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    Fahrradservice des Erthal-Sozialwerks in der Würzburger Sanderstraße

    Wie ein ganz normaler Betrieb

    Fahrradservice des Erthal-Sozialwerks in der Würzburger Sanderstraße
    WÜRZBURG. „Ein platter Reifen, ein Achter im Hinterrad oder eine gerissene Kette? Kein Problem für uns. Denn wir liefern unseren Kunden gute Qualität zum bestmöglichsten Preis“, sagt Wolfgang. Mit 18 anderen geistig Behinderten arbeitet der 27-Jährige in der Fahrrad-Reparaturwerkstatt des Erthal-Sozialwerks in der Sanderstraße 27.
     
    Betritt jemand die Werkstatt, springt Wolfgang hinter dem Ladentisch hervor und fragt ihn nach seinen Wünschen. Er leitet die Kunden zu den Montagebereichen, preist Sonderangebote an, erledigt aber auch Aufgaben aus der Buchhaltung am Computer. „Guter Service muss nämlich nichts zusätzlich kosten“, weiß Wolfgang.
    Freundlichster Verkäufer
    Seine Methode scheint Erfolg zu haben. Bei der Aktion Smile des Förderkreises „Würzburg macht Spaß“ haben treue Kunden ihn bereits zum freundlichsten Verkäufer der Woche gewählt. Dabei habe Wolfgang vor zwei Jahren, als er in der Werkstatt anfing, immer gemeint, er sei der falsche Mann für den Job am Empfang, erzählt sein Chef Herman Lutz. Und viel geredet habe er damals auch nicht. Lutz und sein Kollege Roland Fischer sind beide gelernte Handwerksmeister und haben eine sonderpädagogische Zusatzausbildung. Als Gruppenleiter sind sie für die Organisation vor Ort verantwortlich und die einzigen Nicht-Behinderten, die in der Werkstatt arbeiten. 1984 wurde die Werkstatt vom Erthal-Sozialwerk gegründet. „Zum Teil mit Druck der Behörden“, erzählt dessen Leiter Wilfried Horn. „Damals gab es einfach keine Einrichtungen, die geistig behinderte Menschen beschäftigten.“
    Feste Strukturen schaffen
    Am alten Standort der Werkstatt in der Erthalstraße begann Lutz mit vier psychisch erkrankten Mitarbeitern die ersten Fahrräder zu reparieren. Die Tätigkeit eignet sich laut Fischer und Lutz sehr gut für die Arbeit mit psychisch Kranken. „Fahrräder reparieren geht nämlich ganz ohne Vorkenntnisse: Learning bei Doing.“ So kämen die Angestellten auch aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und hätten zuvor in unterschiedlichen Berufen gearbeitet.
    Der Wert für die Angestellten bestehe auch weniger im Inhalt der Arbeit, sondern eher darin, überhaupt einer Arbeit nachzugehen. Wichtig sei es für die psychisch Erkrankten, feste Strukturen zu schaffen, damit sie wieder in den Alltag zurückfänden. „Das heißt also, feste Arbeitszeiten und ein Ort, wo man jeden Tag hingehen kann,“ erklärt Lutz. Frank (39), der schon seit 13 Jahren in der Werkstatt arbeitet, wirft einen Blick in einen großen, grünen Ordner. Darin hat Lutz zuvor alle anfallenden Arbeiten eingetragen. Als Teamchef im Bereich Montage kontrolliert Frank, was für heute noch zu erledigen ist. Alle 19 Mitarbeiter der Werkstatt arbeiten verteilt auf fünf solche Bereiche, wie Montage oder Empfang. Die einzelnen Teams können jeden Tag selbständig entscheiden wie viele Arbeiten sie sich zutrauen. „Wenn man dann abends sieht, wie man seine Aufträge erledigt hat, ist das schon ein richtiges Erfolgserlebnis“, erzählt Frank. Auch untereinander organisierten sich die Mitarbeiter selber. Neu Eingestellte lernten von denen mit längerer Erfahrung. „Wir greifen nur noch ein, wenn es scheint, als würde ein Auftrag nicht termingerecht ausgeführt“, erzählt Lutz.
    Termingerechte Erledigung
    Die Werkstatt wird nach einem bestimmten Pflegesatz über das Erthal-Sozialwerk bezuschusst. Der Rest muss auf dem freien Markt verdient werden. „Wie in der Wirtschaft sind wir gebunden an Konjunktur und an Kundenzahlen“, erklärt Fischer. Die Reparaturen müssten daher alle termingerecht erledigt werden. Auch die Mitarbeiter würden sich wie in einem ganz normalen Betrieb bewerben, mit Bewerbungsschreiben und Probezeit. Das besondere an der Werkstatt sei eher der Umgang mit den Mitarbeitern. „In normalen Betrieben werden immer hundert Prozent Leistung vom Mitarbeiter verlangt. Wenn bei uns aber einer mal nicht so gut kann, nehmen wir Rücksicht auf ihn“, sagt Fischer. Dann schickten Lutz und Fischer einen Mitarbeiter zum Beispiel früher nach Hause. Gebe es größere Schwierigkeiten, vermittelten sie die Angestellten an die Sozialarbeiter des Erthal-Sozialwerkes weiter, die die Werkstatt ohnehin regelmäßig besuchten. „Unsere Erfahrung macht beim Abschätzen von Konflikten natürlich auch sehr viel aus“, sagt Lutz.
    Viele Stammkunden
    Die Werkstatt wird laut Fischer und Lutz von der Bevölkerung akzeptiert und zählt viele Stammkunden. „Viele sind ganz erstaunt, wenn wir ihnen erzählen, dass bei uns nur Menschen mit Behinderung arbeiten,“ berichtet Fischer. Aber nicht alle bleiben für immer in der Sanderstraße. Hin und wieder kehren Mitarbeiter auch in den regulären Arbeitsmarkt zurück.
    Einziges Sorgenkind ist noch der Schraubenladen, der vor zwei Jahren an die Werkstatt angebaut wurde. „Leider haben die Kunden unseren Laden noch nicht so angenommen wie wir es uns wünschen. Wo man hier doch einzeln Schrauben kaufen kann und nicht gleich 50 Stück auf einmal“, meint Lutz. „Wir sind alle stets bemüht, besten Service zu bieten“, fügt Wolfgang hinzu. Er lässt sich nicht so schnell in seinem Elan als Verkaufsprofi entmutigen. „Wir liefern Qualität und brauchen kein Mitleid.“