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„Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit"
In einem katholischen Waisenhaus herrschte große Aufregung: Das Kruzifix, das im Speisesaal hing, war in der Frühe auf dem Fußboden gefunden worden: offensichtlich mutwillig zerstört. Die Fahndung nach dem Täter war erfolgreich. Ein achtjähriger Junge war für den Frevel verantwortlich. Die Schwestern brachten ihn zum Hausgeistlichen, damit er ihm ins Gewissen rede. Der Pater zeigte dem Jungen das Kreuz mit dem zerbrochenen Korpus und fragte ihn, warum er das getan habe. Der Junge deutete mit dem Finger auf den Gekreuzigten und unter Schluchzen stammelte er: „Der ist schuld, dass ich immer so brav sein muss.“
Was ist da passiert? Welches Bild von Jesus, welches Bild vom Glauben wurde dem Jungen vermittelt? Du sollst nicht, du darfst nicht, du musst – ein einengender Glaube, der die Lebensfreude lähmt, der das Atmen schwer macht und moralischen Druck erzeugt. Auch mancher von uns mag in seiner Kindheit einem solchen Glauben begegnet sein: einem Katalog von Geboten und Verboten, einem „moralischen Überwachungssystem“, einem Zeigefinger-Gott, der nicht Vertrauen, sondern Angst bewirkte.
Eine Religion der Freiheit
Der christliche Glaube ist so bis zur Unkenntlichkeit verzerrt worden; denn seinem Wesen nach ist das Christentum eine Religion der Freiheit. Dass Gott sein Volk aus der Sklaverei Ägyptens befreit hat, war die Schlüsselerfahrung Israels. Seitdem besingen ihn die Psalmen als den Gott, der uns „ins Weite führt“ (Ps 18, 20) und bringen die jahrhundertelange Geschichte mit ihm auf den Punkt: „Wir gingen durch Feuer und Wasser. Doch du hast uns in die Freiheit hinausgeführt“ (Ps 66,12).
Auch Jesu Botschaft von der Nähe Gottes, vom Anbruch des Gottesreiches, war eine Botschaft der Befreiung. Wo Gottes Gegenwart aufleuchtet, bricht eine neue Freiheit an. Die Dämonen der Angst und der Krankheit müssen weichen, Sünder können umkehren und Trauernde dürfen sich freuen. Die Herrschaft von Menschen über Menschen hat ein Ende, weil allein die Liebe regiert, und selbst der Zwang des heiligen Gesetzes tritt zurück, wo Gott den Menschen in die Mitte stellt: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat“ (Mk 2,27).
Diese Freiheit ist keine Beliebigkeit. Es ist die Freiheit, sich allein an Gott zu binden und gerade dadurch von allen falschen Bindungen frei zu werden. „Wenn euch also der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei“, heißt es im Johannesevangelium (Joh 8,36).
Als Jesus bei seiner berühmten „Antrittspredigt“ in Nazaret klarmachen will, wozu er gekommen ist, beschreibt er seine Sendung mit einem Jesaja-Zitat: „Der Herr hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4, 18f).
Der göttliche Funke
Paulus wird es später in seinem Brief an die Galater einmal so zusammenfassen: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal 5,1). Jesus hat seine Nazaret-Rede mit dem Satz eingeleitet: „Der Geist des Herrn ruht auf mir.“ Viele Wirkungen hat die Bibel diesem Geist zugeschrieben: Der „Geist der Wahrheit“ erleuchtet uns, der „Geist der Liebe“ entzündet uns – die pfingstlichen Flammenzungen sind das uralte Symbol für diesen göttlichen Funken. Jesu Worte in Nazaret beschreiben den Geist, der auf ihm ruht, als den Geist der Freiheit. Die Freiheit ist somit das Erkennungszeichen für uns Christen, der Maßstab, an dem wir ablesen können, ob wir wirklich noch im Geiste Jesu leben. Paulus fasst es in einer klaren Formel zusammen: „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“ (2 Kor 3,17).
Diese Erfahrung blieb dem Jungen im Waisenhaus leider vorenthalten. Freiheit wurde durch Zwangsgehorsam ersetzt. Glaube – das war für ihn Duckmäusertum, Kontrolle und Versagensangst. Das Pfingstfest sagt ihm und uns: Gottes Atem, der Heilige Geist, erfüllt dich. Er atmet in dir. Er ist deine Mitte, dein Grund. Er schafft in dir einen Raum der Freiheit, in dem du ganz du selbst sein kannst. Die Ängste, die dich sonst bedrängen, haben dort keinen Zutritt. Dort ist der Raum, wo du dir nichts vorzumachen brauchst, wo du deine Maske, deinen Schutzpanzer ablegen darfst, wo du nicht mehr getrieben, nicht mehr verletzt, nicht mehr unter Druck gesetzt bist. Dort bist du angenommen vor aller Leistung und trotz aller Schuld.
Gottes Atem durchströmt uns
Von der „Einwohnung“ Gottes in uns sprachen die Kirchenväter. Denn es ist Gottes Atem, der uns durchströmt, sein Heiliger Geist. Der Gott, den Israel als JAHWE (Ich-bin-da) erfahren hat, der als Immanuel (Gott-ist-mit-uns) Mensch geworden ist, ist zugleich der Gott-in-uns. Jeder Mensch ist seitdem „heiliger Boden“, Ort der Gottesgegenwart wie einst der brennende Dornbusch. Wir sind berufen, dieses göttliche Licht durch uns hindurchscheinen zu lassen und etwas auszustrahlen von der Freiheit der Kinder Gottes.
Was ist da passiert? Welches Bild von Jesus, welches Bild vom Glauben wurde dem Jungen vermittelt? Du sollst nicht, du darfst nicht, du musst – ein einengender Glaube, der die Lebensfreude lähmt, der das Atmen schwer macht und moralischen Druck erzeugt. Auch mancher von uns mag in seiner Kindheit einem solchen Glauben begegnet sein: einem Katalog von Geboten und Verboten, einem „moralischen Überwachungssystem“, einem Zeigefinger-Gott, der nicht Vertrauen, sondern Angst bewirkte.
Eine Religion der Freiheit
Der christliche Glaube ist so bis zur Unkenntlichkeit verzerrt worden; denn seinem Wesen nach ist das Christentum eine Religion der Freiheit. Dass Gott sein Volk aus der Sklaverei Ägyptens befreit hat, war die Schlüsselerfahrung Israels. Seitdem besingen ihn die Psalmen als den Gott, der uns „ins Weite führt“ (Ps 18, 20) und bringen die jahrhundertelange Geschichte mit ihm auf den Punkt: „Wir gingen durch Feuer und Wasser. Doch du hast uns in die Freiheit hinausgeführt“ (Ps 66,12).
Auch Jesu Botschaft von der Nähe Gottes, vom Anbruch des Gottesreiches, war eine Botschaft der Befreiung. Wo Gottes Gegenwart aufleuchtet, bricht eine neue Freiheit an. Die Dämonen der Angst und der Krankheit müssen weichen, Sünder können umkehren und Trauernde dürfen sich freuen. Die Herrschaft von Menschen über Menschen hat ein Ende, weil allein die Liebe regiert, und selbst der Zwang des heiligen Gesetzes tritt zurück, wo Gott den Menschen in die Mitte stellt: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat“ (Mk 2,27).
Diese Freiheit ist keine Beliebigkeit. Es ist die Freiheit, sich allein an Gott zu binden und gerade dadurch von allen falschen Bindungen frei zu werden. „Wenn euch also der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei“, heißt es im Johannesevangelium (Joh 8,36).
Als Jesus bei seiner berühmten „Antrittspredigt“ in Nazaret klarmachen will, wozu er gekommen ist, beschreibt er seine Sendung mit einem Jesaja-Zitat: „Der Herr hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4, 18f).
Der göttliche Funke
Paulus wird es später in seinem Brief an die Galater einmal so zusammenfassen: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal 5,1). Jesus hat seine Nazaret-Rede mit dem Satz eingeleitet: „Der Geist des Herrn ruht auf mir.“ Viele Wirkungen hat die Bibel diesem Geist zugeschrieben: Der „Geist der Wahrheit“ erleuchtet uns, der „Geist der Liebe“ entzündet uns – die pfingstlichen Flammenzungen sind das uralte Symbol für diesen göttlichen Funken. Jesu Worte in Nazaret beschreiben den Geist, der auf ihm ruht, als den Geist der Freiheit. Die Freiheit ist somit das Erkennungszeichen für uns Christen, der Maßstab, an dem wir ablesen können, ob wir wirklich noch im Geiste Jesu leben. Paulus fasst es in einer klaren Formel zusammen: „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“ (2 Kor 3,17).
Diese Erfahrung blieb dem Jungen im Waisenhaus leider vorenthalten. Freiheit wurde durch Zwangsgehorsam ersetzt. Glaube – das war für ihn Duckmäusertum, Kontrolle und Versagensangst. Das Pfingstfest sagt ihm und uns: Gottes Atem, der Heilige Geist, erfüllt dich. Er atmet in dir. Er ist deine Mitte, dein Grund. Er schafft in dir einen Raum der Freiheit, in dem du ganz du selbst sein kannst. Die Ängste, die dich sonst bedrängen, haben dort keinen Zutritt. Dort ist der Raum, wo du dir nichts vorzumachen brauchst, wo du deine Maske, deinen Schutzpanzer ablegen darfst, wo du nicht mehr getrieben, nicht mehr verletzt, nicht mehr unter Druck gesetzt bist. Dort bist du angenommen vor aller Leistung und trotz aller Schuld.
Gottes Atem durchströmt uns
Von der „Einwohnung“ Gottes in uns sprachen die Kirchenväter. Denn es ist Gottes Atem, der uns durchströmt, sein Heiliger Geist. Der Gott, den Israel als JAHWE (Ich-bin-da) erfahren hat, der als Immanuel (Gott-ist-mit-uns) Mensch geworden ist, ist zugleich der Gott-in-uns. Jeder Mensch ist seitdem „heiliger Boden“, Ort der Gottesgegenwart wie einst der brennende Dornbusch. Wir sind berufen, dieses göttliche Licht durch uns hindurchscheinen zu lassen und etwas auszustrahlen von der Freiheit der Kinder Gottes.