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"Wir werden unsere Stimme erheben"

Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen Juliana Seelmann im Interview
Juliana Seelmann ist neue Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen und damit verantwortlich für 86 Schwestern. Vor ihrem Klostereintritt war sie Missionarin in Südafrika. Welche Themen und Herausforderungen beschäftigen sie und ihre Gemeinschaft? Antworten im Interview mit dem Sonntagsblatt.

Die „Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu“, auch Oberzeller Franziskanerinnen genannt, wirken vor allem in der Frauenarbeit. Mit ihren Mitarbeitenden helfen sie zum Beispiel traumatisierten Mädchen und Frauen. Konvente der Ordensgemeinschaft gibt es auch in Südafrika und den USA. Juliana Seelmann aus Unterpleichfeld im Landkreis Würzburg ist 42 Jahre alt. 2015 hat sie die Profess auf Lebenszeit abgelegt. Sie arbeitet als Krankenschwester in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Würzburg. Weil sie Kirchenasyl gewährte, wurde sie 2021 angeklagt und 2022 in zweiter Instanz freigesprochen. Für ihr Engagement wurde sie mit dem Würzburger Friedenspreis ausgezeichnet.

Schwester Juliana Seelmann, was macht Ihre Ordensgemeinschaft für Sie persönlich so besonders?

Unsere Spiritualität der Menschwerdung, die unserer Gründerin so wichtig war: Der Glaube an einen nahbaren, greifbaren Gott. Und damit verbunden unser Sendungsauftrag, dass wir an der Seite von Menschen stehen. In einem Zitat von Antonia Werr heißt es: „Herr, du bist wie eine zärtliche Mutter. Darum ist es eine schöne, wenn auch schwere Aufgabe, den auf dem Strom des Lebens Gescheiterten eine rettende Hand zu reichen, um ihr göttliches Ebenbild wieder herzustellen.“

Wie haben Sie den Moment der Wahl erlebt?

Es war ein besonderer Moment, der schwer zu beschreiben ist. Das Vertrauen der Schwestern in mich zu spüren und ihre Zusagen zu hören hat mich bewegt. Und gleichzeitig war auch spürbar, welch große Aufgabe und Verantwortung dieses Amt ist.

Welche Hauptaufgaben haben Sie in Ihrem neuen Amt als Generaloberin?

Es geht um die Leitung der Schwestern- und Dienstgemeinschaft, mit vielen Mitarbeitenden, ohne die wir unseren Auftrag nicht mehr erfüllen könnten. Das sind administrative geschäftsführende Aufgaben. Gleichzeitig übernehme ich die geistliche Leitung. Da geht es darum, wie wir unseren Sendungsauftrag verstehen, wie wir unser Leben gestalten oder unsere Schwestern begleiten, ob beim Feiern oder Abschied nehmen.

Welche Schwerpunkte möchten Sie in den kommenden Jahren setzen?

Natürlich geht es um die Umsetzung der Beschlüsse, die wir Schwestern im 30. Generalkapitel entschieden haben. Ein Schwerpunkt ist, unseren Sendungsauftrag weiterzutragen und unser Kloster Oberzell als Ort, den Viele schätzen, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Es geht darum, Menschen zu verbinden: Schwestern, Mitarbeitende, Ehrenamtliche, Freunde und Wegbegleiter:innen.

Welche Themen oder Schwierigkeiten beschäftigen Sie als Gemeinschaft aktuell am stärksten?

Wir sind Trägerin von zwei sozialen Einrichtungen: dem Fachbereich Frauen in Würzburg sowie dem Antonia-Werr-Zentrum GmbH, einer heilpädagogisch-therapeutischen Einrichtung der Jugendhilfe für Mädchen und junge Frauen. Wir machen uns Gedanken zu finanziellen und personellen Schwierigkeiten, die im sozialen Bereich grundsätzlich anfallen. Außerdem haben wir, wie öffentlich bekannt, eine Studie in Auftrag gegeben, um wissenschaftlich zu untersuchen, in welchem Ausmaß sexualisierte Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Erwachsene in unserem Verantwortungsbereich vorkam und wie man damit umgegangen ist.

In welcher gesellschaftlichen Rolle sehen Sie Ihre Gemeinschaft?

Wir stellen uns an die Seite von Benachteiligten. Wir haben dazu im Generalkapitel eine Positionierung verfasst, in der wir das bekräftigen. Wenn ich auf meine Biografie als Krankenschwester blicke, dann denke ichnatürlich an Geflüchtete und die Rechte von Migrantinnen, die immer stärker beschnitten werden. Wir werden dazu immer wieder Stellung beziehen und unsere Stimme erheben für diejenigen, die keine haben. Als Franziskanerinnen ist uns auch die Bewahrung der Schöpfung ein großes Anliegen. Deshalb werden wir den ökologischen Lebensstil auch in Zukunft verfolgen und darauf aufmerksam machen.

Worauf freuen Sie sich in Ihrem neuen Amt am meisten?

Dass wir durch unser Tun Zeichen setzen, in der konkreten praktischen Arbeit und durch unseren Glauben. In Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen von der Amtskirche abwenden, wollen wir ein Ort sein, an dem Glaube geteilt wird und Menschen miteinander leben, beten und arbeiten. In unserem Kapitelmotto heißt es: Geschöpflich, hellhörig, liebevoll, an unseren Gelübden anklingend. Ich freue mich darauf, dafür zu stehen und diesen Auftrag weiterzutragen.

Wovor fürchten Sie sich?

Entscheidungen, die mich an meine Grenzen bringen. Situationen, die schwer bleiben, egal, wie viel ich abwäge. Diese Herausforderungen wird es immer geben und ich habe Respekt vor dieser Verantwortung.

Was ist Ihre Botschaft für die Welt?

Ich möchte Margot Friedländer zitieren: „Seid Menschen!“ Ich möchte, dass wir uns daran erinnern, dass jeder Mensch eine einmalige Würde hat und wertvoll ist; unabhängig von Herkunft, geschlechtlicher Identität oder Religionszugehörigkeit. Wir Menschen sollten einander Vertrauen und Achtung schenken, auch – und gerade – in ganz alltäglichen Begegnungen.

Interview von Angelina Horosun