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Im Herzen Jerusalems führt die Via Dolorosa zur Auferstehung
Weg der Schmerzen
Diese Straße hat viele Klänge und manche Melodie. Unter dem Läuten von Kirchenglocken oder dem Gesang des Muezzins bieten Händler lautstark Postkarten oder Ikonen feil. Hier und da ruft ein Bettler. Schulkinder verspielen sich auf dem Heimweg. Touristenführer erklären Steine und Leben. Dazwischen quäkt ab und an das Funkgerät eines israelischen Soldaten.
Aber die Via Dolorosa, der Weg der Schmerzen durch die Jerusalemer Altstadt, ist mehr als Altstadttreiben. Leiser oder lauter – immer und immer wieder hört der Flaneur Gebete und Gesänge. Sie machen den letzten Weg Jesu von seiner Verurteilung zur Stätte der Kreuzigung und der Auferstehung gegenwärtig. Auch fast 2000 Jahre nach diesem Ereignis gehen Menschen diesen Weg in Schmerzen und Ängsten und Hoffnungen. Einen Weg, der in mancher Hinsicht ansteigt: Aus dem tiefer gelegenen muslimischen Viertel hinauf ins Innere des Gassengewirrs, von der ersten zur 14. Station, vom Leid zum Grab, zur Auferstehung.
An jedem Freitagnachmittag beten die viele Nationalitäten vereinenden Franziskaner der Kustodie des Heiligen Landes mit Pilgern aus aller Welt „offiziell“ den Kreuzweg. Und in normalen Jahren, in denen diese Region der Welt nicht so viele Sorgen macht, schwillt der Strom der Beter durch die Wochen der Fastenzeit bis hin zum Karfreitag immer mehr an. Dann tragen Pilger – meist aus Europa, Amerika oder Asien – vom frühen Morgen an viele Dutzend Kreuze durch die Gassen von der ersten Station auf dem Schulhof der Omariye-Knabenoberschule den knapp tausend Meter langen Weg zur Grabeskirche, die die Gläubigen der Orthodoxie in ihren Sprachen passender Auferstehungskirche nennen.
Von den 14 Stationen, deren heutige Standorte zum größten Teil erst um 1540 festgelegt wurden, nennen die Evangelien acht. Die übrigen kamen als Ausmalung im Laufe der Zeit hinzu. Im malerischen Straßenbild fallen einige Stationen auf. Andere wie die fünfte, die sechste, an der Kleine Schwestern von Charles de Foucauld in guter Nachbarschaft zwischen muslimischen Familien leben, die siebte oder achte bemerken eilige Gäste kaum.
Gerade für Mitteleuropäer, die häufig viel zu hektisch durch das Heilige Land reisen und für besinnliche Momente wenig Zeit haben, bleibt der Weg zur Grabeskirche ein bunter Ausflug in den Orient: Neben Arafat-Fotos werden arabische Kopftücher und liturgische Gewänder angeboten, Keramik, Ikonen und Krippenfiguren, Kitsch, Kameras und „original antiquities of the holy land“. Dennoch: Während des offiziellen Kreuzwegs machen die Händler nicht das große Geschäft. Vielen Gästen geht es ums Gebet.
Ob die „Via Dolorosa“ der Gegenwart tatsächlich der historischen Strecke folgt, die Jesus vor der Kreuzigung ging, weiß niemand. Der Verlauf hängt vor allem davon ab, wo der Palast des Pilatus stand und wo genau sich vor gut 1950 Jahren die Stadtmauer Jerusalems befand. Einige Archäologen favorisieren trotz einer Reihe von Indizien eine ganz andere Route als die heute übliche.
Doch das beunruhigt die Pilger nicht. Vielen geht es weniger um die letzte wissenschaftliche Erkenntnis, sondern um einen Weg, auf dem sie mit ihren persönlichen Problemen, mit ihren Glaubenshoffnungen und -zweifeln und mit inniger Frömmigkeitspraxis gehen können: Hier also trug Jesus, geschunden und verspottet, sein Kreuz und stürzte darunter, hier begegnete er seiner Mutter und der nur wegen des Schweißtuchs bekannt gewordenen Veronika, hier kam er ans Kreuz, starb er, wurde er bestattet. Der Pilger sucht einen Ort, um Glaube und Hoffnung zu erden.
Dass sich auf dieser Straße die Gläubigen unterschiedlicher Religionen begegnen, dafür sind die kurzen Etappen zwischen der dritten und der fünften Station das beste Beispiel. Denn gerade an Freitagen – dem islamischen Feiertag, dem Vorabend des jüdischen Sabbat, dem Gedenktag an das Leiden Jesu – begegnen hier die betenden Christen Muslimen, die vom Gebet im Felsendom kommen, und frommen Juden, die schnellen Schrittes unterwegs zur Klagemauer sind. Freitag ist eben „Hauptkampftag“ im religiösen Jerusalem. Doch weil die Gassen dann enger sind, wird das Geschiebe nahe der siebten Station, die an den zweiten Sturz Jesu unter dem Kreuz erinnert, ganz schlimm. Da schneidet der Kreuzweg den „Suq Khan ez-Zeit“, eine der „Hauptstraßen“ im Gewirr der Gassen. Beter und Touristen müssen sich in den nicht endenden Strom der Händler und einkaufenden Frauen hineinzwängen.
Der Weg endet in einem unübersichtlich erscheinenden Bauwerk, das doch eine der bedeutendsten Stätten des Christentums birgt: die Grabeskirche. Gleich hinter der schweren Pforte versuchen Pilger, den so genannten Salbungsstein zu berühren. Dabei verehren nur griechisch-orthodoxe Christen den 1810 hier installierten Stein als 13. Station, an der Jesu Leichnam in den Schoß seiner Mutter gelegt worden sein soll. Katholiken gedenken dieses Geschehens wenige Meter weiter östlich und 15 Stufen höher, wo sich auf Golgatha gleich vier Stationen befinden: Hier soll Jesus seiner Kleider beraubt und gekreuzigt worden sein, hier starb er am Kreuz. Und auch hier drängeln sich Beter und fotografierende, nicht selten unwissende Touristen.
Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Michel Sabbah, weiß diese Hektik zu umgehen. Wer ihn bei seinem Pilgergang am Karfreitag begleiten will, muss ganz früh auf den Beinen sein. Dann wartet noch keine Kamera, herrscht noch Ruhe in den Gassen. Und auch die Klänge und Geräusche sind noch nicht erwacht.
Aber die Via Dolorosa, der Weg der Schmerzen durch die Jerusalemer Altstadt, ist mehr als Altstadttreiben. Leiser oder lauter – immer und immer wieder hört der Flaneur Gebete und Gesänge. Sie machen den letzten Weg Jesu von seiner Verurteilung zur Stätte der Kreuzigung und der Auferstehung gegenwärtig. Auch fast 2000 Jahre nach diesem Ereignis gehen Menschen diesen Weg in Schmerzen und Ängsten und Hoffnungen. Einen Weg, der in mancher Hinsicht ansteigt: Aus dem tiefer gelegenen muslimischen Viertel hinauf ins Innere des Gassengewirrs, von der ersten zur 14. Station, vom Leid zum Grab, zur Auferstehung.
An jedem Freitagnachmittag beten die viele Nationalitäten vereinenden Franziskaner der Kustodie des Heiligen Landes mit Pilgern aus aller Welt „offiziell“ den Kreuzweg. Und in normalen Jahren, in denen diese Region der Welt nicht so viele Sorgen macht, schwillt der Strom der Beter durch die Wochen der Fastenzeit bis hin zum Karfreitag immer mehr an. Dann tragen Pilger – meist aus Europa, Amerika oder Asien – vom frühen Morgen an viele Dutzend Kreuze durch die Gassen von der ersten Station auf dem Schulhof der Omariye-Knabenoberschule den knapp tausend Meter langen Weg zur Grabeskirche, die die Gläubigen der Orthodoxie in ihren Sprachen passender Auferstehungskirche nennen.
Von den 14 Stationen, deren heutige Standorte zum größten Teil erst um 1540 festgelegt wurden, nennen die Evangelien acht. Die übrigen kamen als Ausmalung im Laufe der Zeit hinzu. Im malerischen Straßenbild fallen einige Stationen auf. Andere wie die fünfte, die sechste, an der Kleine Schwestern von Charles de Foucauld in guter Nachbarschaft zwischen muslimischen Familien leben, die siebte oder achte bemerken eilige Gäste kaum.
Gerade für Mitteleuropäer, die häufig viel zu hektisch durch das Heilige Land reisen und für besinnliche Momente wenig Zeit haben, bleibt der Weg zur Grabeskirche ein bunter Ausflug in den Orient: Neben Arafat-Fotos werden arabische Kopftücher und liturgische Gewänder angeboten, Keramik, Ikonen und Krippenfiguren, Kitsch, Kameras und „original antiquities of the holy land“. Dennoch: Während des offiziellen Kreuzwegs machen die Händler nicht das große Geschäft. Vielen Gästen geht es ums Gebet.
Ob die „Via Dolorosa“ der Gegenwart tatsächlich der historischen Strecke folgt, die Jesus vor der Kreuzigung ging, weiß niemand. Der Verlauf hängt vor allem davon ab, wo der Palast des Pilatus stand und wo genau sich vor gut 1950 Jahren die Stadtmauer Jerusalems befand. Einige Archäologen favorisieren trotz einer Reihe von Indizien eine ganz andere Route als die heute übliche.
Doch das beunruhigt die Pilger nicht. Vielen geht es weniger um die letzte wissenschaftliche Erkenntnis, sondern um einen Weg, auf dem sie mit ihren persönlichen Problemen, mit ihren Glaubenshoffnungen und -zweifeln und mit inniger Frömmigkeitspraxis gehen können: Hier also trug Jesus, geschunden und verspottet, sein Kreuz und stürzte darunter, hier begegnete er seiner Mutter und der nur wegen des Schweißtuchs bekannt gewordenen Veronika, hier kam er ans Kreuz, starb er, wurde er bestattet. Der Pilger sucht einen Ort, um Glaube und Hoffnung zu erden.
Dass sich auf dieser Straße die Gläubigen unterschiedlicher Religionen begegnen, dafür sind die kurzen Etappen zwischen der dritten und der fünften Station das beste Beispiel. Denn gerade an Freitagen – dem islamischen Feiertag, dem Vorabend des jüdischen Sabbat, dem Gedenktag an das Leiden Jesu – begegnen hier die betenden Christen Muslimen, die vom Gebet im Felsendom kommen, und frommen Juden, die schnellen Schrittes unterwegs zur Klagemauer sind. Freitag ist eben „Hauptkampftag“ im religiösen Jerusalem. Doch weil die Gassen dann enger sind, wird das Geschiebe nahe der siebten Station, die an den zweiten Sturz Jesu unter dem Kreuz erinnert, ganz schlimm. Da schneidet der Kreuzweg den „Suq Khan ez-Zeit“, eine der „Hauptstraßen“ im Gewirr der Gassen. Beter und Touristen müssen sich in den nicht endenden Strom der Händler und einkaufenden Frauen hineinzwängen.
Der Weg endet in einem unübersichtlich erscheinenden Bauwerk, das doch eine der bedeutendsten Stätten des Christentums birgt: die Grabeskirche. Gleich hinter der schweren Pforte versuchen Pilger, den so genannten Salbungsstein zu berühren. Dabei verehren nur griechisch-orthodoxe Christen den 1810 hier installierten Stein als 13. Station, an der Jesu Leichnam in den Schoß seiner Mutter gelegt worden sein soll. Katholiken gedenken dieses Geschehens wenige Meter weiter östlich und 15 Stufen höher, wo sich auf Golgatha gleich vier Stationen befinden: Hier soll Jesus seiner Kleider beraubt und gekreuzigt worden sein, hier starb er am Kreuz. Und auch hier drängeln sich Beter und fotografierende, nicht selten unwissende Touristen.
Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Michel Sabbah, weiß diese Hektik zu umgehen. Wer ihn bei seinem Pilgergang am Karfreitag begleiten will, muss ganz früh auf den Beinen sein. Dann wartet noch keine Kamera, herrscht noch Ruhe in den Gassen. Und auch die Klänge und Geräusche sind noch nicht erwacht.