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Von Jägern und Sammlern
Nach alter Tradition treten Chinesen mit ihren Vorfahren in Kontakt, indem sie ihnen Hausaltäre errichten und Nahrungsmittel zum Opfer darbringen. In den christlichen Ländern Europas sind solche Formen von Ahnenverehrung unbekannt. Trotzdem gibt es in Deutschland eine große Zahl von Menschen, die mit akribischem Eifer der Geschichte ihrer Vorfahren nachspüren. Bei der Jagd nach Namen und der Sammlung von Daten werden die Familienforscher häufig auch im Archiv des Bistums Würzburg fündig.
Nicht weniger als 1463-mal haben sich allein im Jahr 2007 Familienforscher in das Besucherbuch des Diözesanarchivs Würzburg eingetragen. Lothar Hock zum Beispiel. Er gehört zum Heer der Hobbyforscher, die im Lauf des letzten Jahres im Lesesaal des Diözesanarchivs arbeiteten. „In meiner Schulzeit habe ich für Geschichte kein Interesse gehabt“, erinnert sich der 56-Jährige. Erst die Lektüre von heimatgeschichtlichen Werken habe bei ihm im reiferen Alter Begeisterung für die Vergangenheit geweckt. Wie sich die „große“ politische Geschichte auf die Bewohner eines Ortes oder die Angehörigen einer Familie ausgewirkt hat – diese Frage empfand der pensionierte Fluglotse als so spannend, dass er sich der Familienforschung zuwandte.
Wichtige Anlaufstelle
Vor über zehn Jahren begab sich Lothar Hock zum ersten Mal ins Diözesanarchiv in Würzburg. Zwar lebt der Pensionär schon seit vielen Jahren im nordrhein-westfälischen Kaarst, doch wegen seiner unterfränkischen Herkunft ist das Diözesanarchiv für ihn in Sachen Familienforschung die wichtigste Anlaufstelle. Das Archiv hält für alle Familienforscher mit unterfränkisch-katholischen Wurzeln spezielle Schlüssel für das Tor zur Vergangenheit bereit: Pfarrmatrikeln, in denen Priester über Jahrhunderte Ereignisse wie Taufen, Eheschließungen und Sterbefälle schriftlich festgehalten haben. Jeder Interessent kann die auf Mikrofiche verfilmten Pfarrmatrikeln an den Lesegeräten des Diözesanarchivs sichten. Allerdings stellt das kirchliche Archiv nur Daten aus der Zeit vor 1876 zur Verfügung, denn seither existieren Aufzeichnungen kommunaler Standesämter. Wer Informationen zu familiären Angelegenheiten der letzten 130 Jahre bekommen möchte, muss sich an das zuständige Standesamt wenden.
Die Daten der Standesämter habe er problemlos bekommen, erzählt Lothar Hock. Der Einstieg in die Forschung gestaltete sich also kinderleicht. Bei der Beschäftigung mit den kirchlichen Matrikelbüchern hatte der Ahnenorscher jedoch Hürden zu überwinden: In die Deutsche Schrift, die Pfarrer bei ihren handschriftlichen Eintragungen verwendeten, musste er sich erst hineinfinden. Ferner hatte er sich die immer wieder auftauchenden lateinischen Standardformulierungen anzueignen, denn bis zum Beginn des
19. Jahrhunderts wurden die Matrikelaufzeichnungen in lateinischer Sprache abgefasst. Erfahrungsgemäß sei es für jeden Forscher, so Lothar Hock, „ein harter Schlag“, wenn er gefundene Daten nicht lesen könne. Er selbst behalf sich, indem er zunächst einführende Literatur las und dann mit praktischer Forschungsarbeit seinen Erfahrungsschatz bereicherte.
Wie überall machte auch hier die Übung den Meister. Im Lauf der Zeit gelang es Hock, die Ahnen seiner Mutter bis zum 16. Jahrhundert zurückzuverfolgen. Neueinsteigern empfiehlt er den Besuch von Einführungskursen, zum Beispiel an der Volkshochschule. Eine noch größere Hilfe sieht er darin, sich von jemandem mit Erfahrung anleiten zu lassen und dessen Rat zu suchen. Doch was muss der erfolgreiche Ahnenforscher vor allem mitbringen? Lothar Hock überlegt nicht lange und sagt: „Geduld, Spürsinn, Hartnäckigkeit, Zähigkeit“.
Familienchronik verfasst
Ludwig Leisentritt aus Zeil am Main besitzt diese vier Eigenschaften. Der
70-Jährige verfasste eine ganze Familienchronik, die bis ins Spätmittelalter zurückreicht. Für ein solches Unternehmen reichen die kirchlichen Pfarrmatrikeln alleine nicht aus. Leisentritt zog zahlreiche andere Quellen wie Ehestandsbücher, Ratsprotokolle und Einwohnerverzeichnisse heran, die in staatlichen und kommunalen Archiven aufbewahrt werden. Bis zum Jahr 1348 konnte der ehrenamtliche Leiter des Zeiler Stadtarchivs seine Ahnenreihe zurückverfolgen. Warum er diese Mühen auf sich genommen hat, erklärt Leisentritt so: „Nicht nur Bäume, auch wir Menschen haben Wurzeln.“ Der Weg zu den Wurzeln der eigenen Vergangenheit schenke dem Menschen etwas enorm Wichtiges: Identität. Deshalb könne man als „isoliertes, bindungsloses Einzelwesen auf die Dauer nicht glücklich sein“.
Schwanger vor den Traualtar
Leisentritt kam zugute, dass alle in Deutschland lebenden Träger seines Familiennamens ihre Wurzeln in Zeil am Main haben – eine ideale Ausgangslage für umfassende Forschungsarbeiten. Jede Quelle in Reichweite zog Leisentritt heran, einschließlich der so genannten „Gotteshausrechnungen“ im Zeiler Stadtarchiv. Sie geben Aufschluss über das Privatleben von Bürgern der Stadt im 18. Jahrhundert. Nicht selten kam es damals vor, dass ein Paar beim Pfarrer das Aufgebot bestellte, als der Nachwuchs bereits unterwegs war. Vom Pfarrer wurde dann schriftlich vermerkt, welche Strafzahlung der Mann zu entrichten hatte, „welcher seine Frau geschwächet zur Kirch geführt“. Die Eheschließung folgte, nachdem die Rechnung beglichen war.
Vorsicht vor Erwartungen
Überhaupt warnt Leisentritt jeden Familienforscher vor der verqueren Erwartung, allerlei Ruhmreiches und Ehrbares über den eigenen Stamm ans Licht zu heben. „In der Regel wird man bei den Recherchen feststellen, dass die Vorfahren fast allesamt in misslichen Verhältnissen gelebt haben“, meint der Hobbyhistoriker. Die Not früherer Zeiten habe dazu geführt, dass viele Leute Felddiebstähle begingen oder als Bettler und Landstreicher umherzogen. „Wer sich dann in seinem Selbstwertgefühl verletzt sieht, sollte keine Familienforschung betreiben“, warnt Leisentritt.
Zu seinen eigenen Verwandten, Vorfahren und Namensvettern kann der Zeiler Erbauliches wie Niederschmetterndes vorlegen: Eine Tante bekam für ihr Engagement zugunsten ausländischer Mitbürger das Bundesverdienstkreuz verliehen, ein Leisentritt erhielt während des Ersten Weltkriegs die Goldene Militär-Verdienst-Medaille. Der Domherr Johann Leisentritt erwarb sich im 16. Jahrhundert im Bistum Meißen als Kirchenlieddichter Verdienste. Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten. Mitte des 18. Jahrhunderts schrieb ein Zeiler Pfarrer über einen Leisentritt: „Derselbe hat sich durch seine liderliche Lebensweise schon um sein Vermögen gebracht und seine Familie brotlos gemacht.“ Und als das „Eheweib“ eines Vorfahren im 17. Jahrhundert mit einer Geschlechtsgenossin in Zank und Hader geriet, fällte das Stadtgericht ein salomonisches Urteil: „Weilen es lauter böse Weiber sind und eine soviel Nutz ist als die andere, so sollen sie miteinander in das Narrenhaus gelegt und eins werden und nicht herausgelassen werden, bis sie einander abbitten.“
Ludwig Leisentritt lässt sich angesichts solcher Funde keine grauen Haare wachsen. Er weiß, dass Familienforscher ein gesundes Selbstbewusstsein brauchen und ein Mindestmaß an Nachsicht aufbringen müssen. Dann sind eventuell vorhandene unliebsame Facetten der Familienhistorie leicht verwindbar. Unabdingbar sind außerdem ein langer Atem und viel Geduld. Denn mit Schwierigkeiten wird jeder Anfänger zu kämpfen haben, der sich auf die Reise in die Vergangenheit begibt.
Zum Einstieg in die Familienforschung sind folgende Standardwerke zu empfehlen: Roger P. Minert: Alte Kirchenbücher richtig lesen. Hand- und Übungsbuch für Familiengeschichtsforscher. Wuppertal 2004; Wolfgang Ribbe/Eckart Henning: Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung. Insingen (13. Auflage) 2006; Heribert Sturm: Unsere Schrift. Eine Einführung in die Schriftkunde. Neustadt/Aisch 2005.
Nicht weniger als 1463-mal haben sich allein im Jahr 2007 Familienforscher in das Besucherbuch des Diözesanarchivs Würzburg eingetragen. Lothar Hock zum Beispiel. Er gehört zum Heer der Hobbyforscher, die im Lauf des letzten Jahres im Lesesaal des Diözesanarchivs arbeiteten. „In meiner Schulzeit habe ich für Geschichte kein Interesse gehabt“, erinnert sich der 56-Jährige. Erst die Lektüre von heimatgeschichtlichen Werken habe bei ihm im reiferen Alter Begeisterung für die Vergangenheit geweckt. Wie sich die „große“ politische Geschichte auf die Bewohner eines Ortes oder die Angehörigen einer Familie ausgewirkt hat – diese Frage empfand der pensionierte Fluglotse als so spannend, dass er sich der Familienforschung zuwandte.
Wichtige Anlaufstelle
Vor über zehn Jahren begab sich Lothar Hock zum ersten Mal ins Diözesanarchiv in Würzburg. Zwar lebt der Pensionär schon seit vielen Jahren im nordrhein-westfälischen Kaarst, doch wegen seiner unterfränkischen Herkunft ist das Diözesanarchiv für ihn in Sachen Familienforschung die wichtigste Anlaufstelle. Das Archiv hält für alle Familienforscher mit unterfränkisch-katholischen Wurzeln spezielle Schlüssel für das Tor zur Vergangenheit bereit: Pfarrmatrikeln, in denen Priester über Jahrhunderte Ereignisse wie Taufen, Eheschließungen und Sterbefälle schriftlich festgehalten haben. Jeder Interessent kann die auf Mikrofiche verfilmten Pfarrmatrikeln an den Lesegeräten des Diözesanarchivs sichten. Allerdings stellt das kirchliche Archiv nur Daten aus der Zeit vor 1876 zur Verfügung, denn seither existieren Aufzeichnungen kommunaler Standesämter. Wer Informationen zu familiären Angelegenheiten der letzten 130 Jahre bekommen möchte, muss sich an das zuständige Standesamt wenden.
Die Daten der Standesämter habe er problemlos bekommen, erzählt Lothar Hock. Der Einstieg in die Forschung gestaltete sich also kinderleicht. Bei der Beschäftigung mit den kirchlichen Matrikelbüchern hatte der Ahnenorscher jedoch Hürden zu überwinden: In die Deutsche Schrift, die Pfarrer bei ihren handschriftlichen Eintragungen verwendeten, musste er sich erst hineinfinden. Ferner hatte er sich die immer wieder auftauchenden lateinischen Standardformulierungen anzueignen, denn bis zum Beginn des
19. Jahrhunderts wurden die Matrikelaufzeichnungen in lateinischer Sprache abgefasst. Erfahrungsgemäß sei es für jeden Forscher, so Lothar Hock, „ein harter Schlag“, wenn er gefundene Daten nicht lesen könne. Er selbst behalf sich, indem er zunächst einführende Literatur las und dann mit praktischer Forschungsarbeit seinen Erfahrungsschatz bereicherte.
Wie überall machte auch hier die Übung den Meister. Im Lauf der Zeit gelang es Hock, die Ahnen seiner Mutter bis zum 16. Jahrhundert zurückzuverfolgen. Neueinsteigern empfiehlt er den Besuch von Einführungskursen, zum Beispiel an der Volkshochschule. Eine noch größere Hilfe sieht er darin, sich von jemandem mit Erfahrung anleiten zu lassen und dessen Rat zu suchen. Doch was muss der erfolgreiche Ahnenforscher vor allem mitbringen? Lothar Hock überlegt nicht lange und sagt: „Geduld, Spürsinn, Hartnäckigkeit, Zähigkeit“.
Familienchronik verfasst
Ludwig Leisentritt aus Zeil am Main besitzt diese vier Eigenschaften. Der
70-Jährige verfasste eine ganze Familienchronik, die bis ins Spätmittelalter zurückreicht. Für ein solches Unternehmen reichen die kirchlichen Pfarrmatrikeln alleine nicht aus. Leisentritt zog zahlreiche andere Quellen wie Ehestandsbücher, Ratsprotokolle und Einwohnerverzeichnisse heran, die in staatlichen und kommunalen Archiven aufbewahrt werden. Bis zum Jahr 1348 konnte der ehrenamtliche Leiter des Zeiler Stadtarchivs seine Ahnenreihe zurückverfolgen. Warum er diese Mühen auf sich genommen hat, erklärt Leisentritt so: „Nicht nur Bäume, auch wir Menschen haben Wurzeln.“ Der Weg zu den Wurzeln der eigenen Vergangenheit schenke dem Menschen etwas enorm Wichtiges: Identität. Deshalb könne man als „isoliertes, bindungsloses Einzelwesen auf die Dauer nicht glücklich sein“.
Schwanger vor den Traualtar
Leisentritt kam zugute, dass alle in Deutschland lebenden Träger seines Familiennamens ihre Wurzeln in Zeil am Main haben – eine ideale Ausgangslage für umfassende Forschungsarbeiten. Jede Quelle in Reichweite zog Leisentritt heran, einschließlich der so genannten „Gotteshausrechnungen“ im Zeiler Stadtarchiv. Sie geben Aufschluss über das Privatleben von Bürgern der Stadt im 18. Jahrhundert. Nicht selten kam es damals vor, dass ein Paar beim Pfarrer das Aufgebot bestellte, als der Nachwuchs bereits unterwegs war. Vom Pfarrer wurde dann schriftlich vermerkt, welche Strafzahlung der Mann zu entrichten hatte, „welcher seine Frau geschwächet zur Kirch geführt“. Die Eheschließung folgte, nachdem die Rechnung beglichen war.
Vorsicht vor Erwartungen
Überhaupt warnt Leisentritt jeden Familienforscher vor der verqueren Erwartung, allerlei Ruhmreiches und Ehrbares über den eigenen Stamm ans Licht zu heben. „In der Regel wird man bei den Recherchen feststellen, dass die Vorfahren fast allesamt in misslichen Verhältnissen gelebt haben“, meint der Hobbyhistoriker. Die Not früherer Zeiten habe dazu geführt, dass viele Leute Felddiebstähle begingen oder als Bettler und Landstreicher umherzogen. „Wer sich dann in seinem Selbstwertgefühl verletzt sieht, sollte keine Familienforschung betreiben“, warnt Leisentritt.
Zu seinen eigenen Verwandten, Vorfahren und Namensvettern kann der Zeiler Erbauliches wie Niederschmetterndes vorlegen: Eine Tante bekam für ihr Engagement zugunsten ausländischer Mitbürger das Bundesverdienstkreuz verliehen, ein Leisentritt erhielt während des Ersten Weltkriegs die Goldene Militär-Verdienst-Medaille. Der Domherr Johann Leisentritt erwarb sich im 16. Jahrhundert im Bistum Meißen als Kirchenlieddichter Verdienste. Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten. Mitte des 18. Jahrhunderts schrieb ein Zeiler Pfarrer über einen Leisentritt: „Derselbe hat sich durch seine liderliche Lebensweise schon um sein Vermögen gebracht und seine Familie brotlos gemacht.“ Und als das „Eheweib“ eines Vorfahren im 17. Jahrhundert mit einer Geschlechtsgenossin in Zank und Hader geriet, fällte das Stadtgericht ein salomonisches Urteil: „Weilen es lauter böse Weiber sind und eine soviel Nutz ist als die andere, so sollen sie miteinander in das Narrenhaus gelegt und eins werden und nicht herausgelassen werden, bis sie einander abbitten.“
Ludwig Leisentritt lässt sich angesichts solcher Funde keine grauen Haare wachsen. Er weiß, dass Familienforscher ein gesundes Selbstbewusstsein brauchen und ein Mindestmaß an Nachsicht aufbringen müssen. Dann sind eventuell vorhandene unliebsame Facetten der Familienhistorie leicht verwindbar. Unabdingbar sind außerdem ein langer Atem und viel Geduld. Denn mit Schwierigkeiten wird jeder Anfänger zu kämpfen haben, der sich auf die Reise in die Vergangenheit begibt.
Zum Einstieg in die Familienforschung sind folgende Standardwerke zu empfehlen: Roger P. Minert: Alte Kirchenbücher richtig lesen. Hand- und Übungsbuch für Familiengeschichtsforscher. Wuppertal 2004; Wolfgang Ribbe/Eckart Henning: Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung. Insingen (13. Auflage) 2006; Heribert Sturm: Unsere Schrift. Eine Einführung in die Schriftkunde. Neustadt/Aisch 2005.