Soeben klettert ein kleiner Junge in schwarzer Jacke auf eines der neuen Spielhäuser und sieht sich Beifall heischend um. Klasse, wie er das gemacht hat! Ein dick eingemummeltes Mädchen mit pelzbesetzter Kapuze probiert derweil das Sternblumen-Labyrinth aus. Wieder andere Kinder klettern. Während sich die Jungen und Mädchen mal schneller und mal langsamer, mal rhythmisch und mal vollkommen frei bewegen, tun sie, ohne dass es ihnen bewusst ist, etwas für ihre Sprachentwicklung. „Tufftufftuff!“, schreit zum Beispiel begeistert ein Junge, der soeben die Lokomotive für sich entdeckt hat. Ein kleines Mädchen versucht, seinen ganzen Charme aufzubieten, damit die anderen zusammenrücken und es ebenfalls in die Lokomotive klettern kann. Die anderen machen Platz. Und das Kind steigt ein.
Nicht ohne Unterstützung
Mancher mag einwenden, dass hier in finanziell schwierigen Zeiten unnötig viel Aufwand getrieben wurde. Daniela Schweitzer, Geschäftsführerin des katholischen Marienvereins, Träger des Förderzentrums, steht ihrerseits jedoch voll und ganz hinter dem ambitionierten Projekt. „Im Außenbereich treten die Kinder noch einmal ganz anders miteinander in Beziehung“, meint sie, als sie das neue Gelände rund um die Schulvorbereitende Einrichtung und die Schule nach Abschluss der Gestaltungsarbeiten besucht. Glücklich sieht sie zusammen mit Schulleiter Peter Fuchs dem Toben der Kinder zu. Nun hat es der Marienverein allerdings nicht so dick gehabt, dass er das Großprojekt ganz aus eigener Kraft hätte stemmen können. Insgesamt 280000 Euro kostete die Neugestaltung. Zum Glück fand sich eine Organisation, die von den Plänen begeistert war: Die Münchner Julitta und Richard Müller Stiftung, die Kinder mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen unterstützt, gewährte 120000 Euro. Weitere Geldgeber fanden sich, die Kinder selbst haben durch einen Spendenlauf 3000 Euro gesammelt.
Gehen und Greifen
Ein Handout, in dem die Bedeutung von Bewegung auf die Sprachentwicklung sprachverzögerter Kinder im Detail dargelegt ist, hatte einen großen Effekt auf die Verantwortlichen der Münchner Stiftung. „Bewegung führt zu einer erhöhten kognitiven Leistungsfähigkeit, zu einer besseren Sprachentwicklung, zu höheren schulischen Leistungen sowie einem besseren Arbeitsgedächtnis“, heißt es in dem Papier des schulischen Planungsteams. Sprechenlernen erfolgt demnach auf der Basis von Gehen und Greifen: „Dazu kommt die bewusste Kommunikation mit anderen Bezugspersonen und die Ausbildung der Denkfähigkeit.“
Feuer und Flamme
In jeder Pause wird spürbar, dass die Kinder des Zentrums Feuer und Flamme sind von dem, was die Erwachsenen für sie gestaltet haben. Insgesamt 180 Jungen und Mädchen besuchen derzeit die „Schulvorbereitende Einrichtung“ (SVE), wie Kindergärten für Kinder mit einer Beeinträchtigung genannt werden. In erster Linie ihnen sollen die neuen Bewegungsmöglichkeiten zugutekommen.
Aber natürlich nutzen auch die 190 Schulkinder die aus Kunststoff bestehenden Geräte der Firma Westfalia. Strikte Trennungen gibt es ohnehin nicht. „Wir alle arbeiten nach einem gemeinsamen Förderplan“, so Schulleiter Peter Fuchs. Das Außengelände mit seinen vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten ist von umso größerer Bedeutung, als es zum Teil schon Kindern zur Gewohnheit geworden ist, viel Freizeit mit digitalen Geräten zu verbringen.
Digitales nur mit Mehrwert
Natürlich kommt man am Digitalen heute nicht mehr vorbei. Auch in der Maria-Stern-Schule wird die Digitalisierung benutzt. „Allerdings immer nur da, wo sie einen echten Mehrwert bietet“, betont Peter Fuchs. Analoges wird also nicht durch Digitales ersetzt. Apps zum Beispiel kommen nur dann zum Einsatz, wenn sie etwas bieten, was es in der analogen Welt so nicht gibt.
Zu Digitalem wird oft gegriffen, weil alles hui gehen muss. Statt selbst fünf Minuten nachzudenken, guckt man, was die Suchmaschine ausspuckt. Statt jemanden zu treffen, wird hin und her gechattet. Das ist nicht zuletzt mit Blick auf die Sprachentwicklung schlecht. „Unsere Kinder brauchen Blickkontakt und sie müssen Mimik erkennen können“, sagt Fuchs. Aus diesem Grund wird jedes Kind von ihm am Morgen persönlich begrüßt.
Pat Christ