Berge sind in vielen Kulturen heilige Orte, an denen man Gott ein ganzes Stück näher sein und seine Gegenwart spürbar erfahren kann. Diese Tradition finden wir auch in der Bibel.
Evangelium
In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg, aber nur sie allein. Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann. Da erschien vor ihren Augen Elija und mit ihm Mose, und sie redeten mit Jesus. Petrus sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte; denn sie waren vor Furcht ganz benommen. Da kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören. Als sie dann um sich blickten, sahen sie auf einmal niemand mehr bei sich außer Jesus. Während sie den Berg hinabstiegen, verbot er ihnen, irgendjemand zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei. Dieses Wort beschäftigte sie, und sie fragten einander, was das sei: von den Toten auferstehen.Markus 9,2–10 Von den 14 Jahren, die ich auf dem Volkersberg bei Bad Brückenau gelebt habe, erinnere ich mich gerne an die herrlichen Sonnenauf- und -untergänge, die man zusammen mit einem weiten Blick über die bayerische und hessische Rhön genießen konnte; eingetaucht in das helle, farbenfrohe Licht der Sonne, schien die Zeit stehen zu bleiben. Alle Anstrengungen des Tages waren aufgehoben in einer Atmosphäre von Frieden und Geborgenheit. Es war einfach schön, zu sitzen, zu staunen, zu danken für einen solchen Beginn oder ein solches Ende des Tages. Ich fühlte mich jedes Mal neu gestärkt in der Gewissheit: Da ist einer, der hinter dir steht, zu dir hält, in Liebe freundlich auf dich schaut. Berge sind in vielen Kulturen heilige Orte, an denen man Gott ein ganzes Stück näher sein und seine Gegenwart spürbar erfahren kann. Diese Tradition finden wir auch in der Bibel: Abraham wird mit Isaak von Gott auf den Berg Morija gerufen. Mose empfängt auf dem Sinai von Gott die Zehn Gebote. Jesus nimmt mit Petrus, Jakobus und Johannes drei Jünger der ersten Stunde mit auf den Berg. Jedes Mal sind es sehr intensive Begegnungen zwischen Mensch und Gott, bei denen eine neue Facette der Herr-lichkeit Gottes zum Vorschein kommt: Gott offenbart sich als der Herr des Lebens, der alles daran setzt, das Leben zu schützen und zu fördern. Jedes Mal geschieht Verwandlung im Glauben und in der Existenz des Menschen, der sich der Begegnung mit diesem Gott stellt. Sein Leben wird in Zukunft anders verlaufen, wenn er es mit diesem Gott lebt. Leid, Schmerz und Tod werden zwar weiterhin im täglichen Leben vorhanden sein, aber im Licht Gottes erhalten sie einen anderen Stellenwert, können eingeordnet werden in das große Ganze der Lebensfreude Gottes. Was Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Berg erleben, ist die Fortsetzung der Geschichte von der Taufe Jesu. Dort erging die Offenbarung Gottes an Jesus, der am Beginn seines Predigens und Wirkens stand: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ Hier nun, wo das Ende des Lebens Jesu allmählich in den Blick kommt, offenbart sich Jahwe, der Gott Israels, den Jüngern in gleicher Weise: „Dieser ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.“ Es ist eine Bestätigung des Weges und des Wirkens Jesu. Gleichzeitig ist es eine Bestätigung der Berufung der drei Jünger, mit Jesus zusammenzuarbeiten und nach seinem Tod und seiner Auferstehung sein Werk fortzusetzen. Mit dem Tod Jesu wird nicht alles aus, der Weg nicht zu Ende sein – das wäre allein die Sichtweise von unserer Seite der Wirklichkeit aus. Gott kommt von seiner Seite aus Jesus auf diesem Weg entgegen. Durch den Tod wird Jesus ganz in die für uns unbeschreibliche Herrschaft Gottes eingehen, die sich durch das Predigen und heilvolle Handeln Jesu bereits deutlich Bahn verschafft. Die Verklärung Jesu auf dem Berg ist daher die Botschaft Gottes und das Zeichen, wo der Weg Jesu eigentlich enden wird: in der Herrlichkeit Gottes. Wenn die Jünger sich an Jesus halten, werden sie auch seinen Weg gehen mit allen Konsequenzen – wirklich mit allen, denn dann gilt ebenso für sie: Gott wird ihnen von seiner Seite der Wirklichkeit aus entgegenkommen, ihr Weg wird in Gottes Herrschaft sein Ziel finden. Der Mensch, der die Aufforderung Gottes: „Auf ihn sollt ihr hören“, befolgt, braucht vor seinem Weg keine Angst zu haben. Denn Gott ist mit auf diesem Weg – er wird immer wieder durch Zeichen und Nachrichten zu erkennen geben, dass er da ist; sei es durch ein Gipfelerlebnis, einen Sonnenuntergang, einen Regenbogen oder sonst ein Zeichen, durch das ich spüre: Gott teilt sich mir mit.Die Autorin ist Missionsdominikanerin und Pastoralreferentin in der Pfarreiengemeinschaft „12 Apostel am Tor zum Spessart“.