Bei manchen von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, hat es vielleicht für Verwunderung gesorgt. Unter dem Titel „(Fast eine) Auflösung von Raum und Zeit“ haben wir in dieser Ausgabe einen eher meditativen, besinnlichen, sehr persönlich gehaltenen Beitrag als „Thema der Woche“ gewählt. Hätte dieser Besuch im Novizengarten von Münnerstadt nicht besser in die Rubrik „Glauben heute“ oder auf die Seiten „Bistum“ gepasst?, mag man da fragen.
Die Redaktion hat bewusst so entschieden. Dahinter steht die Überzeugung, dass die Aufmerksamkeit auf solche Orte der Stille und des Rückzugs gelenkt werden sollte, weil sie heute besonders wichtig sind. Wichtig in einer Zeit, in der es immer schneller gehen soll, in der alles in Bewegung zu sein scheint und Vetrautes entschwindet, die geprägt ist von Krisen und Verunsicherung, in der Krieg und Gewalt die Nachrichten beherrschen und einem immer näher rücken, die von Untergangsszenarien einerseits und Taten- oder Hilflosigkeit andererseits geprägt ist, in der das „Nie wieder“ in Vergessenheit zu geraten scheint und nationalistisch-völkisches Denken fröhliche Urständ feiert ...
In einer solchen Zeit braucht es Orte des Rückzugs und der Stille ganz besonders. Nicht, um vor der Wirklichkeit dorthin zu fliehen und den Kopf in den Sand zu stecken, sondern um abseits vom Trommelfeuer der Hiobsbotschaften und Verunsicherungen zu sich selber zu finden, Kraft zu tanken, um sich dann gestärkt wieder den Realitäten stellen zu können.
Solche Orte sind überall zu finden. Der Novizengarten in Münnerstadt soll somit lediglich Platzhalter sein für Ihren je persönlichen Ort oder ihre je persönlichen Orte – und auch Ansporn, sich solche im eigenen Umfeld zu suchen. Das kann der eigene Garten sein, ein Park, ein Innenhof, eine Waldlichtung, die Gebetsecke in der eigenen Wohnung, nicht zu vergessen Kirchen und Kapellen ... Hauptsache die Seele kann dort aufatmen und auftanken.
Wolfgang Bullin