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Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt erfahren Sie im Sonntagblatt.

    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Gedanken zum Sonntagsevangelium von Gudrum Heid, Würzburg

    Sehnsucht nach Freiheit

    Gedanken zum Sonntagsevangelium von Gudrum Heid, Würzburg
    Evangelium
    Die Eltern Jesu gingen jedes Jahr zum Paschafest nach Jerusalem. Als er zwölf Jahre alt geworden war, zogen sie wieder hinauf, wie es dem Festbrauch entsprach. Nachdem die Festtage zu Ende waren, machten sie sich auf den Heimweg. Der junge Jesus aber blieb in Jerusalem, ohne dass seine Eltern es merkten. Sie meinten, er sei irgendwo in der Pilgergruppe, und reisten eine Tagesstrecke weit; dann suchten sie ihn bei den Verwandten und Bekannten. Als sie ihn nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten ihn dort. Nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen. Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten. Als seine Eltern ihn sahen, waren sie sehr betroffen, und seine Mutter sagte zu ihm: Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht. Da sagte er zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? Doch sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte. Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen. Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.
    Lukas 2,41–52
     
    Jahresende 2003: Zeit der Rückschau. Was hat sich in diesem Jahr verbessert? Was hat sich verschlechtert in meinem Privatleben, im Arbeitsleben, am Weltfrieden, in der Politik, in der Wirtschaft ...? Wir sind abhängig von den Arbeitgebern, den Kollegen, von der Müllabfuhr, vom Auto, vom Supermarkt, von der Medizin, von Menschen, die wir brauchen, auch von denen, die wir lieben, um nur einige unserer Bindungen zu nennen, die unser Leben täglich positiv oder negativ beeinflussen.
    In diesem Zusammenhang begegnet uns im Evangelium der 13-jährige Jesus, der sich die Freiheit nimmt, für mehrere Tage im Tempel zu bleiben, ohne die Eltern zu informieren. In der intuitiven Gewissheit, das Richtige zu tun, folgt er seiner inneren Stimme, in der er die Stimme Gottes erkennt. Im Tempel fällt er auf durch sein ungewöhnliches Interesse am Religiösen. Er verblüfft fachkundige Männer durch seine Art des Zuhörens und Fragens, und am Erstaunen der erwachsenen Anwesenden ob seines Verständnisses können wir ablesen, dass er sich nicht nur als aufmerksamer, sondern auch als kompetenter Gesprächspartner herausstellt. Offensichtlich versteht er etwas von der Rede von Gott und trägt seine jugendlichen Einsichten so überzeugend vor, dass das Lehrer-Schüler-Gefälle kippt und die Lehrer ihre Rolle, es besser zu wissen, aufgeben. Das passiert nicht oft zwischen Erwachsenen und Pubertierenden. Wer von uns Erwachsenen tut sich leicht, 13-Jährigen zuzugestehen, dass sie für sich selbst entscheiden können?
    Eltern erleben diese Spannung verschärft: Wie viel Selbstbestimmung und Freiheit sollen wir zulassen, wie viel Kontrolle ist sinnvoll? Wie machen wir es richtig? Was ist falsch? Allgemeingültige Antworten gibt es nicht, wie auch jeder Jugendliche anders ist. Die Antworten einer Mutter oder eines Vaters haben viel zu tun mit der eigenen inneren Gelassenheit, dem Vertrauen in Gott oder mit dem Gegenpol der Unsicherheit, Enge und Angst.
    So sehr sich die Lehrer auf den 13-jährigen Jesus einlassen, so bestürzt reagieren Maria und Josef, meines Erachtens gut nachvollziehbar. Doch Jesus nimmt ihnen den Wind aus den Segeln und flößt ihnen tiefen Respekt ein. Die innere Größe und theologische Autorität, die er in seiner Antwort an den Tag legt, übersteigt ihren bisherigen Horizont, bildet den neuen Begriff seines Selbstbewusstseins als Gottes Sohn, mit dem sie sich erst auseinandersetzen müssen. Rückschau haltend auf das eigene Leben kann wohl jede und jeder Wendepunkte benennen, wo es darum ging, dem ureigenen Weg zu folgen, sich von den Eltern oder aus anderen Bindungen zu lösen, um unabhängig zu werden und sich selbst zu finden.
    Der 13-jährige Jesus lehrt uns, auf unsere innere Stimme zu achten und in unserer Sehnsucht nach Selbstwerdung und Freiheit die Stimme Gottes zu vernehmen. Denn als Kinder Gottes sind wir zur Freiheit berufen und aufgefordert, uns nicht von den scheinbaren Abhängigkeiten bestimmen zu lassen, sondern zu werden, was wir von Gott her sind.
     
    Die Autorin arbeitet als Pastoralreferentin im Hörgeschädigten-Zentrum Würzburg und koordiniert den Ausbau der diözesanen Gehörlosenseelsorge.