Seit 2001 veranstaltet die Rumänienhilfe zusätzlich eine Weihnachtsaktion, bei der geschnürte Weihnachtspakete gespendet werden, um Menschen in Rumänien eine Freude zu machen. Beim ersten Mal kamen 200 bis 300 Päckchen zusammen. Mittlerweile rechnen die Organisatoren jedes Jahr mit etwa 20.000 Weihnachts-
paketen.
Die Rumänienhilfe entstand 1990 nach dem Ende der Terrorherrschaft von Nicolae Ceausescu. Der von 1965 bis 1989 regierende Diktator hatte Zwangskollektivierungen durchgesetzt, Widerstände niedergeschlagen und Menschen foltern lassen.
Aufwühlende Bilder
Schreckensbilder aus Rumänien erreichten den selbstständigen Kfz-Meister Elmar Karl über die Fernsehnachrichten. Er wollte helfen. Mit Tatendrang ging er auf den damaligen Regens des Priesterseminars in Würzburg, Dr. Karl Hillenbrand, zu. Dieser stellte die nötigen Kontakte her. Über den Landkreis Kitzingen riefen sie zu Spenden auf. Sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen beteiligten sich und spendeten Lebensmittel und Medikamente. Sogar Schlepper und Landmaschinen wurden bereitgestellt. „Hilfe zur Selbsthilfe“, hebt Karl hervor. Die Bundesbahn stellte drei Güterwaggons zur Verfügung.
Drei Anreisetage
Karl selbst fuhr mit einem Bekannten in dessen 7,5-Tonner nach Rumänien. Drei Tage waren sie auf Reisen, um nach Alba Iulia in Zentralrumänien zu gelangen. Denn weder Ungarn noch Rumänien hatten ausgebaute Autobahnen. Dort angekommen, lebten sie im Priesterseminar. In Alba Iulia habe er viel Elend gesehen, berichtet Karl. Die Menschen seien abgemagert gewesen, der Strom funktionierte nur zwei bis drei Stunden am Tag.
2001 begleitete Ottmar Deppisch Karl das erste Mal nach Rumänien. Damals war Deppisch als freier Mitarbeiter der „Main-Post“ tätig. In Arad im Westen Rumäniens habe er beobachtet, wie Menschen auf der Suche nach Essen in Mülltonnen wühlten, erzählt er. Auch sammelten sie Pappkartons zum Verbrennen oder Isolieren.
Freiwillige aus der Region
Mittlerweile im Ruhestand, übernimmt Deppisch die Organisation der Weihnachtsaktion. Unter anderem teilt er die Ladehelfer ein. Die Freiwilligen kommen aus der Region, viele von ihnen sind berufstätig. „Wir haben vier oder fünf Bürgermeister, die sich engagieren“, sagt Karl stolz. Außerdem übernimmt Deppisch die Öffentlichkeitsarbeit. Jedes Jahr schreibe er Schulen an, um sie für die Weihnachtspaketspende zu begeistern, erzählt er. Daher stammen rund die Hälfte der Geschenke von Schülern. In der Adventszeit ist Deppisch jeden Tag unterwegs und holt die festlich verpackten Geschenke an Schulen und einigen Kindergärten ab. Die übrigen 50 Prozent seien Privatspenden. In Einzelfällen werden sogar Pakete aus Hamburg oder Berlin nach Dettelbach gesandt, um dann weiter nach Rumänien transportiert zu werden.
Vertrauen zu anderen
Dort erfolgt die Annahme und Verteilung hauptsächlich über die Caritas. Karl spricht von „vollstem Vertrauen in die Menschen vor Ort“. Er mache ihnen keine Vorgaben und kontrolliere sie nicht. Er ist überzeugt, dies sei ein Grund ihres Erfolgs – immerhin wüssten die Menschen vor Ort am besten, wo was gebraucht werde. Und die Hilfe werde nach wie vor gebraucht. Denn obwohl sich seit dem EU-Beitritt Rumäniens im Jahr 2007 vieles verbessert habe, leiden viele Menschen weiterhin unter „einer anderen Form von Armut“, wie Karl es nennt. Zwar blitzen Fassaden, die Infrastruktur ist ausgebaut und Einkaufs-
möglichkeiten werden bereitgestellt. Doch „alles ist so teuer wie bei uns, aber die Einkommen sind etwa ein Drittel dessen, was wir verdienen“, erklärt Deppisch.
Der Direktor der Caritas in Satu Mare, Dr. Ioan-Laurentiu Roman, schreibt in einem Brief an Freunde und Partner der Einrichtung: „Das Mindesteinkommen wurde zwar erst um 10% erhöht, reicht aber mit netto etwa 420 Euro bei weitem nicht aus, das Überleben einer Familie zu sichern. Die Mindestrente liegt gerade einmal bei 227 Euro.“ Viele Rumänen sind gezwungen, ihr Land zu verlassen, um genügend Geld zu verdienen. Karl berichtet, dass rund 60 Prozent der 20 bis 50-Jährigen im Ausland arbeiten. Gleichzeitig bedeute das, dass dem Land wichtige Fachkräfte verloren gingen.
Die Abreise ins Ausland ist keine Garantie für finanziellen Erfolg. Nicht nur aus den Medien kennt Deppisch die Erzählungen von Rumänen, die nach Deutschland gekommen waren, um beispielsweise in der Fleischindustrie zu arbeiten und nie bezahlt worden sind. Die Folge der frustrierenden Lebensbedingungen sei oft Alkoholismus, erzählt Karl. Die Tatsache, dass Rumänien EU-Mitglied geworden ist, habe viele Hilfsorganisationen dazu verleitet, ihre Hilfe einzustellen, berichtet Deppisch. Außerdem habe die Bedürftigkeit der ukrainischen Geflüchteten dafür gesorgt, dass viele Hilfsorganisationen ihre Ausrichtung änderten und sich nun Bedürftigen aus der Ukraine widmen.
Wandel braucht Zeit
„Doch es gibt nicht nur Arme in Rumänien“, betont Deppisch, „es gibt auch eine Mittel- und Oberschicht.“ Es gebe Bemühungen, das Land so attraktiv zu gestalten, dass Menschen bleiben wollen, beispielsweise durch die Anhebung der Einkommen medizinischer Berufe. Letzten Endes sei eine Verbesserung in Sicht, die Zeit brauche. Und in der Zwischenzeit könne die Rumänienhilfe unterstützen. Die Empfänger der Weihnachts-
geschenke seien divers, betonen die Organisatoren – entscheidend sei nicht die Konfession, sondern die Bedürftigkeit.
„Es gibt dort Kinder, die das ganze Jahr über kein Geschenk bekommen können“, erklärt Deppisch. Daher sei es sehr viel wert, ihnen dieses eine Geschenk im Jahr zu ermöglichen und die Kinderaugen strahlen zu sehen.
Angelina Horosun
Hilfe für Rumänien
Wer die Rumänienhilfe Karl unterstützen will, kann auf das Konto der Kirchenstiftung Bibergau einzahlen. IBAN: DE75 7919 0000 0600 4504 56; Kennwort: Rumänienhilfe.