihnachtstage auf „Koljadki“; dabei ziehen sie in traditioneller Kleidung von Haus zu Haus, singen Weihnachtslieder und sammeln Süßigkeiten. Die Traditionskleidung besteht im Wesentlichen aus einer Bluse mit Stickereien, der „Wyschy­wanka“, die auch in den Städten von Jung und Alt getragen wird. In manchen Orten wie Lviv finden sogar Umzüge statt, bei denen große Sterne aus Papier durch die Straßen getragen werden. Auch Krippendarstellungen kennt man in der Ukraine – allerdings vor allem in Form großer Holzfiguren, die auf den Plätzen stehen.

    Und einen Christbaum? „Selbstverständlich haben wir einen Christbaum“, nickt Oksana. Aufgestellt wird der aber bereits mehrere Tage vor Silvester. Mit guter Pflege und viel Wasser muss der mit Süßigkeiten, Sternen, Kugeln und Kerzen geschmückte Geselle dann bis zum Ende der Festzeit am 19. Januar durchhalten. Geschenke liegen an Weihnachten übrigens nicht unter dem Baum, die gab es bereits am Abend des 31. Dezember.

    Größter Wunsch: Frieden

    Auch für Lilli aus Kiew ist Weihnachten ein wichtiges Fest. Sie selbst bezeichnet sich zwar wie viele junge Ukrainer, die in den großen Städten leben, als „agnostic“. Sie empfindet das Fest aber als Gelegenheit, um „auf das Leben und in eine hoffnungsvolle Zukunft zu schauen“. Noch wichtiger als Weihnachten ist für sie die Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar, die intensiv mit Familie und Freunden gefeiert wird. „Es gibt Ente oder Huhn mit Kartoffeln und Salat, wir spielen, singen und tanzen die ganze Nacht hindurch“, erzählt sie. Neujahrswünsche werden auf kleine Zettel geschrieben, angezündet und steigen dann als Rauch zum Himmel auf.

    Während sie erzählt, treten Tränen in ihre Augen: „Letztes Jahr waren wir zusammen, ich hatte einen Beruf, eine Wohnung, ein Auto. Jetzt ist alles anders: Ich bin mit meiner Tochter in einem fremden Land, habe täglich Angst um meinen Mann, Sohn und Vater und weiß nicht, wie unser Leben weitergeht.“ Lillis größter Wunsch ist, dass der Krieg endlich aufhört, „bevor unser gesamtes Land zerstört ist“.

    Von diesem Wunsch berichtet auch der griechisch-orthodoxe Priester Ivan Mykhailiuk. Er ist Pfarrer der „Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche“ St. Nikolaus, die den Großraum Bamberg, Nürnberg und Würzburg umfasst. „Ich spüre eine gewaltige Sehnsucht nach Frieden“, sagt er. „Die Menschen stehen enorm unter Druck, sie sind zermürbt und müde, sie wollen zurück nach Hause und neu anfangen.“ Gerade bei jungen Menschen sei dieses Gefühl sehr stark, sie haben „weder Stabilität noch eine Perspektive“, so Mykhailiuk. Bei den Sonntags-Gottesdiensten in St. Bruno im Würz­burger Steinbachtal will er deshalb vor allem eines vermitteln: „Gott ist da! Gott sorgt für Dich und er schenkt Dir Leben!“ Die größte Freude mache man einem Geflüchteten, „wenn Menschen zusammenkommen, gemeinsam Zeit verbringen und beten. Das ist der erste Schritt zum Frieden!“

    Sehnsucht nach der Familie

    Auch Oksana und Lilli haben keine großen Wünsche zu Weihnachten. „Wir sind in Sicherheit, haben eine Unterkunft, Kleidung, Geld und unsere Kinder können zur Schule gehen. Die Deutschen tun so viel für uns, sind hilfsbereit und warmherzig“, sagen beide, und dafür sind sie „sehr dankbar und überglücklich“. Dennoch werden die Weihnachtstage für Oksana schwer. Sie vermisst den Rest ihrer Familie, wird aber ihren Kindern zuliebe in Deutschland bleiben, bis der Krieg vorüber ist.

    Wenn Sie die Zutaten findet, wird sie „Kutja“ zubereiten, nach einem passenden Gottesdienst ist sie noch auf der Suche. Und an welchem Tag wird sie heuer feiern? „Auf jeden Fall zwei Mal!“, antwortet sie ohne zu zögern: „Einmal deutsch und einmal ukrainisch“.

    Anja Legge