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    „Top, die Wette gilt!“

    Gemeinsam wollen die leidenschaftlichen Handarbeiterinnen den längsten Schal für Bedürftige stricken. Initiatorin der ungewöhnlichen Idee ist Ingrid Pollak, seit über 20 Jahren ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Justizvollzugsanstalt Würzburg.

    Bedächtig nimmt Hildegard Pfeuffer aus Würzburg die nächste Masche auf die Nadel und lässt den bunten Streifen unter ihren Händen wieder ein kleines Stückchen wachsen. Jeden Montag nimmt die alleinstehende Frau mit ihrem Rollator den mühsamen Weg aus dem unteren Frauenland nach Grombühl auf sich, um unter Gleichgesinnten zu stricken und nicht alleine zu sein. Ihr gegenüber sitzt Margarethe Breitenberger aus Zell, Geschäftsfrau und Autohausbesitzerin; obwohl sie 30 Jahre lang keine Stricknadeln mehr in der Hand hatte, produziert sie seit Monaten mit Feuereifer Schals am laufenden Meter. Ein paar Stühle weiter wickelt die 74-jährige Else Schwind Wolle auf und lässt derbe Witze vom Stapel. Die eng auf eng um sie herum hockenden Damen kugeln sich vor Lachen und stricken emsig weiter – Masche für Masche, Schal für Schal.

    Stricktreff im „Ruck Zuck“

    Seit Februar 2011 treffen sich die strickbegeisterten Frauen jeden Montag bei Agnes Kotek in der Änderungsschneiderei „Ruck Zuck“ im Würzburger Stadtteil Grombühl. „Kommen kann jeder, der Spaß am Stricken hat“, sagt die Schneiderin, deren kleiner Laden mit Wasch- und Bügelservice mittlerweile zum wichtigen Kontaktpunkt geworden ist. Die Freude am Handarbeiten ist es auch, was die bunt zusammen gewürfelte Gruppe verbindet: Hausfrauen und Pensionärinnen, Strickprofis und Witwen, aber auch Frauen mit geringem Einkommen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen.

    Gemeinsam wollen die leidenschaftlichen Handarbeiterinnen den längsten Schal für Bedürftige stricken. Initiatorin der ungewöhnlichen Idee ist Ingrid Pollak, seit über 20 Jahren ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Justizvollzugsanstalt Würzburg. Die gelernte Erzieherin macht dort Besuche, begleitet Häftlinge auf Freigang und leitet eine Kreativgruppe für Männer. Mit der hat sie im vergangenen Jahr die Ausstellung „Lebensbrüche“ auf die Beine gestellt, die in Würzburg und Aschaffenburg zu sehen war.

    Bekräftigt durch den Erfolg und die positive Wirkung auf die inhaftierten Künstler hat die rührige Lengfelderin Anfang 2011 ein neues Projekt aus der Taufe gehoben: Im Gespräch mit in der JVA Würzburg inhaftierten Frauen kam die Idee auf, gemeinsam zu stricken – doch nicht für sie selbst, sondern für Menschen, denen es noch schlechter geht. „Trotz ihrer eigenen schwierigen Situation haben diese Frauen den Blick auf andere Hilfsbedürftige nicht verloren und wollen sich für Menschen in Not einbringen“, resümiert Ingrid Pollak die Motivation der Schalstrickerinnen. Die setzten spontan noch eins drauf und beschlossen, so viele Schals zu stricken, dass die Schalkette einmal um die JVA reicht.

    Ein mutiges Ziel, gemessen an 1,6 Kilometern Außenmauer. Gefängnisdirektor Robert Hutter schüttelte zunächst ungläubig den Kopf, hielt dann aber dagegen und spornte die Frauen mit einer Wette an. Seitdem heißt es in der JVA: „Top die Wette gilt!“

    Schnell wurde klar, dass das ehrgeizige Ziel nur mit Hilfe von „draußen“ zu erreichen ist. Auf Anregung von Julia Pufahl entstand parallel zum JVA-Strickkreis das Pendant in Grombühl. Der jungen Frau ist es ein Anliegen, die Inhaftierten nicht aus dem Blick zu verlieren: „Diese Menschen sind nicht nur schlecht. Jeder hat eine zweite Chance verdient“, sagt sie aus Erfahrung.

    Rasch schlug die Gefängniswette bundesweit Wellen. „Aus ganz Deutschland erreichen uns Wollspenden“, schwärmen die Frauen. Seniorenkreise, Altenheime, Schulen und Privatleute haben zu stricken begonnen. Sogar aus Italien, Österreich und der Schweiz sind schon Schals eingetrudelt. Und schließlich haben auch Radio, Fernsehen und Presse aus dem ganzen Bundesgebiet mehrfach über die Aktion berichtet. „Das bringt uns nicht nur Öffentlichkeit, sondern zeigt den Gefangenen: Durch eure Idee könnt ihr etwas bewegen!“, freut sich Pollak.

    Wette locker gewonnen

    Bereits jetzt haben die Strickerinnen ihre Wette locker gewonnen. Zum großen Finale am 15. Oktober soll eine Leine rund um das Gefängnis gespannt werden, auf der die Schals mit Wäscheklammern befestigt werden. Verschiedenste Hilfsorganisationen werden die Schals dann entgegennehmen und an Bedürftige weitergeben.

    Das Gewinnen der Wette ist für die Frauen aber noch lange kein Grund aufzuhören: „Zum einen ist über die Strickaktion ein soziales Netz entstanden, das viele Menschen wärmt“, erzählt Ingrid Pollak. Die Frauen telefonieren miteinander, unternehmen Ausflüge, feiern Geburtstage. Viele sind „einfach froh, dass sie gebraucht werden“, und so manches Telefongespräch wird zum Seelsorggespräch.

    Neues Projekt angedacht

    „Zum anderen haben wir Berge an Wollspenden bekommen, so dass wir einfach weiterstricken müssen“, fährt Pollak fort. Als nächstes wollen sich die Frauen für Kinder und Jugendliche stark machen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Im Rahmen des Projekts „Wunschbaum“ dürfen sich Kinder aus bedürftigen Familien kleine Geschenke aus Wolle wünschen – einen Pullover, eine Puppe, ein Spielzeug. „Dazu brauchen wir unsere alten, aber auch neue Mitstreiter“, wirbt Pollak und ist zugleich felsenfest überzeugt: „Es wird wieder etwas Neues entstehen, an das wir jetzt noch gar nicht denken! Lassen wir uns einfach vom Wort Gottes leiten: Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan!“

    Infokasten

    Neue Strickerinnen sind jederzeit herzlich willkommen. Außerdem werden noch große Mengen an Klammern und Wäscheleinen benötigt. Stricktreff: Jeden Montag von 8.30 bis 11.30 Uhr in der Änderungsschneiderei „Ruck Zuck“, Brücknerstraße 15, 97080 Würzburg. Weitere Annahmestellen (bunte Wolle, Stricknadeln, Schals, Wäscheklammern, Wäscheleinen): Ingrid Pollak, Pilziggrundstraße 71a, 97076 Würzburg. Telefon: 0931/272397. Apotheke am Realmarkt, Industriestraße 7, 97076 Würzburg. Wollmarkt, Marktgasse 1, 97070 Würzburg. Wolle Rödel, Kaiserstraße 9, 97070 Würzburg. Caritas, Franziskanergasse 3, 97070 Würzburg. Diakonie, Friedrich-Ebert-Ring 24, 97072 Würzburg.