Evangelium
Als Judas vom Mahl hinausgegangen war, sagte Jesus: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht und Gott ist in ihm verherrlicht. Wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen und er wird ihn bald verherrlichen.
Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch. Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.
Johannesevangelium 13,31–33a.34–35
Nur zu Gast sein – das kam für Christof Mikolajetz nicht infrage. Entweder wollte er für immer in Bolivien leben oder gar nicht. Er hat etliche Priester aus Deutschland kennengelernt, die immer wieder ein paar Jahre im Ausland, ein paar Jahre in ihrem deutschen Bistum waren. Das war nichts für ihn. „Entweder, oder“, sagt er. Nach seinem Theologiestudium in Eichstätt ging er Ende der 1980er Jahre zunächst als Missionar auf Zeit nach Bolivien. Und entschied sich zu bleiben. Der Bischof der Diözese Sucre nahm ihn als Priesteramtskandidaten an und spendete ihm 1993 die Priesterweihe.
Jetzt gehört er zum Bistum Sucre und leitet mit zwei einheimischen Priestern zwei katholische Pfarreien in Monteagudo. Die Kleinstadt im Süden des Landes liegt auf 1200 Metern Höhe und wird das Tor zum Chaco genannt, zum trockenen Teil des Tieflandes. In dem Gebiet mit Trockenwäldern und Bergen bis zu 2500 Metern leben fast 25 000 Menschen.
Mit den Reiseberichten des Apostels Paulus kann Mikolajetz deshalb eine ganze Menge anfangen. An diesem Sonntag berichtet der Evangelist Lukas in der Apostelgeschichte, dass Paulus und Barnabas nach Lystra, Ikonion und Antiochia zurückgekehrt sind. Zuvor waren sie von Perge nach Antióchia in Pisídien unterwegs, um zu predigen. Diese Strecke von etwa 200 Kilometern in der heutigen Türkei war noch eine der kürzeren Distanzen.
Zwar musste der reisefreudige Apostel über 1000 Höhenmeter überwinden. Dennoch hat er den Weg wahrscheinlich in ein paar Tagen zu Fuß geschafft. Insgesamt aber steuerte Paulus auf seinen Missionsreisen Ziele im gesamten östlichen Mittelmeerraum an. Zu Land und zu Wasser soll er schätzungsweise 16 000 Kilometer zurückgelegt haben.
Sie reisen immer zu zweit
Fast 2000 Jahre später hat es Mikolajetz auf seinen Reisen weniger weit, ein bisschen bequemer, ein bisschen weniger gefährlich, aber nicht weniger abenteuerlich. Sie fahren mit ihrem Geländewagen immer zu zweit in ihre 86 Außenstationen, erzählt er am Telefon. Der eine setzt den anderen in einem Ort ab, wo er Eucharistie feiert und Sakramente spendet, und fährt dann weiter in den Nachbarort, wo er dasselbe tut. Abends holt er seinen Mitbruder wieder ab. Übernachten können sie in den Gemeinden oder in den örtlichen Gesundheitsstationen. Schlafsack und Matte haben sie immer dabei.
Sie sind jeweils eine Woche unterwegs und beginnen ihren Besuche Sonntagabend oder Montagfrüh. Von Monteagudo fahren sie bis in die entfernteste Gemeinde auf ihrer Route. Das können bis zu 140 Kilometer sein. Wie lange die Reise dauert, hängt davon ab, ob es vorher geregnet hat. „Wenn der Weg trocken ist, brauche ich sechseinhalb bis sieben Stunden“, erzählt Mikolajetz.
Seit einigen Jahren führen Straßen auch in die hintersten Orte. „Ganz, ganz wilde Feldwege“, sagt Mikolajetz. Davor war es noch schwieriger. „Wir sind mit dem Auto bis dahin gefahren, wo der Weg zu Ende war. Dann haben uns die Gemeindemitglieder mit dem Pferd abgeholt.“ Auf dem Pferderücken ging es noch mehrere Stunden durch weglose Landschaft. Unterwegs mussten Flüsse durchquert werden. „Wenn der Fluss zu viel Wasser hatte, haben sie uns mit dem Boot abgeholt. Das ist so eine Art Kanu, aber aus Blech“, erzählt Mikolajetz.
Einmal hat ein Jugendlicher am Fluss auf ihn und seinen damaligen Kaplan gewartet. Der Kaplan konnte nicht schwimmen. „Und wie das Boot nur ein bisschen gewackelt hat, hat der zu schreien angefangen“, erzählt Mikolajetz. Das habe dem Jugendlichen „noch besser gepasst und er hat es extra wackeln lassen“. Auch mit dem Motorrad seien sie schon unterwegs gewesen. „Also fast wie bei Paulus“, sagt er und lacht.
Nun, mit den neuen Straßen, ist es etwas einfacher. Mit ihrem Geländewagen mit dem Allradantrieb kommen sie fast durch jeden Schlamm. Wenn es geregnet hat und viele Wege von Erdrutschen verschüttet sind, muss sich Mikolajetz auf den Rat der Leute in den Gemeinden oder in den Gesundheitsstationen verlassen. Die sagen ihm dann: „Warte noch! Da kommst du jetzt nicht hin. Du brauchst es gar nicht versuchen.“ Oder: „Ja, es ist schwierig, aber man kommt durch.“ Eine Schaufel und eine Hacke haben sie jedenfalls immer dabei, um sich da, wo es möglich ist, einen Weg zu bahnen.
Weite Wege für die Gläubigen
Überhaupt können sie die meisten Gemeinden nur in der Trockenzeit von Mai bis November besuchen. In der Regenzeit, wenn viele Straßen von Erdrutschen verschüttet sind, ist es so gut wie unmöglich.
Mühevolle Wege haben aber nicht nur Mikolajetz und sein Begleiter. Denn auch viele Gemeindemitglieder wohnen nicht im Gemeindezentrum, sondern in Streusiedlungen drumherum. Sie nehmen bis zu zwei Stunden Fußweg auf sich, um zum Gottesdienst zu kommen. Und nicht nur, wenn die Priester da sind. In etwa einem Drittel der Gemeinden halten Katecheten jeden Sonntag einen Wortgottesdienst, zu dem sich die Menschen versammeln.
Bevor Mikolajetz sich zu den Gemeinden auf den Weg macht, hält er sich daher an Paulus: „Ich spreche mein Gebet und bitte den Herrn, dass er mich begleitet. Bis jetzt ist mir auch nie etwas Größeres passiert“, sagt er. Dann erzählt er, dass einmal der Fluss ihn und sein Auto mitgerissen hat. Es habe ihn ein paar Meter abgetrieben, aber es sei zum Glück glimpflich ausgegangen: „Wir sind dann zum Fenster raus, weil das Wasser schon im Auto stand.“
Barbara Dreiling