Modernem auf der Spur
Auf dem Weg dorthin passiert der Besucher zunächst zwei „Himmelsbilder“ des Italieners Matteo Montani, transparente blaue Wolkengebilde, und begegnet dann mehreren expressionistisch grellen Momentaufnahmen vom Leiden Christi, unter anderem einer Arbeit des Berliner Kunstprofessors Dieter Hacker, die den am Kreuz Sterbenden verkrümmt vor schwarzrotem Hintergrund darstellt. Im Kaminzimmer hinter dem Rittersaal sieht der Betrachter sich schließlich mit einer Installation konfrontiert, die den Gedanken von Kreuz und Leiden im Spiegel der Moderne schockierende Gestalt annehmen lässt.
Die „Kreuzfrau“ der Künstlerin Maria Lehnen besteht aus blutrot befleckten Stoffbündeln, festgeschnürt an einem Längsbalken: wie eine sichtbar gewordene Anklage gegen die Untaten aktueller Kriegstreiber, Mörder und Folterknechte. Die in leuchtenden Farben und Blattgold geschriebene Ikone an der Wand dahinter stammt aus einem vergangenen, aber sicher nicht minder grausamen Jahrhundert. Die vier um das Kreuz als Mittelpunkt gruppierten Szenen erinnern an den letztendlichen Sieg der frohen Botschaft über das Böse.Neue Heimat für die Kunst
Die Helligkeit der Räume, die großen Fenster und der Blick vom Burgberg in die Ferne machen es den Gedanken leicht, sich mit den anspruchsvollen Inhalten der Ausstellung auseinanderzusetzen. „Die Kunst soll frei machen“, meint Domkapitular Lenssen. Er ist sichtlich glücklich über die neue Heimat seiner Sammlung und darüber, dass sie nicht im Depot des Diözesanmuseums ein Schattendasein führen musste.
Zwei kleinere Räume des Museums bilden mit ihren in warmem Rot gestrichenen Wänden einen Kontrast zur weißen Weite. Die Sammlung von rund 200 rumänischen Hinterglas-Ikonen, die das Ehepaar Dr. Joachim und Marianne Nentwig der Diözese stiftete, hat darin einen Platz gefunden, der zum Verweilen und zur stillen Kontemplation einlädt. Dicht an dicht hängen die liebevoll ausgeschmückten Szenen aus dem Neuen Testament. Es war keine leichte Aufgabe für Architekt Wiener, wie er sagte, das verwinkelte Gemäuer, das jahrzehntelang leer gestanden und dabei arg gelitten hatte, den Erfordernissen eines modernen Museums anzupassen. „Es gab eine Unmenge von Schäden“, sagte er gegenüber dem Sonntagsblatt. In die Decke des Rittersaals wurde ein Tragwerk eingebaut, damit der Raum unverändert erhalten bleiben konnte. In monatelanger Arbeit „ertüchtigten“ Fachleute mit viel Fingerspitzengefühl die historischen Fenster.Mit dem Lift ins Museum
Mit Wasser gefüllte Temperier-Rohre, die zwischen Wänden und Fußboden verlaufen, sorgen für die richtigen klimatischen Verhältnisse in den Ausstellungsräumen. Betrieben wird die museumsgerechte Heizung mit einem Blockheizkraftwerk im Gewölbekeller unter dem „Zwickel“, dem Gebäude zwischen dem Palas- und dem Kemenatengebäude. Als „einschneidendste Maßnahme“ bezeichnet der Architekt den Einbau eines Aufzugs, um einen barrierefreien Zugang zu allen Ebenen des Museums zu ermöglichen. Der Lift fügt sich nun genauso unauffällig in die Architektur ein wie die Toiletten auf den beiden Geschossen des einstigen „Abort-Erkers“. Eine barrierefreie Behindertentoilette konnte allerdings nur im neuen Kassengebäude unten am Tor geschaffen werden. 2,8 Millionen Euro (wovon über 1,7 Millionen Euro bezuschusst werden) kostete die umfassende Restaurierung des stadteigenen Burg-Ensembles und der Außenanlagen.Blick in die Geschichte
Die ältesten Gebäudeteile entstanden Ende des zwölften Jahrhunderts. Die Mainzer Erzbischöfe sicherten mit der Befestigung hoch oben über der Mainschleife ihren Einfluss und eine Zollstation. Der 27 Meter hohe massive Bergfried, der um 1200 auf dem nach Süden ansteigenden Hang errichtet wurde, ist der älteste noch erhaltene Teil der Anlage. Das heutige Wohngebäude mit hohem Dach und Treppengiebel wurde um 1400 vom Erzbischof Konrad von Weinsberg erbaut, die Kemenate um 1500 von Erzbischof Berthold von Henneberg.Die bereits 1525 im Bauernkrieg eroberte Burg wurde 1552 im zweiten Markgrafenkrieg zerstört und erneut eingenommen. Es folgten mehrere Wiederaufbauten und und Erweiterungen. Bis ins 18. Jahrhundert diente die Burg als Sitz der erzbischöflichen Burggrafen. 1803 fiel die Mildenburg an den Fürsten von Leiningen. Von 1807 bis zum Kauf durch die Stadt Miltenberg im Jahr 1979 war sie in Privatbesitz.
Der lange Weg
Bis 1993 dauerten die Befunduntersuchungen und statischen Sanierungsarbeiten der Stadt. Eine adäquate Nutzung des „Denkmals von nationaler Bedeutung“, für dessen Restaurierung jetzt gar Bundesmittel geflossen sind, war deswegen so schwer zu finden, weil ein befestigter Anfahrtsweg und Parkplätze fehlen. Letztendlich scheiterte daran auch das Vorhaben des Freistaats, in der Mildenburg eine Außenstelle des Bayerischen Nationalmuseums einzurichten. An die Einrichtung eines Gastronomiebetriebs war ebenfalls nicht zu denken.
Am Nikolaus-Tag 2000 war endlich die Idee zu einem Museum mit Exponaten aus der Sammlung der Diözese geboren worden: bei einem Gespräch zwischen Dr. Lenssen, der in den 1980er Jahren Pfarrer von Glattbach war, und dem in Glattbach geborenen Miltenberger Bürgermeister Joachim Bieber, dem Bruder von Domkapitular Clemens Bieber. Die Idee habe „in aller Ruhe reifen können“, erzählt Bieber. Nun, gegen Ende der Bauarbeiten, ist es doch noch etwas hektisch geworden, weil der strenge Winter zu einer Pause gezwungen hatte, die länger als erwartet ausfiel. Doch zur feierlichen Eröffnung und Segnung am 2. Juli durch Weihbischof Ulrich Boom, den früheren Pfarrer von Sankt Jakobus in Miltenberg, erstrahlt das Kleinod wieder, und ein lang gehegter Traum vieler Miltenberger Bürger geht in Erfüllung.