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Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt erfahren Sie im Sonntagblatt.

    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Wissen um die eigene Unzulänglichkeit

    Von den Pharisäern und Schriftgelehrten, an die sich Jesus im Evangelium wendet, gibt es heute wohl kaum weniger als damals. Lukas legt uns ans Herz, wo es lang geht. Wer aus dem Bewusstsein lebt: von Gott geliebt und doch nicht perfekt, wertvoll, aber nicht vollendet, der wird nicht auf seinem Recht bestehen, sondern anderen die gleiche Fehlerhaftigkeit wie sich selbst zugestehen können, der wird tolerant und offen für andere Lebensentwürfe und Einstellungen sein können.
    Evanglium
    In jener Zeit kamen alle Zöllner und Sünder zu Jesus, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war. Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren. Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das ganze Haus und sucht unermüdlich, bis sie das Geldstück findet? Und wenn sie es gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir; ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte. Ich sage euch: Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.

    Lukas 15,1–10 

    Ein Gerichtsprozess, bei dem ich Zeuge war. Es geht um einen Unfall. Ein Auto hat auf eisglatter Straße mehrere parkende Autos gerammt. Kein anderes Fahrzeug war unterwegs. Die Worte des angeklagten Autofahrers sind mir gut im Gedächtnis: „Ich bin nicht schuld. Ich kann nichts dafür.“
    Szenenwechsel: Ein älteres Ehepaar streitet sich: „Die Bescheinigung lag immer in dem Schubfach.“ „Da liegt sie aber nicht.“ „Das kann nicht sein, ich hab sie selbst dorthin gelegt.“ „Schau doch selber nach. Sie ist nicht dort.“ „Ich weiß, dass ich sie dorthin gelegt habe.“ „Wenn du mir nicht glaubst ...“
    Zeitungsüberschrift einer großen deutschen Tageszeitung: ‘Skandal! – Fußballer betrügt seine Ehefrau mit ihrer Schwester’. Millionen Leser kaufen sich das Blatt und fühlen sich in ihrer Moral bestätigt.
    Drei unterschiedliche Szenen und doch haben sie eines gemeinsam: Menschen haben Recht, behalten Recht, streiten um das Rechthaben. Drei Szenen von Tausenden wie sie sich täglich abspielen: jeder will Recht haben, keiner will das Gesicht verlieren, jeder fühlt sich bestätigt. Denn es fällt schwer zuzugeben, dass ich nicht im Recht bin, dass ich mich geirrt habe, vielleicht sogar etwas falsch gemacht habe.
    Martin Luther hatte sich und die Menschen so beschrieben: zugleich gerecht vor Gott und zugleich Sünder. Manchmal scheint es, als sei heute nur noch das „gerecht“, spitzer gesagt: das „selbstgerecht“, geblieben. Schuld zugeben, zu seinem Fehler zu stehen ist nicht „in“. Anders gesagt: Von den Pharisäern und Schriftgelehrten, an die sich Jesus im Evangelium wendet, gibt es heute wohl kaum weniger als damals.
    „Bei euch aber soll es nicht so sein.“ (Lk 22,26) Lukas legt seinen Lesern mit den beiden Beispielen der Wiedergefundenen – Schafe und Münzen in seinem Bildwort, gemeint aber Menschen – ans Herz, wo es lang geht: nicht mit Rechthaberei und persönlicher Unfehlbarkeit, sondern mit Umkehrbereitschaft und Wissen um die eigene Unzulänglichkeit. Denn darüber freut sich der Himmel. Das nachfolgende Gleichnis vom barmherzigen Vater öffnet den Umkehrbereiten und Unzulänglichen alle Türen zum Vater.
    Denn wer aus dem Bewusstsein lebt: von Gott geliebt und doch nicht perfekt, wertvoll, aber nicht vollendet, der wird nicht auf seinem Recht bestehen, sondern anderen die gleiche Fehlerhaftigkeit wie sich selbst zugestehen können, der wird tolerant und offen für andere Lebensentwürfe und Einstellungen sein können. Der wird auch sich selbst fragen: Wo liegt an dem Geschehen mein Anteil? Wer sich von Gott angenommen weiß, der braucht nicht die Anerkennung der anderen erkämpfen, braucht sich nicht durchzusetzen, damit „man“ besser dasteht.
    Oft genug entsteht aus so kleinen Szenen wie zu Beginn geschildert Streit und Auseinandersetzungen zwischen Familienmitgliedern, Nachbarn und Freunden. Oft genug entsteht durch solches Verhalten ein Klima von Misstrauen und Angst. Wer aber dem Weg Jesu, den er den Pharisäern und Schriftgelehrten damals und uns heute vorschlägt, der wird wohl mehr an Frieden und Versöhnung in unserer Welt schaffen. Und darauf kommt es für die Jüngerinnen und Jünger Jesu an.

    Der Autor ist Pastoralreferent und Pfarrbeauftragter für St. Josef in Schweinfurt.