„Erst hatte ich vor, hier ein Museum zur Renaissance einzurichten, aber Museen dazu gibt’s ja schon genug“, erzählt Lenssen. Da wollte er lieber etwas machen, was es noch nicht gibt. Das Gebäude, in dem die „ZeitBRÜCHE“ zu sehen sind, stammt freilich genau aus dieser Zeit, insofern bilden Haus und Kunstwerke selbst einen „Zeitbruch“.
„Wir leben ja auch heute wieder in einer Zeit grundlegender Umbruchsprozesse wie damals, das zeigt sich in der Gesellschaft wie auch in der Kirche, in fundamentalen Wandlungen im Welt-, Lebens, Menschen- und Gottesbild“, sagt Lenssen. Dementsprechend hat er die Werke – Gemälde, Holzschnitte, Collagen, Skulpturen – danach ausgewählt, was Kunstschaffende bewegte, „den Menschen eine Deutungs- und Verständnishilfe in der Wahrnehmung ihrer Zeitsituation zu geben“. Das Ergebnis des künstlerischen Prozesses – wie Künstler die Umbruchssituation der Menschen der Gegenwart in den Blick nehmen – war für die Auswahl der Werke ausschlaggebend. Wichtiges Thema war dabei die Frage von Religion „als verloren gehendem Zufluchtsort mit daran gebundenen vormaligen – und nunmehr aufgegebenen – Erwartungen“. Woran macht man dann den Lebensentwurf fest?
Kunst und Umbruch
Diese Frage betreffe letztlich nicht nur Gottesbilder, sondern alle überlieferten Wertekataloge, unterstreicht Lenssen. Der Verlust des inneren Halts führe zu Sinnverlust, zu Ängsten und Verzweiflung. Umbrüche, „Zeitbrüche“ nehme man als Auflösung sicherer Ordnungen und Werte wahr. Andererseits haben genau diese Umbrüche in Staat, Gesellschaft und Kirche immer auch Veränderung ermöglicht, „die zu einer Hilfe des Menschseins sowie einer Neuentdeckung menschlicher Wertigkeit wurden“, betont Lenssen. Hier beginnen Aufbruch und Neubeginn.
Was also will das Museum erreichen? Es soll „für die aufsuchenden Menschen eine Hilfe sein“, Umbrüche nicht als erschreckend wahrzunehmen, sondern als den Boden, auf dem uns „Aufbrüche“ erwachsen – mit dem Ziel, wieder zu uns selbst zu finden und zu einem Leben, das sich nicht im „Drama der Zeit“ verliert.
Bekannte Namen – und neue
Die Ausstellung erstreckt sich über drei Etagen, dazu kommen Kunstwerke im Innenhof, im Treppenhaus und vor dem Eingang. Viele haben einen Bezug zu Franken. Die einzelnen Räume sind Themen gewidmet, die Zeitbrüche bedeuten. Im Erdgeschoß sind das „Todeserfahrung und Lebenssehnsucht“, „Umbruch als Erfahrung“ und „Umbruch als Notwendigkeit“. Im ersten Obergeschoß geht es um „Kunst als Vorbote des Umbruchs“, „Leiderfahrung bringt Umbruch“, „Umbruch prägt Gottesbilder“ sowie „Umbruch führt zur Suche nach Identität“. Im Obergeschoß schließlich stehen die erhaltenen Wandmalereien von 1563 im Vordergrund, die Kunstwerke nehmen auf sie Bezug. So zeigen sich Verbindungen zur Zeit der Pestepidemie und unserer Gegenwart.
Man liest Namen wie die des jüngst verstorbenen Benediktinerpaters Polykarp Uehlein und seines Ordensbruders Meinrad Duffner, dazu Herbert Mehler und Jacques Gassmann, die beide in Eisingen arbeiten sowie Künstler, die Besucher des Würzburger Museums am Dom kennen, wie etwa Friedrich Press, Wolfgang Mattheuer oder Michael Morgner. Dazu kommen Künstler, die für viele Neuentdeckungen sein werden, wie Mattheuers Gattin, die Zeichnerin und Graphikerin Ursula Mattheuer-Neustädt oder der Fotokünstler Gerhard Pauly.
Ein Geschenk
Manche hochkarätigen Werke hat der Kunstkenner als Glücksfälle erworben, wie etwa zwei Bilder von Erwin Eisch, die er in Furth im Wald entdeckte, wo man ihnen keinen Wert zuschrieb und nicht einmal wusste, dass sie zum Verkauf stehen. Lenssen fand eine Verkaufsliste und erwarb sogleich zwei Bilder. „Die bekommen sie natürlich mit Rahmen – für diesen Preis!“ „Dieser Preis“ war niedrig, man wusste schlicht gar nicht, was man ausstellte, und wollte es auch nicht wissen. Ähnlich erging es ihm mit einem Werk von Heinrich Kamps von 1930 zur Heiligen Dreifaltigkeit, das bei einem renommierten Kunsthaus angeboten war als „Bild mit religiösen Motiven“. Was das war und welche Bedeutung der Maler hatte, wusste man nicht. „Religiöse Bilder braucht kein Mensch“, habe man wohl gedacht, erzählt Lenssen.
Kamps ist ein von den Nazis verfolgter, bedeutender Künstler, der nach dem Krieg Direktor der Kunstakademie Düsseldorf wurde. Sein Werk „Dreifaltigkeit“ stammt aus seiner expressionistischen Schaffensphase. Es bleibt dem Museum und seinem mutigen Initiator und großzügigen Stifter zu wünschen, dass man bald erkennt, welches Geschenk man hier erhalten hat und selbiges auch zu würdigen weiß.
Jerzy Staus
Info: Geöffnet ist ab dem 6. Mai bis Ende Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet regulär 4 Euro. Mehr Infos gibt es bei der Tourist-Information telefonisch unter 09353/ 906688 oder online auf der Homepage von Karlstadt.