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Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt erfahren Sie im Sonntagblatt.

    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Wie wichtig ist uns die Tradition der Heiligen Familie unterm Christbaum heute noch?

    Von der Bedeutung der Krippe

    Das Moos ist weniger geworden. Zumindest das vom letzten Jahr. Und die Könige sind verschwunden. Wir sind daheim dennoch guter Dinge – neues Grün haben wir in weiser Voraussicht schon im Herbst gesammelt, es trocknet in der Garage vor sich hin. Und die Könige – wer weiß, vielleicht sind sie längst auf Wanderschaft im Wohnzimmerschrank und ich habe es nicht mitbekommen.

    Dann geht es zuerst an den Aufbau unserer Krippe. Mein Mann hat sie mit in die Ehe gebracht, ein Erbstück seiner Tante und seines Onkels. Letzterer hat den Stall selbstgebaut, die Figuren entstammen der Rhöner Krippentradition. Vor mehr als dreizehn Jahren ist die Krippe dann von Unterfranken nach Schwaben gewandert. Und von da an gehörte sie unter unseren Christbaum. Umrahmt von Immergrün schaute sie alljährlich unter den Zweigen hervor. Doch in diesem Jahr machen wir es anders. Traditionserweiterung gewissermaßen. Bisher verließen Stall und Figuren immer erst am Heilig Abend den Karton. Mit kleinen Kindern war es uns zu riskant, lieber wanderte die Playmobilkrippe schon im Advent samt Inventar und Bewohnern kreuz und quer durchs Wohnzimmer.

    Heuer mal ganz anders

    Heuer dagegen wollten wir unsere „echte“ Krippe schon im Advent im Wohnzimmer aufstellen. Die Kinder sind mit neun und fünf Jahren an der biblischen Geschichte interessiert und da werden wir als Eltern nun den Tipp von Krippenschnitzer Thomas Eyring in Weisbach-Oberelsbach in der Rhön beherzigen: „Stellen Sie Ihre Krippe für die Kinder gut sichtbar etwa 50 bis 60 Zentimeter hoch auf einen Tisch, auf dem Boden ist sie nicht so gut sichtbar.“ Bisher war sie dort für die Jüngere besser anzuschauen und die Figuren fielen nicht so tief, wenn sie doch einmal den Stall verließen.

    Thomas Eyring hat Erfahrung, wie eine Krippe gut zur Geltung kommt. Er schnitzt sie in fünfter Generation und sagt, die Tradition, eine Krippe mit der Heiligen Familie unter dem Christbaum aufzustellen, ist nach wie vor sehr aktuell. Das zeige ihm seine Kundschaft, darunter gerade auch jüngere Familien. „Früher war es üblich, dass im Wohnzimmer eine Krippe aufgestellt wurde; heute wollen die Jungen die Tradition in ihrer Familie fortführen. Ich merke das daran, dass wir viel zu schnitzen haben. Und es kommen viele Jüngere und kaufen sich eine Krippe.“ Nicht selten sparten sich Familien Jahr für Jahr eine Figur zusammen, um ihre eigene Krippe zu erweitern. Darum sei es schade, dass man den Stall nur für wenige Tage unter den Christbaum stelle. Das dachten auch wir uns. Und so wanderte ein momentan ungenutzter niedriger Gartentisch in eine Wohnzimmerecke und wurde entsprechend hergerichtet.

    Der Brauch, Krippen im privaten Bereich aufzustellen, kam im 19. Jahrhundert auf, zunächst vor allem in katholischen Gebieten. Das berichtet Anja Schöne, Museumsleiterin des Westfälischen Museums für religiöse Kultur „religio“ in Telgte. „Als Brauch der Gegenreformation wurde in evangelischen Kirchen und Haushalten der Brauch erst zögerlich aufgenommen. Ich meine, dass in der Familie von Theodor Storm schon früh eine Krippe stand, aber im katholischen Münsterland haben evangelische Kirchengemeinden erst in den letzten 20 Jahren Krippen für ihre Kirchen erworben.“ Heute gibt es Krippen überall dort, wo es Christen gibt. Weltweit haben sich dabei regionale Unterschiede gebildet.

    Etwas Magisches

    Dass Krippen in der Gegenwart einen großen Zulauf haben, spürt auch Martin Königsdorfer, Leiter der Krippenbauschule in Garmisch. Gerade jüngere Leute kommen zu ihm, um unter Anleitung einen Krippenstall anzufertigen. Seine Absolventen, so verrät der Krippenbaumeister, sind stets so begeistert vom Ergebnis der mehrtägigen Kurse, dass sie ihre Krippen am liebsten schon Wochen und Monate vor Weihnachten daheim aufstellen möchten. „Eine Krippe hat etwas Magisches an sich.“ Nicht umsonst – da sei er sicher – stellten so viele einen Stall auf, inszenierten Krippenwege, gestalteten Krippen in Schaufenstern, druckten sie auf Karten und Bilder. „Ob die Krippe aus der Tradition heraus oder ein klassisches Überbleibsel der früheren Zeit ist, das hängt mit der Einstellung der Familie zusammen. Aber man merkt schon, dass sich diejenigen, die sich mit der Krippe beschäftigen, auch über den Beweggrund Gedanken machen – die Geburt Jesu ist unsere Glaubenswurzel.“

    Abgesehen von der Krippe, die in meiner Herkunftsfamilie unter dem Christbaum stand, gab es für mich immer auch den engen Bezug zur Krippe in unserer Pfarrkirche. Mein Vater war jahrzehntelang Mesner, und so half ich im Advent dabei, die Krippe aufzubauen: Ich durfte die großen, bekleideten Figuren behutsam quer durch die Kirche zur Krippe tragen und dort platzieren. Und es war immer ein eindrucksvolles Tun schon als Kind, denn das Geschehen in diesem einfachen Stall wurde erlebbar. Martin Königsdorfer beschreibt es so: „Kinder gehen auf Entdeckungsreise; da passiert etwas an der Krippe. Es ist nicht nur das kleine Kind in der Krippe zu sehen, sondern es gibt viel zu staunen. Und für uns Erwachsene hat das wiederum Charme, weil Kinder die Krippe mit anderen Augen betrachten.“ Krippen sind viel mehr, als nur religiöser Zierrat unter dem festlich geschmückten Christbaum. Und auch unsere Kinder erinnern mich daran. „Wo darf das Schäfchen grasen?“ Die Fantasie spielt mit, wenn sie sich laut fragen, „was passierte wohl, bevor der Hirte am Stall angekommen ist?“ – „Hören seine Tiere auch auf ihn oder laufen sie ihm weg, während er das Jesuskind an der Krippe besucht?“ Eine Fünfjährige hat eine rege Fantasie ...

    Lebendiges Heilsgeschehen

    „Das ist ja das Tolle daran, dass die Krippe eine Geschichte erzählt. Auch Franz von Assisi wollte 1223 die Krippe im Wald greifbar für jeden machen, weil auf diese Weise auch die einfachen Leute, die nicht lesen konnten, so die Geschichte verstehen und das Heilsgeschehen begreifen konnten.“ Martin Königsdorfer geht noch weiter. Mit zahl­rei- chen Krippendarstellungen – mit der Art des Stalles, der Landschaft, den Tieren und der Art ihrer Darstellung – machen wir die Krippe zu unserer Heimat. „Warum bauen wir heimatliche Krippen? Und das, obwohl die Bibel es uns in einer anderen Gegend beschreibt? Wir möchten einen Bezug herstellen. So ist die Krippe nichts fremdes, ich kann mich damit identifizieren. Der regionaltypische Baustil wurde transportiert damit man wahrnimmt, dass Gott überall ist und das Christuskind auch im Stall um die Ecke auf die Welt kommen kann.“

    Unsere Krippe wandert eine Weile durchs Wohnzimmer, der Platz des Tisches ist noch nicht ideal. Aber dann ist sie mittendrin. Jeder kann sie dort sehen. „Die Krippe schafft einen Bezug zum Menschen, sie ist nichts Fremdes. Das soll uns in gewisser Weise in unserer Glaubenseinstellung und in unserem Alltag stärken, denn das ist etwas, das auch mir gut tut.“ Davon ist Martin Königsdorfer überzeugt. Jedem Kurs-Teilnehmer werde klar – schildert der Lehrer – dass der Bau einer Krippe weit mehr ist als eine Art Modellbau. „Wir bauen eine Krippe mit einem Sinn, einer Aussage, mit einem Gefühl und einer gewissen Werteinstellung gegenüber dem Glauben. Und das stelle ich im Unterricht heraus. Liebe, Geborgenheit und Zufriedenheit, Ruhe und ein Kraftpol in der hektischen Weihnachtszeit, dass man kurz einige Minuten vor der Krippe innehält.“

    Dafür nehme auch ich mir kurz Zeit und setze mich vor unsere Krippe. Denn einmal mehr geht es einzig um das Kind im Stall, in seiner Einfachheit. Warm gebettet und geborgen ruht es – zwar nur in einer Futterkrippe, aber nahe bei seinen Eltern. Doch die Unruhe in mir ist nicht weg, denn die Könige sind noch immer nicht aufgetaucht. Gut, sie haben noch einige Tage Zeit ... Immerhin ist ihr Kamel schon auf dem Fernsehboard angekommen. Dafür hat unsere Tochter gesorgt.     

    Judith Bornemann