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      Wo nur die Köpfe rauchen

      Zehn Jahre Hausaufgabenbetreuung im kirchlichen Freizeitheim in Schweinfurt - Anlaufpunkt für Jugendliche aus zumeist "gestörten" Familien - Neben schulischer Hilfe werden auch Geborgenheit, Werte und Tugenden vermittelt
      SCHWEINFURT. Es ist Essenszeit. Alle sitzen schweigend um den Tisch und genießen, was in der Küche zubereitet worden ist. Nur einer am Tischende liest dazu vor. Die Szene könnte sich im Refektorium eines Klosters abspielen. Dafür wären die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jedoch zu jung. Sie gehören zu der Gruppe von Jugendlichen, die im offenen Jugendtreff und Freizeitheim der Kirchlichen Jugendarbeit in Schweinfurt neben einer gediegenen Hausaufgabenbetreuung auch ausgewogene Mahlzeiten erhalten.
       
      „Genügend kennen kein geregeltes Essen. Da gibt es früh auch einmal kalte Kartoffeln. Besser als nichts wie zum Beispiel in Familien, wo die Eltern schon früh zur Flasche greifen“, berichtet Günther Schäfer, Leiter der Einrichtung, die im Dekanatszentrum in der Schultesstraße auf zwei Stockwerken untergebracht ist. Die „Kids“ stammen meist aus so genannten gestörten Familien. Die Eltern sind, ob berufstätig oder arbeitslos, überfordert und – so krass es klingen mag – unfähig zur Erziehung ihres aufmüpfigen und lernunwilligen Nachwuchses. Irgendwann greift dann die Behörde ein. Und mit viel Glück – die Nachfrage ist bei Weitem größer als das Angebot – erhalten die „schlimmen“ Buben oder Mädchen, alle Schüler ab der fünften Jahrgangsstufe, einen Platz im Freizeitheim. Von Glück können die Jugendlichen schon deshalb reden, weil sie bei Schäfer als dem Herbergsvater zum ersten Mal so etwas wie Heimat, Geborgenheit, ja Familie erleben. Sie erfahren dort auch ganz neu, was es mit Werten und Tugenden auf sich hat. Das beginnt mit den Tischmanieren und der Körperhygiene und endet mit der Einübung von eigentlich selbstverständlichen Umgangsformen. Wenn sie erst einmal mit Höflichkeit und gegenseitigem Respekt vertraut sind, ist schon viel gewonnen.
       
      Aus Machos werden Kavaliere
      Zu den Umgangsregeln, die oft genug mit Mühe eingeübt werden müssen, gehört auch eine Art Streitkultur. Denn viele, die draußen mit Jugendbanden die Straßen unsicher machen, müssen erst Erfahrungen damit sammeln, dass man Konflikte nicht nur mit der Faust, sondern auch mit dem Mund regeln kann. Schäfer vermittelt dann, wobei er nie den Chef herauskehrt. Er zeigt den Streithähnen Auswege aus häufig banalen Konflikten. Und sein Vorbild fruchtet. „In den 14 Jahren, in denen ich im Freizeitheim beschäftigt bin, habe ich nur vier Mal ein absolutes Hausverbot aussprechen müssen“, betont er mit einem gewissen Stolz. Besonders zufrieden ist er, wenn er erlebt, dass aus Machos sogar Kavaliere werden. Denn in der bunt zusammengewürfelten Besucherschar – nach der Hausaufgabenzeit sind allgemein Jugendliche zugelassen – herrscht beim männlichen Geschlecht, je nach kultureller Herkunft, nicht eben Hochachtung vor Frauen und Mädchen.
       
      Gespräche unter dem Kreuz
      Dass im Freizeitheim so viele Nationalitäten vertreten sind, bietet für Schäfer die Möglichkeit, Kirche als unterschwelliges Angebot ins Spiel zu bringen. Immer wieder kämen Jugendliche auf ihn zu, weil sich spontan hitzige Diskussionen über unterschiedliche Wertvorstellungen etwickelten, erläutert Schäfer dazu. So ergäben sich quasi unter dem Zeichen des Kreuzes, das in jedem Raum hänge, interessante Gespräche zwischen Christen, Muslimen und jungen Leuten, die ohne religiöse Bindungen aufgewachsen seien.
       
      Leistung bringt gute Noten
      Mit der Einübung von Werten und Tugenden wird im Freizeitheim für die Hort-Jugendlichen, die mit Einverständnis von Eltern und Behörden einer besonderen Aufsichtspflicht unterliegen, auch der Nährboden für das Bewusstsein gelegt, dass sich Leistung lohnt und gute Noten bringt. Unterstützt wird Schäfer bei der Hausaufgabenüberwachung von Honorarkräften, Schülerinnen und Schülern oberer Klassen oder Student(inn)en der Fachhochschule. Sie bilden mit Schäfer ein Team und werden für ihren Einsatz turnusmäßig in Kursen geschult. Für eine ganzheitliche Zufriedenheit der Zöglinge ist schließlich das leibliche Wohl wichtig, für das Ingrid Götzendörfer aus dem Sekretariat mit einer Mitarbeiterin sorgt.
      Schäfer leitet das Freizeitheim, das zusammen mit dem Dekanatszentrum in den 60iger Jahren entstand, wie eine Großfamilie. Er macht gerne Späße mit, hat auch schon mit seinen Ziehsöhnen gerauft und Fußball gespielt. Er sieht hinter seinen Schützlingen Einzelschicksale, die mehr brauchen als Hausaufgabenbetreuung, wie sie auch von privaten Einrichtungen angeboten wird. Er kennt allerdings auch seine Grenzen. Seine Hilfe bekommt nur der, der auch wirklich an sich selbst arbeitet. Und seine „Kids“ akzeptieren ihn wegen seiner überzeugenden Art und sind auch gerne Multiplikatoren, wenn es darum geht, die bei ihm eingeübten Werte und Tugenden in den Cliquen draußen weiterzugeben. Eine solche Außenwirkung ist gerade in Schweinfurt bedeutsam, wo sich Gangs schon blutige Schlachten geliefert haben.
       
      Späte Hilfe ist teurer
      Der Sozialpädagoge, der sich mit seinem Team gerade bei den zuständigen Behörden Achtung erworben hat, ist sich bewusst, dass es – vielleicht auch wegen der „leisen“ Erfolge – in der Öffentlichkeit seit jeher manche Vorurteile gegenüber offener Jugendarbeit gibt. Auch sieht er mit großen Bedenken, dass auf diesem Feld angesichts knapper öffentlicher Kassen schnell und rigoros der Sparstift angesetzt wird. Deshalb ist er froh, wenn die Kirchliche Jugendarbeit der Diözese hinter dem Freizeitheim steht, und die verantwortlichen Behörden die Hausaufgabenüberwachung weiterhin bezuschussen. Dass Prävention sich zwar nur schwer in Zahlen bemessen lässt, aber Spätfolgen weitaus größere Kosten verursachen, dürfte klar sein. So klar wie die Luft in den Jugendräumen, wo Glimmstengel verboten sind und daher nur die Köpfe qualmen.