Gerhard Wild wirft einen Blick auf die Tasten. „Ja“, sagt er, „der Motor lässt sich einschalten.“ Dann betätigt der Kirchenpfleger von Brebersdorf (Dekanat Schweinfurt-Nord) den Kippschalter. Die Luftversorgung springt an. Und wenn man nun eines der Register zieht und auf die Tasten drückt, gibt es zunächst einen kleinen Widerstand, dann erfüllen Orgelklänge das Kirchenschiff.
Dem Orgelbau zugewandt
Denn die Mechanik ist – wie nahezu sämtliche Pfeifen – original. Und nicht nur das. Die Orgel hier in Brebersdorf gilt als Rarität im Bistum, weil sie aus der Zeit des Klassizismus stammt und fast komplett original erhalten ist. Diese Details gehen aus Dokumenten hervor, die Kirchenpfleger Wild dabei hat. Darunter ist etwa ein Kostenvoranschlag, den eine renommierte Orgelbaufirma vor anderthalb Jahrzehnten anlässlich einer seinerzeit geplanten Renovierung aufgestellt hat. Die Orgelbaufirma bezeichnet die Orgel in Brebersdorf als „denkmalwert“ und als ein „besonderes“ Instrument. Kirchenpfleger Wild legt das Gutachten zurück zu den anderen Unterlagen. Dann schaut er zu den Pfeifen der Orgel empor, die Fachleuten zufolge ein Werk aus dem Jahr 1809 von Sebastian Wirth aus Schwebenried (1736–1820) und Caspar Kirchner aus Euerdorf (Lebensdaten unbekannt, seit 1761 war er in Euerdorf ansässig, sein Sohn lebte von 1784 bis 1853) ist.
Der Entwurf stammt von Kirchner, die Ausführung von Wirth, der aus Gambach bei Karlstadt stammte, sich nach dem frühen Tod seiner Ehefrau und seiner acht Kinder dem Orgelbau zuwandte und ab etwa 1790 in Kirchners Euerdorfer Orgelwerkstatt arbeitete. Von Wirth ist eine praxisnahe Abhandlung – ein sogenannter Traktat – zum Orgelbau erhalten. Kirchners Schaffen steht aus Expertensicht im Schatten der Arbeiten der Würzburger Orgelbauerdynastie Seuffert. Er wird vom Orgelwissenschaftler Karl Bormann als „recht tüchtiger Kleinmeister“ bezeichnet.
Entstehung in Zeit der Umbrüche
Kirchenpfleger Gerhard Wild mag die Orgel sehr, die aufgrund ihres Entstehungsjahrs 1809 aus einer Zeit der Umbrüche stammt: Das Fürstbistum bestand seit 1803 nicht mehr. Landesherr war Großherzog Ferdinand III. von Toskana. Einen regulären Bischof gab es nicht, das Bistum wurde kommissarisch von Weihbischof Gregor von Zirkel geleitet.
So weist denn auch die Orgel von Kirchner und Wirth in Brebersdorf die Merkmale dieser Epoche des Neuanfangs auf. Der Regionalkantor und Amtliche Orgelsachverständige Rainer Aberle, der im Zusammenhang mit der einst geplanten Sanierung ein Gutachten erstellte, würdigt darin den Prospekt, wie die repräsentative Schauseite einer Orgel genannt wird. Die nicht mehr barocken, sondern antik anmutenden Formen, die so ganz den Geist des Zeitalters Napoleons widerspiegeln, beschreibt Aberle als klassizistisch und betont die einfache Ausführung der Formen, die sich auf einigen anderen Ausstattungsstücken im Innenraum der Kirche wiederfinden.
Beachtenswerter Klang
Darauf weist auch Kirchenpfleger Wild hin, während er nun seinen Blick durchs Kirchenschiff schweifen lässt, in dem die auffälligen Ovale des Orgelprospekts beispielsweise am Beichtstuhl und den Seitenaltären auftauchen, so dass das Kircheninnere – es ist ein Werk von Anton Wüst aus Grafenrheinfeld von 1808 – trotz des barocken Hochaltars, er befand sich einst in Himmelspforten, klassizistisch geprägt ist. Der Kirchenbau selbst wurde bereits 1614 unter Fürstbischof Julius Echter errichtet.
Regionalkantor Aberle bezeichnet das „klangliche Potential der Orgel“ in dem früheren Gutachten als „durchaus beachtenswert“. Die Technik mit mechanischen Schleifladen und ebenfalls mechanischer Traktur ist, bis auf die Pedaltraktur, so gut wie komplett original. Die Orgel verfügt über ein Manual – das ist die Klaviatur für die Hände – und hat, inklusive Pedal, 13 Register.
Musik vom USB-Stick
Wenn man die weißen Elfenbeintasten nach unten drückt, fühlt man, wie ausgehöhlt die Tasten vom jahrhundertelangen Spielen sind, was in anderer Sicht allerdings auch für die Pfeifen gilt, deren Zinn und Holz stark verformt beziehungsweise vom Holzwurm befallen sind. Ein Register – die Gambe – ist komplett stillgelegt, viele Pfeifen sind sehr verstimmt. „Im Grunde ist die Orgel derzeit unspielbar“, erläutert Aberle.
Vor gut einem Jahrzehnt wurde als Ersatz eine elektronische Orgel angeschafft, berichtet Kirchenpfleger Wild. Damals gab es hier noch einen Organisten, der die elektronische Orgel spielte. Heutzutage gibt es keinen Organisten mehr. Die elektronischen Klänge, die aus den hinter den Pfeifen angebrachten Lautsprechern kommen, stammen von einem USB-Stick, auf dem die jeweiligen Gottesdienstlieder gespeichert sind und der sich in die Elektroorgel stecken lässt. Bei der Orgel, die sich über der Empore erhebt, braucht es Hände und Füße, damit die lädierten Pfeifen ihren trotzdem noch immer mächtigen Klang ertönen lassen können.
Frank Kupke