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    Besuch bei den Santonniers, den Krippenfiguren-Töpfern in der Provence

    Tief verwurzelt in der Tradition

    Besuch bei den Santonniers, den Krippenfiguren-Töpfern in der Provence
    Sie gehören zum Bild der Provence wie die Lavendelfelder und die Pétanque-Spieler, wie der Mistral, der ruppige Wind, und das Mythen umrankte Licht, das die Maler anlockte. Die Santons, die traditionellen Krippenfiguren, sind die Provence en miniature.
    Der Französischen Revolution sei Dank. Der Veränderungswille der Mannen um Robespierre und Danton zog auch die Gotteshäuser in Mitleidenschaft. In Folge des Bildersturms waren auch die großen Krippen in den Kirchen verboten. Doch waren die Provenzalen nicht nur gläubig, sondern auch einfallsreich. Sie schufen Krippen für den Hausgebrauch. Vor allem in der Metropole Marseille blühte das Geschäft mit den Santons. Die Nachfrage war so groß, dass sich viele Töpfer ausschließlich auf die Herstellung der „kleinen Heiligen“ verlegten. Das Personal wurde erheblich erweitert und regional eingefärbt. Die Krippe war bürgerlich geworden.
     
    Wir üben einen Beruf mit Tradition aus.“ Jean-Louis Chave, Santonnier aus Arles, ist einer von denen, die diese Tradition pflegen. In seiner Werkstatt lässt sich der Meister über die Schulter schauen. Das von den Handwerkern des frühen 19. Jahrhunderts angewandte Verfahren ist noch heute Grundlage der Santon-Herstellung und ermöglicht die Reproduktion der Entwürfe. Erst formt der Santonnier eine Modellfigur, von der er einen Abguss nimmt. In diese zweiteilige Hohlform wird der Ton gepresst, der nach dem Brennen im Ofen bei 900 Grad bemalt oder kostümiert wird.
    Monsieur Chave hat sich was Besonderes einfallen lassen. Er modelliert Figuren aus unterschiedlichen Erdarten, die die Farbtöne Braun, Weiß, Ocker und Grau aufweisen. „Nach dem Brennen arbeite ich die Farbwirkung durch Wachsen heraus“, erklärt der Santonnier.
    „Für manche Santons muss das Original in verschiedene Teile zerlegt werden, die nach dem Pressen wieder zusammengekittet in den Brennofen kommen.“ So kann Chave Bewegung, etwa bei der Darstellung einer Tätigkeit, die die Figuren ausführen, besser zum Ausdruck bringen und die Krippenszenerie wirkt lebendiger. Man orientiere sich mit diesem Anspruch am Ausgangspunkt der Krippengeschichte, die 1223 mit Franz von Assisis mit lebenden Menschen und Tieren zusammengestellter Krippe begann.
     
    Es ist eben nicht nur ein Handwerk, sondern auch ein bisschen Kunst.“ Monsieur Chave, Chef des seit 1937 existierenden Santon-Ateliers, das gegenüber dem römischen Amphitheater liegt, berichtet von den Sammlern, die genau erkennen, aus welcher Werkstatt eine Figur stammt. „Um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden, muss man eine eigene Handschrift ausprägen“, etwa den Santons individuelle Züge verleihen.
     
    Dass es noch zahlreiche Santonniers gibt, die meist in Familienbetrieben arbeiten, sieht man auf den Märkten, die in der Weihnachtszeit in vielen Orten der Provence stattfinden – einige, wie der in Marseille, der in diesem Jahr sein 200-jähriges Bestehen feiert, zeigen ausschließlich Krippenfiguren.
    In der provenzalischen Familie hat der Aufbau der Krippe in der Weihnachtszeit noch einen festen Platz. Jahr für Jahr wird sie um die ein oder andere Figur erweitert. Mireille Fouque, als Frau eine Ausnahme im von Männern dominierten Santon-Geschäft, bietet mit über 1800 verschiedenen Modellen in der Maison Fouque in Aix-en-Provence eine der größten Kollektionen zum Verkauf an. Jedes Jahr kämen neue Kreationen hinzu – „bestimmt nicht nur für die Touristen“, ergänzt die Chefin lächelnd.
     
    Anders als die Krippe in den Kirchen besteht die Santon-Krippe aus provenzalischem Personal. Sie ist eine Idealdarstellung gemeinschaftlichen Dorflebens im 19. Jahrhundert. Es treten auf: der Bürgermeis-ter mit der Trikolore, Händler und Handwerker, Bauern und Hirten, junge und alte Paare, Musikanten, Tänzer und Kartenspieler. Eine Magd, die Aioli zubereitet, ist ebenso anzutreffen wie der Zeitung lesende Alte. Man fühlt sich in die Welt eines Marcel Pagnol versetzt. Auch Frédéric Mistral, der für die provenzalische Sprache stritt, oder Insektenforscher Henri Fabre – natürlich ein Provenzale – sind häufige Gäste in provenzalischen Krippen. Maria, Joseph und die Heiligen Drei Könige wirken da manchmal wie Fremdkörper, zumal sie nicht in provenzalischer Tracht auftreten.
     
    Der berühmteste Santon aus dem Hause Fouque ist der „Coup de Mistral“, ein Hirte mit Hut und wehendem Mantel, der einem heftigen Windstoß ausgesetzt ist. Die preisgekrönte Figur hat Mireilles Vater Paul 1952 entworfen. Ein für die Santon-Kunst beispielhaftes Werk: die Figuren sollen gegenüber den steifen und großen Puppen der Kirchenkrippen lebendig wirken und Bewegung ausdrücken. „Das ist das Kriterium für die Unterscheidung einer guten von einer schlechten Arbeit, von der es immer mehr gibt.“
    Madame Fouque sorgt sich um die Qualität der Santon-Herstellung. Das Niveau habe sich verschlechtert. Es komme mittlerweile sogar Plastikware aus Fernost auf den Markt. „Ich kämpfe für die Aufrechterhaltung der Tradition.“ Mit engagierter Stimme zählt sie die Kriterien für einen „véritable santon“ auf. Er dürfe nur in Handarbeit in der Provence hergestellt werden und müsse aus Ton sein. Außerdem gebe es Richtgrößen für die zwei Santon-Arten. Im Gegensatz zu den meist mit Ölfarbe bunt bemalten dürften die mit Stoff angekleideten und mit Requisiten ausgestatteten Figuren etwas größer sein. Was es braucht, um einen echten Santon herzustellen, kann man bei Mireille Fouque auch lernen. Sie bildet in ihrer Werkstatt, in der man sich fühlt wie in einem Handwerksbetrieb aus der Zeit vor der Erfindung der Maschine, auch aus, obwohl Santonnier immer noch kein anerkannter Beruf sei.
     
    Es ist außerdem sehr wichtig, sich die Originale patentieren zu lassen“, weiß die erfolgreiche Chefin. Santons kosten schnell über 100 Euro, und besondere Werke wie ein vor der Staffelei sitzender Paul Cézanne, der für 555 Euro angeboten wird, lassen nicht nur das Sammlerherz höher schlagen, sondern rufen auch Kopisten auf den Plan.
     
    Für die Chefin der Maison Fouque, die das von ihrem Großvater 1934 gegründete Geschäft zu einer der ersten Adressen gemacht hat, sind Santons Figuren aus dem 19. Jahrhundert. „Neueres gibt es nur auf Bestellung.“ Diese Ansicht teilt Monsieur Chave, der einer Kundin anlässlich der Pensionierung ihres Mannes einen Santon in Elektrikerkluft angefertigt hat. Eine Ausnahme. „... da entwerfe ich lieber einen Vincent-van-Gogh-Santon.“ Auch er einer, der in Arles lebte – aber im 19. Jahrhundert. Ein echter Santonnier aus der Provence ist eben tief verwurzelt in der Tradition.