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Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt erfahren Sie im Sonntagblatt.

    Alles Wissenswerte rund um Papst Leo XIV. und seine ersten 100 Tage im Amt...

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    Segen für die Welt sein

    Auf dem Areal in der Würzburger Valentin-Becker-Straße rund um die bereits bestehende und jetzt erweiterte Synagoge ist ein Gebäudekomplex entstanden, der sowohl den Anforderungen einer wachsenden Gemeinde als auch einer weit über die regionalen Grenzen hinausreichenden Vision Rechnung trägt. Wichtige Bestandteile des Zentrums sind ein in Kooperation mit der R.S. Lauder Foundation entstandenes Seminarzentrum mit Schabbatprogrammen und religiösen Fortbildungskursen für Menschen aus Gemeinden in Deutschland und dem übrigen Europa und ein von der Stadt und dem Bezirk Unterfranken betriebenes Dokumentationszentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken.
    WÜRZBURG. Den bekannten Satz „Wer baut, der bleibt“ möchte sie in diesem Fall gerne um den Satz erweitern „Wer baut, hat eine Heimat gefunden“, sagte die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, in ihrem Grußwort zur Einweihung des neuen jüdischen Gemeinde- und Dokumentationszentrums „Shalom Europa“ in der Würzburger Valentin-Becker-Straße. Und damit gab sie eine Grundstimmung wieder, die sich durch alle Beiträge der Einweihungsfeier am 23. Oktober mit zahlreichen prominenten Gästen, unter ihnen Ministerpräsident Edmund Stoiber und Bundesminister Michael Glos, zog.

    Doch bei aller Freude über das gelungene Projekt (wir berichteten bereits) gab es auch nachdenkliche und mahnende Töne, insbesondere beim Blick auf die Geschichte des Judentums in Deutschland und deren abruptes Ende im Holocaust und vor allem im Blick auf wieder aufkeimende antisemitische Tendenzen. So mahnte Charlotte Knobloch ihre Zuhörer, dass Judenhass und Rechtsextremismus nicht nur ein jüdisches Problem seien, was, Ministerpräsident Stoiber in seiner Festansprache aufgriff mit der Forderung, alles zu tun, um junge Menschen zu einem sensiblen Geschichtsbewusstsein zu erziehen. In diesem Zusammenhang unterstrich er die Bedeutung der großen Volksparteien und verurteilte den verbreiteten Kritizismus an allen staatlichen Institutionen. Das Zentrum „Shalom Europa“ sei für ihn Ausdruck dafür, dass „jüdische Kultur und jüdisches Alltagsleben wieder integraler Bestandteil unserer Gesellschaft sind“, sagte der Ministerpräsident und dankte der jüdischen Gemeinde in Würzburg und ihrem Vorsitzenden Dr. Josef Schuster für die geleistete Integrationsarbeit, die der gesamten Gesellschaft zugute komme.

    Teil dieser Stadt
    In seiner Begrüßung zu Beginn der Festveranstaltung hatte Schuster auf die traditionsreiche Geschichte der jüdischen Gemeinde in Würzburg erinnert, die mit 21 Rückkehrern und 38 Deportierten nach dem Ende der Nazi-Herrschaft einen neuen Anfang genommen hatte. Bewusst habe man diese Geschichte in Form der bei Bauarbeiten im Stadtteil Pleich gefundenen jüdischen Grabsteine in das Zentrum einbezogen. „Sie sind das Fundament, das uns trägt, der Grund, auf dem wir stehen“, sagte Schuster wörtlich und versicherte zugleich: „Wir fühlen uns als Teil dieser Stadt und als Teil Europas“. Er dankte allen am Bau Beteiligten, allen Unterstützern und Förderern und nannte dabei namentlich auch die evangelisch-lutherische Landeskirche, die Diözese Würzburg und die Abtei Münsterschwarzach.
    Die gute Nachbarschaft zwischen Juden und Christen in der Region betonte Bischof Friedhelm in seinem Grußwort und dankte allen, die an diesem „kostbaren Gebäude des Vertrauens“ mitgebaut haben. Er gratulierte auch im Namen von Kardinal Friedrich Wetter und versicherte, dass der Tag der Einweihung des neuen Gemeinde- und Begegnungszentrums nicht nur ein Festtag für die jüdische Gemeinde, sondern auch ein freudiger Tag für die Diözese Würzburg sei.

    In seinem Festvortrag schilderte Prof. Dr. Ernst Cramer, Vorsitzender der Axel-Springer-Stiftung, wie er als amerikanischer Offizier im Frühsommer 1945 in das zerstörte Würzburg gekommen und einer Handvoll überlebender Juden begegnet war, die gewissermaßen auf gepackten Koffern saßen und auf die Auswanderung warteten. Der Rabbiner Leo Baeck habe damals gesagt, dass die Epoche der Juden in Deutschland ein für allemal vorbei sei. Heute, nach über sechszig Jahren, lebten wieder mehr als 100000 Juden in Deutschland. Den nie ausgestorbenen Antisemitismus und den von islamistischen Terroristen verbreiteten Fundamentalismus benannte er als Hauptgefahren für die neue jüdische Geschichte in Deutschland. Beim islamistischen Terror, der „viel mit missverstandener Religion” zu tun habe, müsse aufgeklärt, für Verständnis geworben und, wenn nötig, entschlossen abgewehrt werden.

    Göttlicher Auftrag
    Immer aber müsse man bereit zum Gespräch und zum aussöhnenden Miteinander sein. Cramer erinnerte daran, dass Papst Johannes Paul II, ausgehend von der Bibel, Juden und Christen als Nachkommen Abrahams als dazu berufen gesehen habe, „Segen für die Welt zu sein“. Diese Aussage sei später vom Zentralkomitee der Deutschen Katholiken mit der Formulierung ergänzt worden: „Wir hoffen, auch die Muslime, die sich ebenfalls auf die Abrahamskindschaft beziehen, für diese Verpflichtung zu gewinnen.“ Der Jüdischen Gemeinde wünschte er, dass sie den göttlichen Auftrag, Segen für die Welt zu sein, nie vergesse.
    Mit der Schlüsselübergabe durch Architekt Gerhard Grellmann, dem Segensspruch von Rabbiner Jakov Ebert und einem Schlusswort von Graf Albrecht Fürst zu Castell-Castell, Vorsitzender des Initiativkreises „Shalom Europa“, ging ein Festakt zu Ende, der bewies, dass jüdisches Leben in Deutschland sich wieder selbstbewusst zeigt und entwickelt; der aber auch – nicht zuletzt durch die strengen Sicherheitsvorkehrungen – zeigte, dass es weiterer Anstrengungen bedarf, damit das auch zur unbedrohten Selbstverständlichkeit wird.