Für diese Beziehungsklärung ist aber zunächst ein Blick zurück hilfreich. Fragt man Professor Dr. Matthias Stickler, der am Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Universität Würzburg tätig ist, nennt er als Hintergrund für diesen Zusammenschluss die Koalitionskriege, die zwischen 1792 und 1815 wüteten. „Im Grunde war in dieser Zeit ständig Krieg und da sind auch immer wieder Ländergrenzen verschoben worden“, erklärt er. Mit der Säkularisation 1803 wurden dann die Besitztümer der Kirchen und Klöster aufgelöst um damit Regierungen für ihre Verluste zu entschädigen. Letztlich ist also Napoleon schuld daran, dass 1803 die geistlichen Besitztümer in staatliche Hände fielen. Es folgte eine lange Zeit, in der unklar war, wie es mit den Kirchenstrukturen weitergeht.
Strategische Überlegungen
Erst der Wiener Kongress 1814/15 befasste sich mit der Frage, wer dieses Gebiet bekommt. Da die Bayern für verlorene Gebiete entschädigt werden mussten, kamen das Großherzogtum Würzburg, Teile des Bistums Fulda und das Untermaingebiet als Rest des Mainzer Kurstaates zusammen. „Romantische Bedürfnisse und historische Traditionen spielten dabei keine Rolle“, kommentiert Stickler die Entscheidungen. Sie waren vor allem von strategischen Überlegungen geprägt und nicht von der Frage, ob die Regionen kulturell zusammenpassen.
Es dauerte dann noch sieben Jahre bis die neuen Diözesangrenzen eingerichtet waren. Ein Konkordat zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl führte zu einer Neuumschreibung der Bistümer in Bayern, 1821 wurde durch die Tegernseer Erklärung die Einsetzung von Bischöfen möglich. Was kirchlich nun als „Bistum Würzburg“ galt, wurde politisch lange Zeit mit „Unterfranken und Aschaffenburg“ bezeichnet. Erst nach dem zweiten Weltkrieg fiel der Zusatz weg, der bis dahin deutlich gemacht hatte, dass hier zwei sehr unterschiedliche Regionen zusammengeschweißt worden waren.
Doch genau diese Geschichte führt zu der Frage, wie die Regionen heute miteinander zurechtkommen. Immerhin liegen knapp 80 Autobahnkilometer oder rund 160 Flusskilometer und der Spessart zwischen der Bischofsstadt und dem bayerischen Nizza, wie sich Aschaffenburg in Werbeprospekten gerne nennt. Beim Podiumsgespräch im Martinushaus ging es deshalb um die Frage, ob denn nach 200 Jahren so etwas wie eine herzliche Beziehung entstanden ist. Dazu äußerten sich der Würzburger Generalvikar Dr. Jürgen Vorndran, der Aschaffenburger Alt-Oberbürgermeister Klaus Herzog und der ehemalige Leiter des BR-Studios Mainfranken in Würzburg Eberhard Schellenberger.
Herzliche Beziehung?
Zunächst standen die Unterschiede zwischen dem Untermain und der Region rund um die Bischofsstadt auf der Tagesordnung. Bei der Beschreibung des jeweiligen Menschenschlages zitierte Schellenberger den Kabarettisten Erwin Pelzig, der auf die Frage, wie denn der Würzburger so ist, antwortete: „Wie soll man über den Tellerrand hinausschauen, wenn man im Kessel hockt?“. Doch Schellenberger meint feststellen zu können, dass das Image des schwarz-konservativen Würzburgers sich gerade ändert. Immerhin wurde bei der letzten Landtagswahl ein grüner Direktkandidat gewählt und durch die Hochschule mit ihren über 30.000 Studenten prägen viele junge Leute das Gesicht der Stadt.
Klaus Herzog beschrieb den Aschaffenburger als einen aufgeschlossenen Menschen, der eine gute Mischung aus Bayer, Hesse und Franke darstelle. Die Menschen hier seien lustig, bodenständig und eigenständig, so zitierte Herzog die Beschreibung der Aschaffenburger Mundartdichterin Irmes Eberth. Auch die Sprache klingt in den beiden Regionen anders. Während man in Würzburg „ostfränkisch“ redet, babbelt man am bayerischen Untermain „rheinfränkisch“ und kann so den Einfluss der Pfälzer Geschichte und der Nähe zu Hessen nicht verleugnen.
Zusammenhalt in Krisen
Vorndran, der aus der Rhön stammt, aber zehn Jahre lang in Aschaffenburg Pfarrer war, bevor er 2018 nach Würzburg wechselte, kennt beide Menschenschläge vor allem aus der Sicht des kirchlichen Engagements. Den Aschaffenburger beschrieb er als selbstbewusst im Umgang mit den kirchlichen Verwaltungsstrukturen in Würzburg, was sicher auch eine Frucht der langen Zugehörigkeit zum Mainzer Bistum ist. Während man den Untermainer recht schnell für eine Sache begeistern kann, erlebt Vorndran den Würzburger immer erst mal skeptisch. „Dass es Kilian trotzdem geschafft hat, hier das neue Evangelium zu verkünden, ist eines der größten Wunder in der Christianisierung“, so der Generalvikar. In Aschaffenburg dagegen sei der heilige Martin als Mainzer Bistumspatron immer noch lebendiger als der heilige Kilian.
Doch in der Runde wurden auch Gemeinsamkeiten festgestellt. So war man sich beispielsweise darin einig, dass der Zusammenhalt in Krisenzeiten in beiden Städten gut funktioniert. Schellenberger und Vorndran führten dafür als Beispiel die Messerattacke in Würzburg vergangenes Jahr an, Herzog konnte von einer unkomplizierten Aufnahmebereitschaft der Flüchtlinge im Jahr 2015 berichten. Auch darüber, dass die Kirche eine prägende Kraft ist für den Geist, der in beiden Regionen herrscht, war man sich einig.
Wein, Bier und Apfelwein
An diesem Abend im Martinushaus war zwar nicht unbedingt Liebe aber durchaus wohlwollender Respekt im Verhältnis zwischen den beiden Regionen zu spüren. Schellenberger erzählte, dass er mit Besuchern gerne auch einen Tagesausflug ins schöne Aschaffenburg macht und empfahl seinen Landsleuten, diese Gegend Unterfrankens mehr in den Blick zu nehmen. „Die Unterschiede zwischen den Regionen sind eine Bereicherung fürs Bistum“, war Vorndrans Fazit. Das gilt wohl nicht nur für die kirchenpolitische Sicht sondern auch für ganz profane Genüsse. Eine kurze Abfrage beim Podiumsgespräch ergab, dass Würzburger sich eindeutig über den Wein definieren, der Aschaffenburger neben dem Wein auch eine traditionsreiche Bierkultur pflegt. Dass man dort auch noch mit Apfelwein aufwartet, wurde an diesem Abend von den Anwesenden allerdings nicht als zusätzlicher Pluspunkt gewertet.
B. V.
Die Ausstellung „200 Jahre Neugründung des Bistums Würzburg“ ist noch bis 10. März montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr in Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg zu sehen. Informationen und Anmeldung zur Führung unter Telefon 0931/386-67100 oder per E-Mail an abbw@bistum-wuerzburg.de.