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Signal für einen Richtungswechsel?
Heftige Reaktionen hat die Rücknahme der Exkommunikation von vier der Priesterbruderschaft Pius X. angehörenden Bischöfen durch Papst Benedikt XVI. ausgelöst. Diese Reaktionen betreffen vor allem einen der vier Bischöfe, Richard Williamson, weil der hartnäckig den Holocaust leugnet. So nachvollziehbar diese Konzentration auf den Einen wegen der durch seine Person ausgelösten Verwerfungen im eh schon angespannten Verhältnis zwischen katholischer Kirchenleitung und Judentum ist, so greift sie doch viel zu kurz. Einerseits weil die Äußerungen von Richard Williamson keineswegs eine Ausreißerposition darstellen, wie manche eilig nachgeschobene Erklärung glauben machen möchte, sondern ein – wenn auch extremistischer – Ausfluss der Einstellung sind, die die Priesterbruderschaft insgesamt den Juden gegenüber vertritt. Andererseits weil diese Maßnahme möglicherweise Signal ist für einen grundsätzlichen Richtungswechsel in der katholischen Kirche mit weitreichenden Konsequenzen. Denn die Rücknahme der Exkommunikation ist mindestens der zweite öffentliche Schritt, den Papst und Vatikan auf die schismatische Priesterbrudersachft zugegangen sind. Der erste, nicht weniger spektakuläre Schritt war die Wiederzulassung des tridentinischen Ritus als außerordentlicher Ritus im Juli 2007. Wie aber sieht es mit Schritten von der anderen Seite aus? Kontakte und Gespräche habe es gegeben, so wird verlautet, Schritte aber, vor allem ähnlich spektakuläre, hat man bislang nicht wahrgenommen. Ganz im Gegenteil: Im Dezember 2008 hat Pater Franz Schmidberger, Distriktoberer der Priesterbruderschaft in Deutschland, an alle residierenden Bischöfe in Deutschland einen Brief geschrieben und darin die Hauptkritikpunkte der Vereinigung am Zweiten Vatikanischen Konzil aufgelistet. Das Konzil bezeichnet Schmidberger dabei als „das größte Unglück des vergangenen Jahrhunderts“ und den „Spalt, durch den der Rauch Satans in die Kirche eingedrungen“ sei. Man komme nicht umhin, schreibt er den Bischöfen, „das Konzil dreier großer Sünden anzuklagen: „Die erste Sünde liegt in der Unterlassung des eindeutigen Herausstellens der Wahrheit und der Verurteilung des Irrtums (...). Die zweite Sünde beinhaltet die Aufnahme zweideutiger Begriffe, die verschiedene Deutungen zulassen. (...) Die dritte große Sünde besteht darin, dass Aussagen in die Konzilsdokumente aufgenommen wurden, die bereits an den Rand der Häresie gehen.“ Verhängnisvoll seien vor allem fünf Dokumente des Konzils: das Ökumenismusdekret „Unitatis redintegratio“, die dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, die Erklärung über die nichtchristlichen Religionen „Nostrae aetate“, die Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“ und die Pastoralkonstitution über die Kirche in der modernen Welt „Gaudium et spes“, die als „vielleicht zeitgeschichtlich und gesellschaftswirksam das Verderblichste im ganzen Konzil“ bezeichnet wird. Auch sehe man „mit Trauer Papst Johannes Paul II. und nun auch Papst Benedikt XVI. in eine jüdische Synagoge gehen“, „da die Juden unserer Tage nicht nur nicht unsere älteren Brüder im Glauben, wie der Papst bei seinem Synagogenbesuch in Rom 1986 behauptete“, seien, sondern „des Gottesmordes mitschuldig, so lange sie sich nicht durch das Bekenntnis der Gottheit Christi und die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzieren“. Schmidberger erinnert daran, dass die Bruderschaft vom Vatikan als Vorleistung unter anderem die „öffentliche Rehabilitierung der überlieferten heiligen Messe“ – dies sei „durch das Motuproprio vom 7. Juli 2007 einigermaßen erfüllt“ – und „die Zurücknahme des Exkommunikationsdekrets gegen die vier von Erzbischof Lefebvre geweihten Bischöfe“ erbeten habe. Sobald man sich auch über die Grundprinzipien der Lehre einig sei, stehe die Bruderschaft zur Kooperation bereit, denn die „verheerenden Zeitbomben des II. Vatikanischen Konzils“ müssten beseitigt, „der verheerende Konzilsgeist“ müsse niedergerungen werden. Zwei Vorleistungen hat der Vatikan bereits erbracht. Und es fällt schwer, das mit den Versicherungen aus Rom, nicht am Zweiten Vatikanischen Konzil rütteln zu wollen, in Einklang zu bringen. Auch Barmherzigkeit will als Erklärung nicht so recht einleuchten, weil man diese dann offensichtlich recht ungleich verteilt. Wo war und ist Barmherzigkeit etwa in Sachen Theologie der Befreiung zu spüren oder beim Thema Schwangerenkonfliktberatung in Deutschland. Gerade da werden kirchentreue Katholiken nach wie vor innerer Zerissenheit und äußeren Anfeindungen ausgesetzt, weil sie – ihrem Gewissen folgend – Menschenleben retten und sich dabei die Hände schmutzig machen. Die Besserwisser aber, die unbarmherzig urteilen, einteilen und verurteilen, werden hofiert. Ist das richtig?