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      Das kirchliche Arbeitsrecht gerät politisch und juristisch immer stärker unter Druck

      Sind Sonderregeln noch in Ordnung?

      Tritt eine Erzieherin in einer katholischen Kita aus der Kirche aus, kann dies zur Kündigung führen. Auch streiken ist ihr nicht erlaubt. Solche arbeitsrechtlichen Sonderregeln werden immer vehementer als „Diskriminierung“ kritisiert.

      Doch Pauschalkritik hieran ist unangebracht. Das betont Sebastian Zgraja, Vorsitzender der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen bei der Caritas (DiAG MAV B): „Einen Automatismus gibt es nicht.“ In den 34 Jahren, in denen er bei der Würzburger Caritas ist, sei man prinzipiell immer behutsam mit Veränderungen in der persön- lichen Lebenssituation, etwa einem Kirchenaustritt, umgegangen. Stets würden die Hintergründe geprüft: „Etwa, ob es im Umfeld sexuellen Missbrauch gab.“

      Urteil mit Sprengkraft

      Die Problematik selbst ist hochaktuell, klärt doch gerade der Europäische Gerichtshof, ob eine Kündigung wegen eines Kirchenaustritts gerechtfertigt sein kann. Konkret geht es um eine Hebamme in einem katholischen Krankenhaus, die aufgrund der Missbrauchsskandale aus der Kirche austrat. Davon erfuhr ihr Arbeitgeber. Und kündigte ihr – obwohl ein Krankenhauspfarrer ihr „christlich geprägte Gläubigkeit“ attestiert hatte. Und obwohl es in der Klinik konfessionslose Hebammen gibt. Wie die Sache ausgeht, wird mit Spannung erwartet. Noch ist kein Urteil verkündet.

      „Bei uns im verfassten Bereich kenne ich keinen einzigen Fall, dass jemand aus der Kirche ausgetreten und daraufhin gekündigt worden wäre“, sagt Dorothea Weitz, Vorsitzende der Mitarbeitervertretung im Bischöflichen Ordinariat Würzburg. Verboten ist dies dem kirchlichen Arbeitsrecht zufolge bis auf wenige Ausnahmen aufgrund schwerwiegender Gründe nach wie vor, bestätigt die Religionslehrerin. Dorothea Weitz kann dies auch nachvollziehen: „Eine gewisse Loyalität dem Arbeitsgeber gegenüber halte ich für sinnvoll und wichtig.“

      Das denkt auch Angela Lixfeld. Die Leiterin der Abteilung „Verband und Personal“ beim diözesanen Caritasverband gehört der Arbeitsrechtlichen Kommission in Bayern von Dienstgeberseite an. „Ich finde es schon bedenkenswert, wenn ein Mitarbeitender durch seinen Austritt zu verstehen gibt, dass sie oder er mit der Kirche nichts mehr zu tun haben, gleichzeitig aber in ihren Diensten bleiben möchte“. Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen profitieren nach ihren Worten erheblich von Kirchensteuermitteln. Daraus wird in der Pflege zum Beispiel finanziert, was nicht über Pflegesätze abgerechnet werden kann: „Etwa Qualitätssicherung oder Mitarbeitersorge.“

      „Dritter Weg“

      Dass eine Verkäuferin in einer Boutique arbeitsrechtlich anders behandelt wird als eine Erzieherin im katholischen Kindergarten, sorgt seit Jahren für Kritik. Vor kurzem begannen auf Bundesebene Gespräche über die Reform des kirchlichen Arbeitsrechts mit Vertretern des Bundesarbeitsministeriums. „Einige sehen das als Vorstufe zur Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts an“, sagt Sebastian Zgraja, der auch der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritas-Verbands auf Bayernebene angehört. Er selbst steht zum sogenannten Dritten Weg der Kirchen, kann aber auch die Argumente der Kritiker nachvollziehen.

      Zu diesen Kritikern gehört sein Vorgänger Christof Mock. Der Heilerziehungspfleger war 28 Jahre lang MAV-Vorsitzender im St. Josefs-Stift Eisingen und 20 Jahre lang Vorsitzender der DiAG MAV B. „Es spricht aus meiner Sicht nichts für ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht“, sagt er. Das kirchliche Sonderarbeitsrecht widerspreche im Gegenteil „massiv der kirchlichen Soziallehre“. Aktuell ernteten die kirchlichen Beschäftigten zum Beispiel Früchte, die sie nicht gesät hätten, weil sie sich nicht an der Gestaltung und Durchsetzung von Tarifverträgen beteiligen, sondern diese einfach abschrieben. „Solidarisch ist das nicht“, sagt Mock.

      Streiks sind tabu

      Um beim Verkaufspersonal von Boutiquen und anderen Geschäften zu bleiben: Werden die Arbeitsbedingungen im Handel als unerträglich empfunden, darf gestreikt werden. Gleiches gilt für den sozialen Arbeitssektor. In jüngster Zeit gab es denn auch Streiks von Erzieherinnen aus „weltlichen“ Kitas oder Sozialeinrichtungen. „Wir können nicht mitstreiken, aber Solidaritätsbekundungen sind möglich“, sagt Sebastian Zgraja. Katholische Erzieherinnen unterstützten zum Beispiel schon Protestaktionen der Gewerkschaft ver.di in ihrer Mittagspause oder nach der Arbeit. Das ist laut Zgraja auch mit dem „Dritten Weg“ ohne weiteres möglich.

      Dass es ein „Streikverbot“ im kirchlichen Arbeitsrecht gibt, hält sein Vorgänger Christof Mock für eine Mär. „Das Bundesarbeitsgericht hat 2012 die damaligen Streiks bei der Diakonie für zulässig gehalten und die Klagen der diakonischen Arbeitgeber abgewiesen“, erinnert er. Übrigens, so sein Hinweis, gebe es in keinem anderen europäischen Land ein kirchliches Sonderarbeitsrecht.

      An den Gesprächen zur Reform des kirchlichen Arbeitsrechts auf Bundesebene ist Christof Mock aktiv beteiligt. „In jüngster Zeit hat sich aber auch schon viel geändert“, unterstreicht Sebastian Zgraja: „Allen voran die Grundordnung des katholischen Dienstes.“ Die wurde vor einem Jahr neuerlich liberalisiert: „Hier kam es zum Paradigmenwechsel.“ Der neuen Grundordnung zufolge sind vor allem bestehende Benachteiligungen wegen des Geschlechts zu beseitigen und künftig zu verhindern. „Darüber bin ich sehr froh“, sagt MAV-Vorsitzende Dorothea Weitz. Das öffentliche Outing zahlreicher queerer Mitarbeiter in der katholischen Kirche und in kirchlich getragenen Betrieben leistete dieser Entwicklung Vorschub. „Entscheidend für die Kirchlichkeit einer Einrichtung ist nicht mehr die persönliche Lebensführung, sondern das christliche Profil der Einrichtung selbst und wie dieses innerhalb der Dienstgemeinschaft gelebt wird“, erläutert Angela Lixfeld.

      Kampf um Arbeitsplätze

      Sie steht voll und ganz hinter dem kirchlichen Arbeitsrecht. In ihren Augen passt das weltliche Arbeitsrecht nicht zu kirchlichen Einrichtungen. Das betrifft allen voran das Streikrecht. „Das Arbeitskampfmittel des Streiks widerspricht unserem Selbstverständnis als Dienstgemeinschaft“, betont die Personalerin. Nicht zuletzt würde ein Streik in einer Caritas-Einrichtung Menschen treffen, die auf diesen Dienst angewiesen sind: „Das passt nicht zu unserer Sendung.“

      Von gewerkschaftlicher Seite wird das kirchliche Konstrukt der „Dienstgemeinschaft“ als „ideologisch“ angeprangert. „Gerade im Moment wird der Begriff sehr strapaziert“, beobachtet Dorothea Weitz. Für sie ist es zur Gratwanderung geworden, den Begriff mit echtem Leben zu füllen: „Und zwar, weil der Kostendruck inzwischen so enorm ist.“ Mit der Schließung der ersten Tagungshäuser in der Diözese Würzburg wurde nach ihrem Empfinden ein Bruch vollzogen. Seitdem muss die Mitarbeitervertretung intensiver als je um die Sicherheit der Arbeitsplätze kämpfen.

      Pat Christ

      Dritter Weg und DiAG MAV B

      Dritter Weg
      Die katholische Kirche in Deutschland hat für sich und ihre Einrichtungen ein eigenes System zur Aushandlung von Arbeitsvertragsbedingungen geschaffen. Das wird „Dritter Weg“ genannt. Die Arbeitsbedingungen werden nicht durch Tarifverträge, sondern durch paritätisch besetzte arbeitsrechtliche Kommissionen festgelegt. Streiks und Aussperrungen sind tabu, da beides aus Sicht der Kirche mit dem Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft nicht zu vereinbaren ist.

      DiAG MAV
      Die Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen bei der Caritas wurde vor 40 Jahren gegründet und feierte kürzlich ihr Jubiläum. Sie setzt sich aktuell für 17000 Beschäftigte der Caritas in Unterfranken ein. Dazu zählen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in rund 500 Tageseinrichtungen für Kinder, Krippen, Kitas und Horten im Bistum. In den rund 650 Einrichtungen der Caritas in der Diözese Würzburg existieren ungefähr 190 Mitarbeitervertretungen.