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      Würzburg – das Grab am Main

      Rund 300 englische Jagdbomber entfachen mit ihren über 360 000 Stabbrand- und über 200 Sprengbomben einen Glutofen, bei dem 4500 Menschen ihr Leben verlieren. Am 16. März jährt sich der Tag der Zerstörung zum 70. Mal.
      Zum ersten Mal haben Bomben Würzburg mitten ins Innere getroffen. Und alle sind der Überzeugung, unsere Stadt würde nun ganz das Schicksal von Aschaffenburg haben, das völlig zerstört ist, nachdem zunächst auch nur einzelne Bomben fielen.“ Die Vorahnung der Malerin Gertraud Rostosky, ihrem Tagebuch am 5. Februar 1945 anvertraut, wird bereits fünf Wochen später bittere Realität. Am Abend des 16. März 1945 verwandelt sich die „barocke Perle am Main“ zum „Grab am Main“. Rund 300 englische Jagdbomber entfachen mit ihren über 360000 Stabbrand- und über 200 Sprengbomben einen Glutofen, bei dem 4500 Menschen ihr Leben verlieren. Am 16. März jährt sich der Tag der Zerstörung zum 70. Mal.   Eigentlich hat dieser Schicksalstag, ein Freitag, recht schön begonnen. Zeitzeugen sprechen von frühlingshaften Temperaturen, von einem herrlichen Sonnentag – ohne den für diese Zeit typischen Dunst, der im Frühjahr immer wieder bleiern über dem Maintal hängt. Manche tragen bereits luftige Kleider und kurze Hosen. Einige Bürger sind an diesem  16. März 1945 damit beschäftigt – wie auch schon in den unruhigen Wochen zuvor – für sie wichtige Dinge aus ihren Wohnungen zu Verwandten oder Freunden aufs Land zu karren. So ist auch die 14-jährige Emma Schwab an diesem Tag zusammen mit ihrer großen Schwester Christina vom Heimatdorf Breitbach die 45 Kilometer nach Würzburg samt Leiterwägelchen gekommen, um aus der Wohnung der älteren Schwester noch einige Dinge zu holen. Im alten Mainviertel in der Elstergasse angekommen, verstauen sie Leibwäsche, Porzellan und Erinnerungsstücke in einer Zinkwanne, zuoberst kommt die dreiteilige Matratze. Am späten Nachmittag geht´s wieder zurück nach Breitbach. Den Angriff auf Würzburg erleben sie Gott sei Dank nur von weitem; die sterbende Stadt zeigt sich ihnen als riesiger Feuerschein. Nachts um drei Uhr kommen sie zuhause wieder an. „Mein Schwester bricht bereits zwei Stunden später wieder nach Würzburg auf. Sie will wissen, was passiert ist“, erzählt Emma Schwab. Hier wird sie festellen, dass die Häuser in ihrer Gasse allesamt brennen. Später erfährt sie, dass die meisten Menschen in dem ihnen zugewiesenen Schutzkeller beim Angriff ums Leben gekommen sind.  

      Sirenen als Vorboten

      Bereits in den letzten Tagen vor dem Inferno heulen immer wieder Sirenen auf – in immer kürzeren Abständen. Am 3. März beklagt Würzburg 86 Tote, als schwere Sprengbomben in die Reisgrubengasse, Kant- und Beethovenstraße fallen. Vergleichbar „wütenden Hornissen“ – so umschreibt ein Zeitzeuge das Summen der herannahenden Flugzeuge. Wenig später werfen sie ihre tödliche Fracht ab. „Man muss immer ans Sterben denken. Heute war mir dabei für einen Augenblick, als würde es für mich danach sehr schön – wie in der Kindheit.“ Diese Tagebucheintragung Gertraud Rostoskys vom 25. Februar zeigt die Angst, die sich in der Würzburger Bevölkerung breitgemacht hat. Zwei Tage vor diesem Eintrag, am 23. Februar, sterben bei einem Angriff auf den Bahnhof und auf das weitläufige Gleisgelände 178 Menschen. Zur gleichen Zeit wird der Dom – der manchem als heiliger Ort, gefeit gegen Bomben gilt, als Möbellager genutzt; Jungen des nationalsozialistischen Jungvolks sind mit der Aufgabe betraut, den Inhalt von Wohnungen und Geschäften ins Gotteshaus zu bringen.    Zu dieser Zeit ist die Stadt bereits von zahlreichen Angriffen gezeichnet. Am 19. Februar werden das Juliusspital und die Sparkasse am Kürschnerhof schwer beschädigt, Fassaden aufgerissen, Dächer abgedeckt. Menschen fragen sich: „Wie soll dieses Leben weitergehen?“ An ein normales Miteinander ist nicht mehr zu denken. Geld als Zahlungsmittel hat seinen Wert verloren. Nur wer etwas zu tauschen hat, kommt in jener Zeit weiter.  

      Die Hoffnung trügt

      Würzburg, das zu jener Zeit den Status einer „Lazarettstadt“ hat, lässt viele Menschen hoffen, dass ihre Stadt aus diesem Grund von einer Flächenbombardierung – wie in Dresden vier Wochen zuvor – verschont bleibt. Schlecht in Erinnerung der Bevölkerung ist auch die Bombardierung der Stadt Aschaffenburg, auf die am 21. November 1944 nahezu 28000 Zentner Spengbomben niedergingen und die Hälfte der Bevölkerung obdachlos machten. Ein weiterer Umstand macht den Würzburgern Mut, sie könnten der Totalzerstörung entkommen. Das Gerücht geht um, Englands Premierminister Winston Churchill habe in Würzburg studiert, obendrein sei er ein guter Freund von Bischofs Matthias Ehrenfried. Doch letztendlich ist alles nur der sprichwörtliche Strohhalm, an den sich die Menschen klammern.  

      Der Abend des 16. März

      Kurz vor 20 Uhr wird eine Feindmeldung verbreitet, gegen 20 Uhr wieder Entwarnung. Gegen 21 Uhr schrillen die Sirenen erneut. Kurz darauf teilt im Radio der örtliche Luftschutzsender mit, dass ein straker Kampfverband feindlicher Flugzeuge bei Crailsheim gesichtet worden sei und in nordöstliche Richtung möglicherweise im Anflug auf Würzburg sei. Unbehelligt von deutscher Flugabwehr erreicht der Flugzeugverband Würzburg. Unheilvolle Boten des nahenden Infernos sind spezielle Markierungsbomben, die über der Stadt abgeworfen werden. Aus ihnen segeln, an kleinen Fallschirmen hängend,  Leuchtkörper in Rot, Grün und Gelb hinunter – die Stadt wird taghell. „Christbäume“ werden diese dreieckigen Formationen aus Leuchtkörpern genannt. „Christbäume“ – Was für ein verniedlichendes Wort, für das, was dann folgt. Zeitzeugen sprechen später von einem „unheimlich gelben Licht“.  

      Das Inferno beginnt

      Zwischen 21.25 Uhr und 21.42 Uhr – also in nicht mal 20 Minute, fallen auf Würzburg mehr als 200 Sprengbomben und Zehntausende von Stabbrandbomben – jene 1,7 Kilogramm schweren Sprengkörper, die auggrund des höchst brennbaren Thermits als „die“ Entzündungswaffe gilt und 80 Milionen Mal zur Zerstörung deutscher, vor allem mittelalterlicher Städte, eingesetzt wird. Rund 4500 Menschen kommen bei diesem Angriff zu Tode. Die Schreckensbilanz: Zirka 68 Prozent der äußeren Stadtgebiete und 90 Prozent der Würzburger Innenstadt gehen zugrunde. Unversehrt überstehen den Angriff nur sieben Häuser in der Juliuspromenade und ein Haus in der Büttnergasse.   Bis zu 2000 Grad Celsius soll die Hitzeentwicklung gewesen sein,  vor allem in den engen Innenstadtgassen. Überlebende sprechen von orkanartigen, glühend heißen Stürmen, die den Sauerstoff zum Atmen nahmen. So finden auch viele Menschen in ihren zumeist provisorisch eingerichteten Luftschutzräumen durch eindringenden Rauch den Tod. Andere werden von herabfallenden Gebäudeteilen erschlagen oder verbrennen bei lebendigem Leib. Es wird noch über drei Wochen dauern, bis die letzten Brandnester gelöscht sind.   Der vorliegende Artikel basiert in Teilen auch auf Berichten und Tagebucheintragungen von Zeitzeugen, die Roland Flade in seinem Buch, „Zukunft, die aus Trümmern wuchs“ (Main Post), zusammengestellt hat.