Curd Lessig ist einer, der keine großen Worte macht. Weder um seine Erfolge, die Ehrungen und Anerkennung weltweit. Noch um seinen 80. Geburtstag, den er jetzt, am 22. November, feiern wird. Er mag es gar nicht: den Rummel und das „Getue“, wie er sagt, um seine Person. Viel wichtiger sind ihm seine Arbeiten. Von ihnen erzählt er, sie führt er vor. Und während er eine Mappe nach der anderen öffnet, um seinen Besuchern die Bilder der vergangenen Jahre und Monate zu zeigen, stellt er fest: „Das Ziel meines Lebens und Arbeitens ist es, gute Werke zu machen.“
Manchmal, so findet der selbstkritische Künstler, gelinge ihm das wohl auch. Das Taufkapellenfenster in der Höchberger Pfarrkirche St. Norbert ist ein Beispiel dafür. Aber auch eine Reihe von Arbeiten, die Lessig in seinem Atelier aufbewahrt. Unverkäufliche Arbeiten. Von Zeit zu Zeit sieht er sie sich an. „Das sind Bilder, die ich nie wieder so schaffen werde“, erklärt er. Zur Erinnerung behält er sie. Feinsäuberlich einsortiert in dem großen Raum mit der riesigen Glasfront, der an den Flur seines Wohnhauses im Würzburger Stadtteil Keesburg anschließt. Aufgeräumt wie auch die unzähligen Pinsel, Farben und Stifte. Und die Schallplatten. Die braucht Lessig zum Malen.
Musik hilft ihm, sich in ein Thema hineinzuversetzen. Als er 1974 den Auftrag bekam, für die Maximilian-Kolbe-Kirche in Mespelbrunn ein Fenster zu gestalten, hörte er sich das Auschwitz-Oratorium von Krzysztof Penderecki an. „Eine Wahnsinnsmusik mit Schreien“, beschreibt Lessig das Stück. Die Arbeit habe ihn damals sehr beschäftigt. Sei ihm „regelrecht an die Psyche gegangen“.
Bilder, die an Gott gemahnen
Dass das in der Tat so war, glaubt man dem Künstler auf Anhieb. Denn Lessig ist ein Mensch, der sich viele Gedanken macht. Einer, der nicht allein seine Pinselstriche, sondern auch seine Worte bewusst wählt. Das gilt vor allem dann, wenn er über seine religiöse Kunst spricht. Der Christ Lessig hat in jedes einzelne der Werke ein Stück seines persönlichen Glaubens eingebracht, wie er sagt. „Ohne ein religiöses Gefühl zu haben, hätte ich niemals religiöse Kunst machen können“, betont er.
Er erfahre Gott als ein Seil, das ihm in seinem Leben Halt gebe. Etwas von diesem Gefühl möchte er an die Betrachter seiner Werke weitergeben. „Sie sollen an Gott denken“, wünscht er sich, „spüren, dass wir von ihm umgeben sind.“ Und zwar nicht allein in Kirchen und Gebetsräumen. Auch in seinen Ausstellungen habe er immer wieder Bilder gezeigt, „die an Gott gemahnen“. Um die Menschen an ihn zu erinnern. Nicht mehr, da ist Lessig Realist. Aber auch auf keinen Fall weniger.
Bereits während seiner Ausbildung zum Kirchenmaler hat er sich mit kirchlicher Kunst auseinandergesetzt. Nachdem er sich 1957 als Maler und Grafiker selbstständig gemacht hatte, war eine 200 Quadaratmeter große Wandmalerei in der Pfarrkirche St. Laurentius in Bad Bocklet sein erster großer Auftrag von Seiten der Kirche. Kunst am Bau. Und gleichzeitig Kunst, die bei den Menschen ist. „Seltsamerweise hat Kunst am Bau keinen so hohen Stellenwert wie Kunst im Museum“, stellt Lessig fest. „Dabei ist etwa in Kirchen die Kunst tatsächlich zu sehen, während in Museen vieles jahrelang im Lager aufbewahrt wird.“ So würden sich im Würzburger Kulturspeicher etwa 100 seiner Werke befinden, doch lediglich eines sei derzeit ausgestellt.
Es ist kein Wunder, dass Lessig gerade den Kulturspeicher als Beispiel nennt. Schließlich sei der ein wichtiges Museum in seiner Heimatstadt. Und die liebt der Künstler. Nie wollte er fort, von den Studienreisen einmal abgesehen. Die unterfränkische Landschaft sei seine Seele, sagt er. Dort habe er seine besten Landschaften gemalt. Und dort wird er auch in Zukunft Landschaften malen. 80. Geburtstag hin oder her: Curd Lessig denkt nicht daran, aufzuhören. „Meine künstlerische Quelle ist noch nicht versiegt.“
Curd Lessig
Curd Lessig wurde am 22. November 1924 in Stuttgart geboren und wuchs im Würzburger Stadtteil Grombühl auf. Als 15-Jähriger besuchte er eine Zeichen- und Malschule; sein Lehrer hier war Heiner Dikreiter. 1940 begann er eine Lehre als Kirchenmaler. Von Ende 1942 bis 1946 Militärdienst und amerikanische Kriegsgefangenschaft; in dieser Zeit porträtierte er Soldaten und schuf Landschaftsbilder. Von 1948 bis 1950 besuchte er die Akademie der Bildenden Künste in München; sein Lehrer dort war Professor Walther Teutsch. Anschließend arbeitete er als Kirchenmaler und Restaurator für eine Würzburger Malerfirma. Als freischaffender Künstler seit März 1957 schuf Curd Lessig unter anderem Altargemälde, Wandbilder, Glasfenster und Mosaiken für zahlreiche Kirchen im Bistum. Geschätzt ist er auch als Landschafts- und Porträtmaler. 1991 erhielt er den Kulturpreis der Stadt Würzburg. Der Künstler ist seit 1950 mit der Kindergärtnerin und Erzieherin Eva Kramp verheiratet.