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      Seit 70 Jahren in Freundschaft verbunden

      Wussten Sie, dass die Kirchengemeinde Lengfeld auch einen brasilianischen Teil hat? Seit sage und schreibe 70 Jahren ist die Würzburger Gemeinde mit Pacoti im Bergland Brasiliens verbunden: im Herzen, im Gebet und in Form tatkräftiger Hilfe. Dieses Jubiläum ist für die Lengfelder durchaus ein Grund zum Feiern und ein Anlass zurückzublicken.
      Ihre Verbindung nach Brasilien verdankt die Kirchengemeinde im Würzburger Osten vor allem Pater Kilian Mitnacht, der 1913 in Lengfeld geboren wurde. Nach dem Besuch der Volksschule trat er bei den Salvatorianern in Bad Wurzach ein und besuchte die Ordensschule der „Gesellschaft des Göttlichen Heilands“. Auf Geheiß seines Ordens ging er 1937 nach Brasilien, empfing 1940 in Sao Paolo die Priesterweihe und wurde 1942 in die junge Pfarrei Pacoti im Nordosten des Landes versetzt. 

      Ins Herz geschlossen

      Die Menschen schlossen den Missionar aus Deutschland rasch ins Herz, denn er war nicht nur ihr Seelsorger, sondern engagierte sich beim Bau von Straßen und Brunnen, errichtete eine Krankenstation, Schulräume sowie ein Seminar für Priesteramtskandidaten. Zudem baute er in jeder der 23 teilweise weit abgelegenen Filialgemeinden Pacotis eine Kirche und einen Gemeinderaum. Möglich war all dies nur durch die großzügigen Spenden, die ihn von seiner Familie und vielen gebefreudigen Lengfeldern erreichten. Nach 25 Jahren reinen Briefkontakts kehrte Pater Kilian 1965 zum ersten Mal in seine Heimat zurück. Vor allem beim damaligen Lengfelder Pfarrer Wolfgang Rieser fielen die Erzählungen des Missionars auf fruchtbaren Boden. Als schließlich Pater Kilian bei einem Besuch im Jahr 1975 Lengfeld als Schwestergemeinde von Pacoti bezeichnete, griff Pfarrer Rieser dieses Wort spontan auf und bestätigte es. Seitdem betrachten sich Lengfeld und Pacoti als Schwestergemeinden.  Dass aus der im Herzen empfundenen Verbundenheit mehr wurde, ist auch Marianne Grave zuzuschreiben, die sich seit 25 Jahren für Pacoti engagiert. Als 1985 zum ersten Mal eine siebenköpfige Delegation aus Lengfeld nach Brasilien aufbrach, war sie mit von der Partie. Obwohl die Gruppe nur drei Tage in Pacoti blieb, waren alle „begeistert von der Landschaft und der üppigen subtropischen Natur, von der ungeheueren Beliebtheit Pater Kilians und der Freundlichkeit der Menschen, die in einfachsten Verhältnissen leben“, erinnert sich Grave. Zurück in Deutschland hielt sie mit einer Frau aus dem Ort Kontakt und besuchte Pacoti auf eigene Faust.  Als sich der Weggang von Pfarrer Rieser ankündigte, wollte man die Verbundenheit mit Pacoti auf eine sichere Basis stellen und regelmäßige Einnahmen garantieren. Aus diesem Grund gründeten Waltraud Ackermann und Marianne Grave mit rund 20 Mitstreitern am 15. Januar 1996 den Verein „Partnerschaft Lengfeld-Pacoti e.V.“. Wenige Monate später – Pater Kilian war zwischenzeitlich verstorben – flog Grave gemeinsam mit Veronika Gonzales erneut in die Partnergemeinde. Diesmal blieb sie vier Wochen, um Land und Leute besser kennenzulernen. „Wir waren geschockt von den teilweise katas­trophalen Wohnverhältnissen der Menschen und wurden sogar auf der Straße um Hilfe angesprochen“, blickt Grave zurück.  

      Fleißige Spendensammlerin

      Zurück in Deutschland erzählte die Sozialpädagogin von den Menschen in der Partnergemeinde, sammelte Spenden, und konnte so Jahr für Jahr mehr Geld nach Pacoti überweisen. Allein im Jahr 2011 waren es stolze 16000 Euro. Dieser Betrag besteht neben den Beiträgen der rund 50 Mitglieder vor allem aus großzügigen Privatspenden von Lengfelder Bürgern sowie den Erlösen aus verschiedensten Aktionen – vom Pacoti-Essen im Januar bis hin zum Weihnachtsflohmarkt im November.  Doch mit der Überweisung der Gelder nach Brasilien ist es nicht getan. „Die Zusammenarbeit ist manchmal schwierig“, sagt Grave. Manche Brasilianer zeigten zu wenig Eigeninitiative und hielten lieber erst einmal die Hand auf anstatt selbst aktiv zu werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund verbringt Marianne Grave seit 1999 alljährlich fünf Monate in der Partnergemeinde, besucht Freunde, beobachtet die Veränderungen. Bis vor einem Jahr hat sie Sprechstunden angeboten, zu denen die Menschen „scharenweise kamen und ihre Nöte, Bedürfnisse und Wünsche äußerten“. Thema Nummer eins war und ist der Hausbau: Nachdem die Lehmhütten größtenteils verschwunden sind, geht es jetzt um Anbauten, sind doch die durch die Kommune finanzierten Wohnhäuser mit 36 Quadratmetern viel zu klein für eine acht- bis zehnköpfige Familie. Andere Hilfsgesuche betreffen Lebensmittel, Wasser- und Stromrechnungen, die die Menschen aufgrund von Arbeitslosigkeit nicht bezahlen können. In den letzten Jahren ist außerdem das Thema Berufsausbildung hinzugekommen, da es kaum Ausbildungsplätze gibt und schon die Einschreibung in einen Weiterbildungskurs viel Geld kostet. Schließlich hat sich der Verein auch die Unterstützung allgemeiner pastoraler und sozialer Aufgaben vorgenommen und hilft bei Anfragen befreundeter Priester aus dem Bundesstaat Ceará. 

      Partner vor Ort

      Knapp 100 Hilfsgesuche wurden allein im Jahr 2011 an den Verein herangetragen. Deutlich zu viele, gemessen an den Geldern, die zur Verfügung stehen. Damit die Hilfe dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird, gibt es Unterstützung von Partnern vor Ort. So entscheidet zunächst die „Associacao Solidária Padre Kiliano“, welche Bittgesuche aus anderen Pfarreien bewilligt werden. Dann gehen die zehn ehrenamtlichen Mitarbeiter der „Grupo Padre Kiliano“ akribisch sämtliche Einzelanträge aus Pacoti durch und wägen individuelle Lage und Dringlichkeit ab. 

      Kürzer treten

      Seit ihrem letzten Besuch in Pacoti bietet Marianne Grave keine Sprechstunden mehr an. „Aus Altersgründen muss ich etwas kürzer treten“, begründet die 74-Jährige. Ein wichtiges Ziel ist es deshalb, dass der brasilianische Partnerver­ein zunehmend selbstständig arbeitet. Dennoch will Grave so lange wie möglich ihre Kraft für Pacoti einsetzen und das Geld, das ihr die Lengfelder anvertrauen, gut weitergeben, denn: „Uns geht es sehr gut, wir können teilen, und zwar nicht nur unser Geld, sondern auch unser Leben.“