Verbindung von Tradition und Offenheit
Es hat sicher manche Skeptiker gegeben, als Stanislaw Dziwisz, der langjährige Sekretär von Johannes Paul II., auf den Erzbischofsstuhl von Krakau berufen wurde. Sind die Schuhe, die einst Karol Wojtyla getragen hat, nicht zu groß für ihn? So fragten sich Beobachter in Rom wie in Polen. Bietet sich nicht gerade bei ihm der Vergleich mit dem Papst ständig an – zu seinem Nachteil wie zu jenem der Erzdiözese? Inzwischen weiß man in Polen und darüber hinaus, was man an Kardinal Dziwisz hat – und wenn Johannes Paul II. wirklich vor seinem Tod dessen Ernennung zum Krakauer Erzbischof initiiert haben sollte, wäre dies auch ein Zeichen für die Weitsicht des Papstes. Dziwisz, der jetzt 70-Jährige, ist sich bewusst, dass er Karol Wojtyla nicht imitieren darf. Aber er bringt aus seiner Nähe zu Johannes Paul II. heraus weltkirchliche Weite und innerkirchliche Erfahrung in sein Land, ohne gleichzeitig die gerade für Polens Kirche so wichtigen Elemente der nationalen Verbundenheit und Volksfrömmigkeit gering zu achten. Diese Haltung wirkt sich nicht nur positiv bei Verhandlungen mit der Regierung aus, wo er mit dafür sorgt, dass keine überzogenen kirchlichen Ansprüche gestellt werden, sondern ebenso bei Stellungnahmen der Kirche zu internationalen Fragen, wo er – ähnlich wie die deutschen Bischöfe – eindeutig für den Einigungsprozess Europas eintritt, bei Fragen der Bioethik oder der Familie aber die kirchliche Linie herausstellt. Eine Hilfe ist dabei die in Krakau ansässige Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny“ mit ihrer gemäßigt offenen Haltung. So ist Kardinal Dziwisz ein Garant dafür, dass Polens Kirche weiter auch den Nachbarländern etwas schenken kann: Christen mit einem der Tradition und ihrer Nation verbundenen Katholizismus, für die Messbesuch und Sakramentenempfang – auch der Beichte – keine Ausnahme sind, deren Formen der Volksfrömmigkeit ansteckend wirken können. Es gehört keine große Prophetie dazu vorauszusagen: Bald wird Johannes Paul II. zur Ehre der Altäre erhoben. Kardinal Dziwisz sorgt mit dafür, dass die Polen keinen bloßen Nationalhelden verehren, sondern einen Mann Gottes.