Ab Anfang Dezember steht der Hof von Marco Gelowicz voller Weihnachtsbäume. Etwa 450 Bäume verkauft der Rimparer Landwirt je Saison, außerdem „einen Haufen Wedel und Schnittgrün“ sowie die begehrten Mistelzweige. Um Qualität und Frische seiner Bäume zu gewährleisten, fährt Gelowicz bereits im August in den Spessart, um auf der Christbaum-Plantage jeden einzelnen Baum auszuwählen, zu kennzeichnen und festzulegen, wann geschlagen und geliefert wird.
„Der Trend geht auch heuer zur Nordmanntanne, weil sie nicht so schnell rieselt“, berichtet Gelowicz, der das Jahr über Weizen, Dinkel, Raps und Kartoffeln anbaut, eine Obstkelterei betreibt und Brennholz verkauft. Ebenso als Christbaum nachgefragt sind die gemeine Rotfichte, die silbern schimmernde Nobilistanne, die stachelige Blautanne mit ihrem typischen Duft und sogar die langnadelige Schwarzkiefer. Bereits am ersten Advent werden Christbäume gekauft.
Festschmaus statt Feuer
„Meist sind das Ladenbesitzer oder Leute, die zu Weihnachten verreisen und deshalb schon im Advent einen Baum aufstellen“, berichtet Gelowicz. Richtig rund geht es aber ab dem dritten Advent. „Zu 90 Prozent bestimmen die Frauen, welcher Baum ins Wohnzimmer darf“, verrät der Landwirt. Und: Je mehr Familienmitglieder dabei sind, desto länger dauert‘s.
Richtig spannend wird es am 24. Dezember: „Reichen die Bäume oder bleiben welche übrig?“, lautet die bange Frage. „Wenn es gut läuft, stehen an Heiligabend noch fünf Stück auf dem Hof“, berichtet Gelowicz, aber auch 25 seien schon übrig gewesen. Weil die Bäume „für Brennholz eindeutig zu schade“ sind, machte sich Gelowicz vor drei Jahren auf die Suche nach einer besseren Lösung. Als ihm Jochen Liepold erzählte, dass seine Schafe und Ziegen auf Tannengrün stehen, war die Sache klar. Und so fährt Marco Gelowicz die restlichen Bäume noch an Heiligabend zu den Vierbeinern.
Fichte, Tanne, Kiefer und Lärche
Vor allem für Ziegenbock Ernst und seine Geißen Bärbel, Nena, Bunte und Maja ist das frische Tannengrün ein Festschmaus; doch auch die fünf Merino- und Coburger Fuchsschafe, die von Schafbock Silvester angeführt werden, sind sichtlich interessiert. Besonders hoch im Kurs stehen die jungen Triebe von Fichte, Tanne, Kiefer und Lärche, aber auch größere Zweige werden hingebungsgvoll „zamgekieft“.
Sogar die Rinde und das Harz scheinen zu schmecken, so dass am Ende nur noch abgenagte Stämme übrig sind, die schließlich zu Hackschnitzeln verarbeitet werden. Das Nadelholz ist für die Vierbeiner übrigens nicht nur ein Leckerbissen, sondern gerade im Winter ein guter Vitaminlieferant.
Tiere als perfektes Hobby
1990 hat Jochen Liepold die Tiere von seinem Schwiegervater übernommen. Für den Krankenpfleger in Altersteilzeit ist der Umgang mit den Tieren das perfekte Hobby. „Ich liebe es draußen zu sein und im Einklang mit der Natur zu leben“, schwärmt er. Das ganze Jahr über führt er seine Tiere auf die umliegenden Streuobstwiesen und verhindert deren Verbuschen. Niedere Gehölze an den Rändern bleiben bewusst stehen, weil sie Vögeln, Kleintieren, Insekten und Hasen Unterschlupf und Nahrung bieten.
Mit der Beweidung trägt Liepold bewusst zum Erhalt von Brauchtum und Sortenvielfalt bei: „Wer weiß denn heute noch wie eine Goldparmäne, ein Lederapfel oder eine Reinette schmecken?“, so Liepold. Zudem sei alles, was auf den beweideten Wiesen geerntet wird, „garantiert ungespritzt und ungedüngt“. Und davon profitiert das Ehepaar Liepold ebenso wie die Wiesenbesitzer, die nicht nur zum Weihnachtsessen naturreinen Apfelsaft im Glas haben.
Anja Legge