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      Wie kommt der Mensch zu seinem Glauben?

      Der Mensch ist aufgrund seiner Natur und Beschaffenheit ein Wesen, das im Hier und Jetzt keine endgültige Antwort auf seine existenziellen Fragen und Sehnsüchte erhält, das ausgerichtet ist auf ein „Jenseits“, wo es erst seine wahre Erfüllung finden kann. Der Mensch ist ein zutiefst „religiöses“ Wesen, ganz unabhängig davon, ob der Einzelne sich dessen bewusst ist, ob er sich das zugesteht oder ob er meint, diese Anlage in sich unterdrücken oder leugnen zu müssen.
      Das Thema Glaube und Religion ist wieder aktuell geworden. Die Medien interessieren sich zunehmend für religiöse Fragen und Inhalte, verstärkt durch besondere Ereignisse des vergangenen Jahres wie die Tsunami-Katastrophe oder die Papstwahl. Sicherlich ist auch vielen Menschen der Spaß vergangen und der Glaube selbst wieder wichtiger geworden. Zukunftsängste nehmen zu, die Sorge um den Arbeitsplatz und die soziale Sicherheit machen nachdenklich. Die Zeitschrift „Geo“ hat ihr Januarheft 2006 unter das Thema „Warum glaubt der Mensch?“ gestellt und kommt zu dem Schluss: „Der moderne Mensch glaubt, weil er sich mit wissenschaftlichen Erklärungen das Leben nicht erklären kann. (…) Je mehr wir zu wissen glauben, desto weniger glauben wir an das Wissen.“

      Schon seit Jahren ist diese Skepsis gegenüber der Wissenschaft spürbar und sie hat die Esoterikwelle der letzten Jahrzehnte beflügelt. Unsere Welt und der Alltag werden immer komplizierter und die Lösungsangebote für die vielfältigen Probleme immer undurchsichtiger und unglaubwürdiger. Ob von dieser „Wiederkehr der Religion“ freilich die christlichen Kirchen profitieren können, erscheint angesichts jüngster Äußerungen eher fraglich. Leider sind die Beiträge der säkularen Medien oft sehr oberflächlich und populistisch gehalten oder sogar kirchenfeindlich formuliert.

      Religion – ein Produkt der Evolution nach Darwin?
      Im Dezember vergangenen Jahres brachte die Wochenzeitung „Die Zeit“ ein Interview mit dem amerikanischen Biologen David Sloan Wilson. Er nimmt Stellung zu der Frage, wie Religion überhaupt entstanden ist. Dazu hat Wilson 35 verschiedene „Glaubenssysteme“ untersucht und ist zu folgendem Ergebnis gekommen: „Religion ist ein Produkt kultureller Evolution.“ Das heißt, Religion hat sich nach den Regeln des Darwinismus durch Mutation und Selektion entwickelt, weil sie den menschlichen Gemeinschaften Überlebensvorteile gebracht hat. „Religion ist ein kulturelles System, das Gemeinschaften hervorbringt und stabilisiert, Ausbeutung und Betrug minimiert.“ Wilson bekennt sich selber als Atheist, für ihn steht fest, „dass es so etwas wie Gott in Wahrheit nicht gibt“, aber Religion hat, obwohl sie „eine Albernheit“ ist, für menschliche Gemeinschaften Nutzen gebracht und konnte sich so im Evolutionsprozess durchsetzen.

      Gläubige Menschen sind glücklicher
      Auf den ersten Blick mag diese These durchaus logisch und überzeugend erscheinen. Längst haben auch frühere Untersuchungen – vor allem in Amerika – bestätigt: Gläubige Menschen sind glücklicher und ausgeglichener, sie leben gesünder, rauchen und trinken weniger und nehmen seltener Drogen. Ihre sozialen Bindungen beziehungsweise Beziehungen sind stabiler und funktionieren besser. Der Glaube hilft ihnen, psychische Belastungen besser zu verkraften, die eigenen Nöte ins Gebet zu nehmen und Stress zu bewältigen. Denn die Religion predigt Tugend und Moral, sie reduziert den Egoismus und fördert die Nächstenliebe. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag für das Funktionieren der menschlichen Gemeinschaft.

      Der Mensch ist mehr als ein rein biologisches Wesen
      Das alles ist unbestritten. Aber hier werden Ursache und Wirkung verwechselt. Glaube entsteht nicht durch moralisches Verhalten, sondern umgekehrt: Ein Leben nach hohen ethischen Ansprüchen ist Frucht des Glaubens. Und natürlich ist Glaube viel mehr als Moral. Eine Reduzierung der Religion auf sozialen Gewinn und Nutzen wird dem christlichen Glaubensverständnis nicht gerecht. Wieder einmal zeigt sich, dass eine rein naturwissenschaftliche Betrachtungsweise geistiger und religiöser Phänomene zu oberflächlich bleibt und den eigentlichen Kern des Problems nicht trifft. Der Mensch ist eben mehr als ein rein biologisches Wesen. Geist und Seele können nicht auf materielle, körperlich-messbare Vorgänge beziehungsweise ein reines Nützlichkeitsdenken reduziert werden. Er hat Grundbedürfnisse und Anlagen, die viel tiefer liegen und erst seine eigentliche Existenz ausmachen.

      Der Glaube als Antwort auf Grundbedürfnisse
      Der bekannte Sozialpsychologe Erich Fromm beschreibt den Menschen als ein Wesen, das sich zutiefst nach Liebe und Geborgenheit, nach Gerechtigkeit und Solidarität sehnt. Der Mensch sucht seine eigene Identität, er fragt nach dem Woher und Wohin der Welt und nach dem Sinn seines eigenen Lebens. Er will sich selber verwirklichen, kreativ und schöpferisch tätig sein, was weit über die Befriedigung materieller und rein egoistischer Bedürfnisse hinausgeht. Sein Sehnen und Trachten ist grenzenlos, sein fragender Geist übersteigt Raum und Zeit. Sein Streben nach Glück, Erfüllung und Geborgenheit geht über seine irdische Existenz hinaus.

      Grundlage dieser „Offenheit für Transzendenz“ ist wohl nicht so sehr ein „Gottes-Gen“, wie manche Wissenschaftler heute glauben – das wäre wieder zu materialistisch gedacht –, sondern der menschliche Geist, der alles hinterfragt und jede natürliche Grenze übersteigt. Das heißt, der Mensch ist aufgrund seiner Natur und Beschaffenheit ein Wesen, das im Hier und Jetzt keine endgültige Antwort auf seine existenziellen Fragen und Sehnsüchte erhält, das ausgerichtet ist auf ein „Jenseits“, wo es erst seine wahre Erfüllung finden kann. Der Mensch ist ein zutiefst „religiöses“ Wesen, ganz unabhängig davon, ob der Einzelne sich dessen bewusst ist, ob er sich das zugesteht oder ob er meint, diese Anlage in sich unterdrücken oder leugnen zu müssen. Der große Kirchenlehrer Augustinus hat dies in seinem berühmten Wort treffend zum Ausdruck gebracht: „Du hast uns auf dich hin geschaffen, Gott, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.“ Hier liegt also der wahre Ursprung jedes Glaubens und jeder Religion, und die beste Antwort auf diese Grundkonstitution des Menschen bietet der christliche Glaube, der dem Menschen ein „Leben in Fülle“ (Joh 10,10) schenken kann.

      Religionswissenschaft

      Seit mehr als 100 Jahren beschäftigt sich die vergleichende Religionswissenschaft mit der Frage, wie der Mensch zur Religion fand. Eine Antwort ist letztgültig nicht möglich, da literarische Zeugnisse nur wenige Tausend Jahre und Grabfunde kaum mehr als 100000 Jahre zurückblicken lassen. Bisher gibt es keinen Beleg, dass es jemals ein Volk ohne Religion gegeben hat.
      Zur Frage nach der Urreligion stehen zwei Theorien kontrovers gegenüber:
      Urmonotheismus
      Am Anfang stand, wie es ja auch die alttestamentlichen Schöpfungstexte zum Ausdruck bringen, der Urmonotheismus. Gott hat sich den ersten Menschen offenbart. Durch die Sünde der Menschen ist dieser Urzustand einer vollkommenen Religion immer mehr verdorben und hat dann zu primitiveren Religionsformen geführt (die so genannte Depravationstheorie).
      Evolutionstheorie
      Die Evolutionstheorie geht von primitiven Formen wie Seelenglauben, Magie und Animismus aus und glaubt an eine Höherentwicklung der Religion über den Mehrgottglauben (Polytheismus) bis hin zum Eingottglauben (Monotheismus) in Judentum, Christentum und Islam.
      Natürliche Religion
      Zwischen beiden Positionen steht die Theorie von der „Natürlichen Religion“, das heißt der Mensch hat eine natürliche Anlage zu Glauben und Religion, die in verschiedenen Formen ihre Verwirklichung findet. Der Mensch ist von Natur aus ein religiöses Wesen.