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      Das „Tal der Heiligen“ im Libanon bietet Oasen des Friedens

      Wie an einer Perlenschnur

      Landschaftsbilder können in der menschlichen Seele ihr Zuhause finden. Die Berge, das Tal mit dem Bach, bewohnte Grotten. Sie atmen Stille, Wesentlichkeit, Zeitlosigkeit. Im Libanon gilt das für das Qadischatal, das „Tal der Heiligen“. Es behauptet sich im Norden des Landes auf 35 Kilometer Länge zwischen schroffen Felswänden und ist 1998 zum Weltkulturerbe erhoben worden.

      Bei Tripoli mündet der Fluss Qadischa ins Mittelmeer, gewandelt und erlahmt von all den Wassern, die er auf seinem abenteuerlichen Weg durch die libanesischen Berge verschenkt hat.

      „Qadisha“, die Heilige, hat man nicht grundlos diese natürliche Lebensader auch für das geistige und geistliche Leben des Landes genannt. Säumen doch schon seit urgeschichtlichen Zeiten zahllose bewohnte Grotten in den steilen Kalksteinwänden ihren Weg. In ihrer Blütezeit sollen die Grotten bis zu 800 Eremiten als Wohn-und Gebetsräume gedient haben. Vier wegen ihrer Abgelegenheit heute wenig bewohnte Klöster laden als gemeinsame Oasen des Friedens zur Feier, zu Kontemplation und Askese monastischen Lebens ein.

      Spiritueller Reichtum

      Die Perlen des Tales sind diese vier Klöster, dazu die unzähligen Grotten und Eremitagen, die auch Verfolgten Schutz und Bleibe boten. Sie haben alle ihre je eigene Botschaft. Zum Teil mit Stalaktiten und Stalagmiten geziert, öffnen sie bis heute die Augen für den spirituellen Reichtum, der im Inneren geborgen ist. Der karge, staubige und sonnenbeschienene Weg, der dem Lauf des Flüsschens folgt, zu Beginn ostwestgerichtet, dient dem Ziel, dem Mysterium Gottes zu begegnen.

      Mar Lischaa liegt unterhalb des Zedernwaldes und der Qadischaquelle. Das Kloster ist dem Patronat des Propheten und Wundertäters Elisäus anvertraut. Fast mit dem Gebirge verwachsen, erweist sich der Bau beim Betreten im Inneren als schmucke, weitläufige bischöfliche Residenz, in späteren Zeiten bestimmt zum Sitz des Karmeliten­ordens und zur Wiege des Maroniten­ordens.

      Der Weg durchs Tal führt dann weiter zu den Eremitagen von Hadschit und Deir Salib. Jenseits des Flüsschens auf halber Anhöhe hinter Bäumen und Büschen liegt versteckt das Äthiopierkloster Mar Assia, das die Erinnerung an die christologischen Streitigkeiten über die beiden Naturen in Jesus birgt. Was ist die wahre Natur Jesu und: Wie vereinen sich die göttliche und die menschliche Natur in Jesus?

      Juwel des Tals

      Nach einer Stunde Weges, der sich in einen schmalen, steil ansteigenden gewundenen Pfad zuspitzt, öffnet sich das Gittertor vor dem Kloster Unsere liebe Frau von Qannubin. Es ist das Juwel des Qadischatals, möglicherweise schon im vierten Jahrhundert gegründet, vom 15. bis 19. Jahrhundert Sitz der Patriarchen und bis heute lebendiger Marienwallfahrtsort. Sein verborgenes frühchristliches Kloster aus dem vierten Jahrhundert, die mariologische Innenbe- malung und ikonographische Gestaltung verdienen besondere Beachtung.

      Etwas mehr als hundert Meter von Qannubin entfernt liegt die Höhle der heiligen Marina, einer leidenschaftlichen Frau des vierten Jahrhunderts, die sich hier zum Eremitentum bekannte. Ihr Lebensstil inspirierte einen bunten Strauß legendenhafter Erzählungen. Santa Marina wurde zur Grablege für 18 der 24 Patriarchen, die von 1440 bis 1823 in Qannubin lebten und dort starben.

      Ursprungskraft

      Über ihnen versteckt liegt die asketisch anmutende Antoniusgrotte mit ihrer Aneinanderreihung von Höhlen, die dem Urvater und geistigen Wurzelstock des westlichen Einsiedlerlebens, dem heiligen Antonius, geweiht war. Die Ursprungs­kraft der Wüstenväter und Gottesnarren der thebaischen Wüste hat hier Einzug gehalten.

      Eine halbe Stunde Weges von Qannubin entfernt, öffnet sich schon von weitem sichtbar und zeichenhaft, wie aus dem Felsen auf halber Höhe herausgeschält, das Kloster von Hawqa, das ob seiner tiefen bergenden Räume erahnen lässt, wie auch das Innere der menschlichen Seele gestaltet sein mag. Ein paar Stufen empor breitet sich eine Esplanade mit dem Raum des Eremiten aus, daneben seine Kapelle. Über eine Leiter ist ein feenhaft anmutender oberer Raum mit seinen von Wasser und Kalk gebildeten Gebilden erreichbar. Ein tragisches Geschick über den Tod vieler Christen könnte Hawqa dem Besucher erzählen.

      Schließlich das wohl tausendjährige Kloster Qoshaya, das in traditioneller Architektur wiedererrichtet wurde und, von einem Mantel Olivenbäumen umgeben, den Beinamen „Schatztruhe des Lebens“ trägt. Bis heute kommen Menschen hierher, um von seelischen Erkrankungen und von Unfruchtbarkeit geheilt zu werden oder sich eine Seite aus der frühesten Druckerpresse des Libanon anzuschauen.

      Was verbindet diese wie Perlen aneinandergereihten Klöster, um die sich oft mehrere Einsiedeleien, „Lauren“ genannt, gruppieren? Es sind dies die Stille, das Schweigen, das Gebet und der Genius der Landschaft. Sie durchdringen das Felsengestein, verankern sich in ihm, erinnern und beleben die Seele mit einem Gefühl selbst gewählter Armut und Frömmigkeit, vielleicht auch von Melancholie, und wecken die Ahnung von einem Ursprung, aus dem heraus über Jahrtausende hinweg das Bild der Landschaft und ihrer Bewohner entstanden sein könnte.     

      Peter Spielmann