Schmerzliche Erinnerung
Andere Menschen verbinden mit dem Wort Heimat eher die schmerzliche Erinnerung an eine verlorene Heimat. So wie Ludmilla und Arcadi aus Armenien, die sich vor dem Bild ihres Freundes und Landsmannes Doiuchanyan Gago fotografieren lassen. Mit spärlichen Worten, aber strahlenden Augen deuten die beiden Flüchtlinge auf die Kulturdenkmäler ihrer Heimat: den Berg Ararat, die Arche Noah, den Tempel Khor Virap und die Genozid-Gedenkstätte Yerevan. All das ist jetzt weit weg – und ob Doiuchanyan, Arcadi und Ludmilla eine neue Heimat in Deutschland finden, liegt in erster Linie an uns. Ähnliche Erfahrungen mit dem Heimat-Begriff macht auch die Künstlerin Melinda Hillion aus Mainstockheim. In ihrem Atelier arbeitet die gebürtige Bretonin ehrenamtlich mit Kindern und Flüchtlingen aus aller Herren Länder und trägt so dazu bei, dass diese eine neue Heimat finden können. „In ihren Bildern lassen uns die Kinder einen Blick in ihr Zuhause und in ihr Herz werfen“, so Hillion. Die zehnjährige Shahed aus Syrien etwa hat ihre Oma Zahra auf einem fliegenden Teppich gemalt; ihre Mutter und ihren Bruder musste Shahed in Syrien zurücklassen. Für andere Aussteller ist Heimat eher ein Gefühl. So könnte das Licht- und Schattenspiel menschlicher Silhouetten, das Ute Steigerwald ausstellt, auf der ganzen Welt entstanden sein, denn: „Heimat ist für mich nicht an einen Ort gebunden, sondern bedeutet eher ein Gefühl von Vertrautheit und Verbundenheit zwischen Menschen. Menschen, die man gerne hat, die man liebt, denen man vertraut“, sagt sie. Sehr emotionale Assoziationen hat auch Caritas-Mitarbeiterin Sabrina Göpfert: „Heimat ist für mich die Erinnerung an meinen Lieblingssport aus Kindheitstagen. Musik und Tanz vermitteln mir ein Gefühl von Geborgenheit.“Von einem doppelten Heimat-Begriff spricht Weihbischof Ulrich Boom. Für ihn ist Heimat nicht nur „dort, wo ich herkomme und geboren wurde“, sondern auch „da, wo ich sein werde am Ende meines Lebens“. Auch die Dekanin des Evangelisch-Lutherischen Dekanats Würzburg, Dr. Edda Weise, bindet Heimat nicht an einen bestimmten Ort, sondern an ihren Glauben: „Dass ich überall auf der Welt Menschen finde, die mit mir glauben und Kirche sind, ist für mich eine Quelle von großer Kraft. Selbst wenn ich nach Afrika fahre, treffe ich dort Brüder und Schwestern im Glauben. In der weltweiten Gemeinschaft der Christinnen und Christen bin ich daheim.“ Für Bischof Friedhelm bedeutet Heimat „sich zu Hause fühlen, angenommen sein, Liebe weiter schenken“. Wenn das gelingt, erhalte man gar „einen Vorgeschmack vom Himmel“.
Gegenseitige Hilfe
Ausgesprochen viele Akteure und Künstler betonen in ihren Bildern, Collagen und Texten den menschlichen Aspekt: persönliche Verbundenheit, liebenswerte Vertrautheit, Menschen, die miteinander leben und einander helfen. Heimat ist „da, wo Fremde zu Freunden werden“, kommentiert etwa Pastoralreferentin Marion Egenberger aus Kleinostheim ihr buntes Begegnungsbild. Auch der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt lenkt mit dem Beitrag der Stadt Würzburg „High 5 – colour your life“ den Blick auf die menschliche Vielfalt der modernen Stadtgesellschaft. Das etwa sechs Meter lange Stoffbanner ist mit farbenfrohen Handabdrücken von Menschen vieler Nationen bedruckt, die in Würzburg beheimatet sind. Während vor 80 Jahren noch vor allem alteingesessene Familien in der Stadt wohnten, sei es heute eine bunte Mischung aus ausländischen Mitbürgern, Migranten, Studenten, Neu-Würzburgern und Einheimischen. „Würzburg ist zu einem Ort geworden, der für viele Heimat bietet“, so Schuchardt.Verbundenheit
Die Verbundenheit von Menschen ist auch für Dr. Paul Beinhofer zentrales Erkennungsmoment von Heimat: „Niemand kann allein Heimat sein, Heimat ist man stets gemeinsam mit anderen Menschen, die füreinander einstehen und einander helfen.“ Für den Regierungspräsidenten spielen außerdem die Landschaft und ihre Bauten, kulturelles Erbe, Geschichte, Riten und Brauchtum eine wichtige Rolle. All diese Aspekte finden sich in seinem Beitrag wieder – eine bunte Collage aus Landschaft, Architektur, Brauchtum und menschlicher Solidarität. Sie zeigt, wie sehr der gebürtige Münchner bereits in Unterfranken verwurzelt ist, denn: „Heimat ist dort, wo sich Menschen mit der Region und ihren Mitmenschen besonders verbunden fühlen.“ Am Ende des Rundgangs werden dem Betrachter vor allem zwei Dinge klar, nämlich: Den einen Aspekt von Heimat gibt es letztlich nicht – die Mischung macht’s! Und: „Wir müssen Heimat gemeinsam gestalten, damit sie lebens- und liebenswert ist“, wie es Domkapitular Clemens Bieber treffend formuliert. Anja LeggeWann und Wo?
Die Ausstellung „Zusammen sind wir Heimat“ ist bis zum 12. Januar 2018 im Würzburger Caritashaus (Franziskanergasse 3) zu sehen.
Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag von 9 bis 17 Uhr und Freitag von 9 bis 13 Uhr.
Zur Ausstellung ist auch ein Katalog erschienen.