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Kontroverse Podiumsdiskussion zu „Das Soziale neu denken“
Wenig Liebe für`s Bischofspapier
WÜRZBURG. Das Diskussionspapier „Das Soziale neu denken“ der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung der „Studiengruppe Entwicklungsprobleme der Industriegesellschaft“ (STEIG) in Zusammenarbeit mit dem Matthias-Ehrenfried-Haus. Prof. Dr. Gerhard Kruip, Leiter des Forschungsinstituts für Philosophie des Bistums Hildesheim, diskutierte mit dem Schweinfurter Betriebsseelsorger Peter Hartlaub, dem Münchner Sozialethiker Professor Dr. Markus Vogt und Dr. Alfred Gossner von der Frauenhofergesellschaft, der die Unternehmersicht vertrat. Heftige Kritik erntete vor allem die These, dass für viele das Soziale zu einem Anspruch geworden sei, „um eine immer komfortablere Normalität herzustellen“.
Kruip, der selbst an dem Papier mitgearbeitet hat, stellte die Position der Bischöfe vor. Diese hätten erkannt, dass der demographische Wandel, die hohe Arbeitslosigkeit, der Abbau von Arbeitsplätzen sowie die soziale Schieflage der Sozialsysteme, Deutschland in eine dramatisch Lage gebracht hätten. Vor allem Lobbyismus und Föderalismus behinderten die Lösung der Probleme. Angesichts dessen müsse man sich die Frage stellen, wie gesellschaftliche Solidarität angesichts vieler alter und weniger junger Menschen noch aufrecht erhalten werden könne. Dazu kämen Fragen wie: „Wie können wir mehr in Bildung investieren?“ Oder: „Brauchen wir mehr Zuwanderung?“
Schönes Leben auf Kosten anderer machen ...?
Hauptpunkt des Missbehagens war die Behauptung, dass der Sozialstaat von vielen Bürgern ausgenutzt werde, um sich ein schönes Leben auf Kosten anderer zu machen. Dies gehe an der gesellschaftlichen Realität völlig vorbei, war man sich einig. Auch Kruip bedauerte derartige Formulierungen, sie seien so nicht gewollt. Heftige Kritik an dem Papier übte vor allem der Schweinfurter Betriebsseelsorger Peter Hartlaub. Er habe „nur wenige Perlen im Schlamm“ gefunden, sagte er. Positiv zu bewerten seien etwa die Föderalismuskritik, die Forderung nach einer Beendigung der Benachteiligung der Frauen und nach einem „Sozialstaats-TÜV“, sowie die Interpretation der Bildungspolitik als Teil der Sozialpolitik. Dagegen sei die Forderung nach mehr Eigenverantwortung für Arbeitslose „reiner Zynismus“. Es gebe viel zu wenig offene Stellen, als dass Arbeitslose durch mehr Eigeninitiative real bessere Jobchancen hätten. Auch sei die Kritik am Fehlen eines Niedriglohnbereichs fehl am Platze.
Hungerlöhne
In der Schnellgastronomie oder dem Bewachungsgewerbe Ost würden zum Teil Stundenlöhne zwischen 3,50 Euro und 4,99 Euro gezahlt, von denen keiner in Deutschland menschenwürdig leben könne. In den Großbetrieben herrsche nur noch ein Denken, bei dem der Gewinn pro Aktie die soziale Verantwortung des Unternehmens für seine Mitarbeiter völlig verdrängt habe. Das Papier sei von erstaunlicher Zeit- und Kontextlosigkeit geprägt und gehe nicht einmal auf die Agenda 2010 ein, kritisierte Hartlaub.
„Die Thesen sind fast schon überholt“, urteilte der Vertreter der Arbeitgebersicht, Dr. Alfred Gossner. Zur Lösung der Probleme wirke am schnellsten die Absenkung der Löhne, da dann zu billigeren Konditionen mehr Arbeitskräfte eingestellt werden könnten, und der Staat so Arbeitslosengeld und Sozialhilfe spare. Wenig erwartete er von Innovationen, da neuartige Produkte später genauso in Niedriglohnländern produziert werden würden wie traditionelle Waren. Ebenso sinnvoll wie schwierig durchzuführen sei die Verlagerung von Arbeitskosten weg vom Faktor Arbeit und hin zum Faktor Energie.
„Standort Kirche“ vermisst
Demgegenüber kritisierte Prof. Dr. Markus Vogt, dass das Dokument seinem Untertitel „Für eine langfristig angelegte Reformpolitik“ nicht gerecht werde. Vielmehr werde die ökologische Frage völlig ausgeblendet, was eher auf Kurzsichtigkeit hindeute. „Das Papier bleibt auf halbem Wege stehen und wird nicht konkret!“ Der Sozialstaat werde als Instrument von Anspruchsdenken verunglimpft und die Unternehmer nicht in die Pflicht genommen. Arme verkämen zur Randfloskel und eine Langfristökonomie sei nicht zu erkennen. „Insgesamt kann ich den ’Standort Kirche‘ nicht sehen“, bedauerte Vogt.
Kruip, der selbst an dem Papier mitgearbeitet hat, stellte die Position der Bischöfe vor. Diese hätten erkannt, dass der demographische Wandel, die hohe Arbeitslosigkeit, der Abbau von Arbeitsplätzen sowie die soziale Schieflage der Sozialsysteme, Deutschland in eine dramatisch Lage gebracht hätten. Vor allem Lobbyismus und Föderalismus behinderten die Lösung der Probleme. Angesichts dessen müsse man sich die Frage stellen, wie gesellschaftliche Solidarität angesichts vieler alter und weniger junger Menschen noch aufrecht erhalten werden könne. Dazu kämen Fragen wie: „Wie können wir mehr in Bildung investieren?“ Oder: „Brauchen wir mehr Zuwanderung?“
Schönes Leben auf Kosten anderer machen ...?
Hauptpunkt des Missbehagens war die Behauptung, dass der Sozialstaat von vielen Bürgern ausgenutzt werde, um sich ein schönes Leben auf Kosten anderer zu machen. Dies gehe an der gesellschaftlichen Realität völlig vorbei, war man sich einig. Auch Kruip bedauerte derartige Formulierungen, sie seien so nicht gewollt. Heftige Kritik an dem Papier übte vor allem der Schweinfurter Betriebsseelsorger Peter Hartlaub. Er habe „nur wenige Perlen im Schlamm“ gefunden, sagte er. Positiv zu bewerten seien etwa die Föderalismuskritik, die Forderung nach einer Beendigung der Benachteiligung der Frauen und nach einem „Sozialstaats-TÜV“, sowie die Interpretation der Bildungspolitik als Teil der Sozialpolitik. Dagegen sei die Forderung nach mehr Eigenverantwortung für Arbeitslose „reiner Zynismus“. Es gebe viel zu wenig offene Stellen, als dass Arbeitslose durch mehr Eigeninitiative real bessere Jobchancen hätten. Auch sei die Kritik am Fehlen eines Niedriglohnbereichs fehl am Platze.
Hungerlöhne
In der Schnellgastronomie oder dem Bewachungsgewerbe Ost würden zum Teil Stundenlöhne zwischen 3,50 Euro und 4,99 Euro gezahlt, von denen keiner in Deutschland menschenwürdig leben könne. In den Großbetrieben herrsche nur noch ein Denken, bei dem der Gewinn pro Aktie die soziale Verantwortung des Unternehmens für seine Mitarbeiter völlig verdrängt habe. Das Papier sei von erstaunlicher Zeit- und Kontextlosigkeit geprägt und gehe nicht einmal auf die Agenda 2010 ein, kritisierte Hartlaub.
„Die Thesen sind fast schon überholt“, urteilte der Vertreter der Arbeitgebersicht, Dr. Alfred Gossner. Zur Lösung der Probleme wirke am schnellsten die Absenkung der Löhne, da dann zu billigeren Konditionen mehr Arbeitskräfte eingestellt werden könnten, und der Staat so Arbeitslosengeld und Sozialhilfe spare. Wenig erwartete er von Innovationen, da neuartige Produkte später genauso in Niedriglohnländern produziert werden würden wie traditionelle Waren. Ebenso sinnvoll wie schwierig durchzuführen sei die Verlagerung von Arbeitskosten weg vom Faktor Arbeit und hin zum Faktor Energie.
„Standort Kirche“ vermisst
Demgegenüber kritisierte Prof. Dr. Markus Vogt, dass das Dokument seinem Untertitel „Für eine langfristig angelegte Reformpolitik“ nicht gerecht werde. Vielmehr werde die ökologische Frage völlig ausgeblendet, was eher auf Kurzsichtigkeit hindeute. „Das Papier bleibt auf halbem Wege stehen und wird nicht konkret!“ Der Sozialstaat werde als Instrument von Anspruchsdenken verunglimpft und die Unternehmer nicht in die Pflicht genommen. Arme verkämen zur Randfloskel und eine Langfristökonomie sei nicht zu erkennen. „Insgesamt kann ich den ’Standort Kirche‘ nicht sehen“, bedauerte Vogt.