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    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    „Wir machen eigentlich nichts Besonderes ...“

    Bis in die 1960er Jahre haben im Benefiziatenhaus der Pfarrei St. Laurentius in Ebern (Dekanat Haßberge) drei Ordensschwestern gelebt. Nun wohnen seit einigen Monaten syrische Kriegsflüchtlinge hier. Der Satz Jesu „Ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen“ (Matth. 25,35) hat den dortigen Pfarrer, Pater Rudolf Theiler, zur neuen Nutzung des leerstehenden Hauses motiviert. „Was wir hier machen, ist kein Kirchenasyl, wir machen eigentlich nichts Besonderes. Wir vermieten nur ein Haus. Das kann jeder machen“, sagt der Pater.
    Renate Bätz läuft die knarrende, alte Treppe hinauf. Den CD-Spieler hat sie in der Hand; in der Umhängetasche ein Deutschbuch und Arbeitsblätter. Iman, Amir und Ayman warten schon an der Wohnungstür auf ihre Deutschlehrerin. Mit einem lauten „Hallo!“ wird sie gleich ins Wohnzimmer gebeten. Eine arabische Begrüßung mit „Marhaban!“ gibt es kaum noch.  

    Frieden und Sicherheit

    „Ich spreche ein bisschen deutsch“, sagt die zwölfjährige Iman lächelnd. Seit Ende Mai wohnt Iman mit ihren zwei Brüdern und ihren Eltern im Benefiziatenhaus in der Stadt in den Haßbergen. Davor war sie im Zentralen Erstaufnahmelager Zirndorf untergebracht. Wann sie ihre Heimat Damaskus verlassen hat, weiß sie nicht mehr. Bevor die Familie mit dem Boot in Italien angekommen ist, haben sie in Libyen gewohnt, wo ihr Vater für die riskante Fahrt übers Mittelmeer Geld verdient hat. Die Familie ist dem Krieg entkommen. Jetzt will sie Frieden und Sicherheit.   Die drei Schwestern, die als letzte im Benefiziatenhaus wohnten, haben im Kindergarten, im Pfarrbüro und in der Sozialstation gearbeitet. Danach hat die Gemeinde das Haus, das zur Finanzierung der Renten von Pfarrern dienen soll, vermietet. Zuletzt an die Caritas-Sozialstation. „Der Pflegestation ist es aber zu klein geworden“, sagt Pater Rudolf, bald landete die Kündigung auf seinem Tisch. Wenige Tage danach, im Oktober 2013, ereignete sich dann das Bootsunglück vor der Insel Lampedusa, bei dem knapp 400 Flüchtlinge ertranken.  

    Wer, wenn nicht wir?

    „Wenn nicht die Kirche, wer dann, sollte sich um die Menschen kümmern?“, fragt der Eberner Stadtpfarrer. Pater Rudolf ist ein geselliger und offener Mensch. Er hat einige Zeit in Brasilien gelebt und kennt andere Kulturen. Seinen Entschluss, das Benefiziatenhaus für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern zu verwenden, hatte er schnell gefasst. Unterstützung suchte er beim Bürgermeister von Ebern. Die Mitarbeiter vom Sozialamt schauten sich das in die Jahre gekommene Gebäude an. „Sehr gut geeignet“, befand die Behörde.   Zusammen mit der Volkshochschule luden Pater Rudolf und der evangelische Pfarrer Bernd Grosser zu einem Informationsabend ein. Das Vorhaben, Asylbewerbern Wohnraum in Ebern anzubieten, entfachte viele Diskussionen. „Auch in der Kirchenverwaltung wurde das kontrovers diskutiert. Einige wollten das Haus lieber verkaufen“, erinnert sich der Pater. Die Pfarrei selbst hatte keine Raumnot, das neue Pfarrzentrum war schon im Umbau.   Ab März hat der Landkreis das Benefiziatenhaus für zwei Jahre gemietet. Knapp 140 Quadratmeter stehen den Syrern zur Verfügung. Im Obergeschoss wohnt Iman mit ihrer Familie, im Erdgeschoss wohnen Mariam und Mohamed mit ihren beiden Kindern. Im Garten haben sie schon Johannisbeeren geerntet und warten nun, dass die selbstgepflanzten Tomaten reifen.   „Es ist kein gemachtes Nest, das wir da bieten“, entgegnet Pater Rudolf den vielen persönlichen Anfeindungen, die er hinnehmen muss. Das Haus ist alt. Hätte man es anderweitig vermietet, hätte es die Kirchengemeinde sanieren müssen. „Hoffen wir mal, dass die Heizung den Winter übersteht. Den ersten Wasserschaden gab es ja schon. Das sind Kosten, die die Kirche als Eigentümer tragen muss.“   Pater Rudolf hat sein aktives Engagement mittlerweile gegen eine spirituelle Unterstützung eingetauscht. „Ich war in den ersten Tagen mal bei den Familien und habe sie begrüßt. Nun nehme ich sie immer in mein Gebet auf“. Denn in Ebern gebe es viele Menschen, die sich um die Leute kümmern. Anfang 2014 haben sie sich zu einem Asylbewerber-Unterstützerkreis zusammengefunden, der allerdings weder ein Verein ist, noch hauptamtliche Personen beschäftigt. 20 Ehrenamtliche kümmern sich auf ganz unterschiedliche Weise um die syrischen Familien. Sie wollen den Asylbewerbern und Flüchtlingen über die staatliche Grundversorgung hinaus „Zugang zum Gemeinweisen“ ermöglichen und sind überzeugt, dass „das Engagement ganz Ebern bereichern wird.“  

    „Ich nicht Ramadan“

    Grundschullehrerin Renate Bätz gehört auch zu dem Kreis. Sie hat schon in Neuseeland gelebt, einen australischen Austauschschüler aufgenommen und hatte bereits mit anderen syrischen Familien Kontakt. In den Sommerferien unterstützt sie den pensionierten Realschullehrer Herbert Koller beim Sprachunterricht. „Ich war überrascht, wie viel sie nach zwei Monaten schon gelernt haben“, lautet ihr erstes Fazit. „Dass die Sprache der Schlüssel zum Erfolg ist, wird oft nicht so gesehen“, bedauert Koller, der bereits Asylbewerber aus Serbien, Tsche­tschenien und Aserbaidschan unterrichtet hat. Manchmal fehle das Engagement bei den Neubürgern.   Iman und ihr Bruder Ayman besuchen die Grundschule in Ebern. Ayman hat sogar ein Jahresabschlusszeugnis bekommen. Renate Bätz versucht, es der Mutter zu übersetzen. „Das ist gar nicht so einfach“, sagt sie lachend. Immerhin, die Botschaft kommt an: Ayman hat sich schnell in die Klasse eingefunden und ist sehr wissbegierig. Iman hat eine Urkunde bei den Bundesjugendspielen bekommen und präsentiert sie ganz stolz: „Look!“ (englich: Schau mal!).   Die Sprache ist eine Sache, die die syrischen Familien von den Einheimischen unterscheidet. Die unterschiedliche Kultur und die Religion eine andere. Den Fastenmonat Ramadan haben die Muslime auch in Ebern praktiziert. Das war nicht einfach, hieß es doch von 2.50 Uhr bis 21.25 Uhr nichts zu essen und zu trinken. Auch Iman wollte mitmachen. „Sie hatte dann regelmäßig Kreislaufprobleme“, erzählt ihre Klassenlehrerin. „Ich nicht Ramadan“, erzählt Iman nach ihrem vorzeitigem Fastenbrechen mit etwas Wehmut in den Augen. Es wäre ein Ritual ge­we­sen, das sie an ihre Heimat erinnert.   Der tägliche Blick in den Briefkasten ist für die zweifache Mutter Mariam Routine. Oft findet sie nur Anzeigenblättchen. Aber auch die schaut sie sich an. Sie interessiert sich für alles und hat als Muslima mit Kopftuch keine Scheu vor Begegnungen mit Deutschen. Mit ihrem Mann Mohamed wartet sie auf die „deutschen Papiere“. Angeblich werden die Asylanträge syrischer Kriegsflüchtlinge schneller bearbeitet als andere. Das haben Flüchtlinge in Zirndorf erzählt. Es scheint, als würde ihr Leben hier erst mit den „deutschen Papieren“ richtig beginnen. Mohamed und Mariam haben Verwandte in Freiburg. Später möchten sie in deren Nähe wohnen.  

    80 neue sollen kommen

    Pater Rudolf ist froh, dass in Ebern eine „Willkommenskultur“ geschaffen wurde. Die Asylbewerber haben Leute vorgefunden, die ihnen helfen. „Wir müssen lernen, dass die Leute eine andere Kultur und andere Sitten haben und die gegenseitige Hilfe nicht immer einfach ist“, meint er. Trotzdem wundere er sich über manche Erwartung der Asylbewerber: „Auch bei uns wächst das Geld nicht auf den Bäumen!“ Die Stadt bereitet sich zur Zeit auf weitere Asylbewerber vor. Die Regierung von Unterfranken hat im ehemaligen Kasernengelände ein Gebäude angemietet, in dem bis Spätsommer bis zu 80 zusätzliche Asylbewerber Platz finden sollen. Johanna Eckert