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Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt erfahren Sie im Sonntagblatt.

    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Sich den Menschen in Not zuwenden

    Der Einsatz für Not Leidende gleich welcher Art ist ebenso wie die Feier der Liturgie und die Verkündigung des Evangeliums ein Herzstück des Dienstes der Kirche. Im heutigen Evangelium geschieht eine doppelte Ungeheuerlichkeit: Der Mann mit dem Aussatz ruft nicht von weitem „Unrein! Unrein!“, wie er es nach dem Gesetz hätte tun müssen. Stattdessen geht er direkt auf Jesus zu und bittet ihn um Hilfe. Die zweite Ungeheuerlichkeit vollzieht sich in der ausgestreckten Hand Jesu, mit welcher er den Kranken berührt. Jesus bricht ein Tabu; furchtlos überwindet er ohne jede Berührungsangst die Barriere zwischen ihm und dem Kranken.

    Evangelium

    In jener Zeit kam ein Aussätziger zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde. Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es – werde rein! Im gleichen Augenblick verschwand der Aussatz, und der Mann war rein. Jesus schickte ihn weg und schärfte ihm ein: Nimm dich in Acht! Erzähl niemand etwas davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring das Reinigungsopfer dar, das Mose angeordnet hat. Das soll für sie ein Beweis meiner Gesetzestreue sein. Der Mann aber ging weg und erzählte bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die ganze Geschichte, so dass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch außerhalb der Städte an einsamen Orten auf. Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.

    Markus 1,40–45

     

    Der Liebesdienst ist für die Kirche nicht eine Art Wohlfahrtsaktivität, die man auch anderen überlassen könnte, sondern er gehört zum Wesen der Kirche“, so lautet eine theologische Standortbestimmung Papst Benedikts in seiner Enzyklika „Gott ist die Liebe“. Der Papst macht unmissverständlich klar, dass niemand ernsthaft behaupten kann, Gott zu lieben, wenn er sich nicht auch in tätiger Nächstenliebe der Not der Menschen zuwendet. Der Einsatz für Not Leidende gleich welcher Art ist ebenso wie die Feier der Liturgie und die Verkündigung des Evangeliums ein Herzstück des Dienstes der Kirche.
    Der Papst bezieht sich dabei unmittelbar auf die Praxis Jesu, wie sie uns beispielsweise auch im Evangelium vor Augen geführt wird. Da begegnet Jesus einem Mann, der vom Aussatz befallen ist, einem Leprakranken. In der Zeit der Antike war dies mit die schlimmste Krankheit, die einen Menschen befallen konnte. Sie bedeutete für den Kranken oft die totale Isolation und damit den sozialen Tod noch vor Eintritt des physischen Todes, eine grausame Krankheit also.
    Im Evangelium geschieht eine doppelte Ungeheuerlichkeit: Der Mann mit dem Aussatz ruft nicht von weitem „Unrein! Unrein!“, wie er es nach dem Gesetz hätte tun müssen. Stattdessen geht er direkt auf Jesus zu und bittet ihn um Hilfe. Die zweite Ungeheuerlichkeit vollzieht sich in der ausgestreckten Hand Jesu, mit welcher er den Kranken berührt. Jesus bricht ein Tabu; furchtlos überwindet er ohne jede Berührungsangst die Barriere zwischen ihm und dem Kranken. Psychosomatisch wird heute eine Unreinheit der Haut oft als Folge mangelnder Zuwendung und Geborgenheit angesehen und damit als Aufschrei der Seele. Mit der äußeren Berührung des Kranken durch Jesus geht eine intensive innere Zuwendung einher. Jesus berührt den Mann nicht nur äußerlich, er sieht ihn an, er hat Mitleid mit ihm und schenkt ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit und Zuwendung.
    In seiner Enzyklika prägt der Papst den wunderbaren Satz: „Das Programm der Christen ist das ‚sehende Herz’. Dieses Herz sieht, wo Liebe Not tut.“ Für uns Christinnen und Christen macht dieses Evangelium klar: wer in der Nachfolge Jesus stehen will, der kann nicht achtlos an der Not von Mitmenschen vorübergehen. Auch wenn unsere eigenen Kräfte dabei oft sehr begrenzt sein mögen: es geht um die konkrete Not direkt bei uns um die Ecke, es geht um die Obdachlosen in unseren Städten, es geht um kranke und alte Menschen in Krankenhäusern und Seniorenheimen. So wie Jesus werden auch wir dabei Barrieren zu überwinden haben: die Barriere von Ekel und Gerüchen, von Unansehnlichkeit und Schweiß, von Tränen und Verzweiflung.
    In einem verbürgerlichten Christentum besteht die Gefahr, dass wir die tätige Nächstenliebe zu sehr auslagern, beispielsweise in die bewährten Fachdienste der Caritas. Wenn aber die tätige Nächstenliebe im Sinne der unmittelbaren Zuwendung zum Menschen in Not in meinem eigenen Leben keinen konkreten Platz findet, dann lebe ich an der Botschaft des Evangeliums vorbei und die Worte des Papstes treffen mich unmittelbar.
    Die konkrete Gewissensfrage an jede Christin und jeden Christ, an alle Mitarbeiter der Kirche vom Pastoralreferenten bis zum Bischof heißt: Wieviele Stunden einer 168-Stunden-Woche widme ich dem direkten und persönlichen Kontakt und der unmittelbaren Zuwendung zu Menschen in Notsituationen?
    Dieser Gewissensfrage will ich mich immer wieder stellen. Ich darf darauf vertrauen, dass ich mich dabei trotz meiner begrenzten Möglichkeiten bei Gott sehen lassen kann. Ich vertraue darauf, dass er mir immer wieder für diesen Auftrag die Kraft. Ich glaube, dass er selbst den Menschen in Not nahe ist, besser als ich es je kann. Das in meine ausgestreckte Hand gelegte und von mir verzehrte eucharistische Brot stärkt mich dafür Woche für Woche.

    Der Autor ist Pastoralreferent. Er arbeitet als Diözesanrichter am Bischöflichen Offizialat in Würzburg und leitet die Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle in Tauberbischofsheim.