Doch bei aller Freude über das gelungene Projekt (wir berichteten bereits) gab es auch nachdenkliche und mahnende Töne, insbesondere beim Blick auf die Geschichte des Judentums in Deutschland und deren abruptes Ende im Holocaust und vor allem im Blick auf wieder aufkeimende antisemitische Tendenzen. So mahnte Charlotte Knobloch ihre Zuhörer, dass Judenhass und Rechtsextremismus nicht nur ein jüdisches Problem seien, was, Ministerpräsident Stoiber in seiner Festansprache aufgriff mit der Forderung, alles zu tun, um junge Menschen zu einem sensiblen Geschichtsbewusstsein zu erziehen. In diesem Zusammenhang unterstrich er die Bedeutung der großen Volksparteien und verurteilte den verbreiteten Kritizismus an allen staatlichen Institutionen. Das Zentrum „Shalom Europa“ sei für ihn Ausdruck dafür, dass „jüdische Kultur und jüdisches Alltagsleben wieder integraler Bestandteil unserer Gesellschaft sind“, sagte der Ministerpräsident und dankte der jüdischen Gemeinde in Würzburg und ihrem Vorsitzenden Dr. Josef Schuster für die geleistete Integrationsarbeit, die der gesamten Gesellschaft zugute komme.
In seiner Begrüßung zu Beginn der Festveranstaltung hatte Schuster auf die traditionsreiche Geschichte der jüdischen Gemeinde in Würzburg erinnert, die mit 21 Rückkehrern und 38 Deportierten nach dem Ende der Nazi-Herrschaft einen neuen Anfang genommen hatte. Bewusst habe man diese Geschichte in Form der bei Bauarbeiten im Stadtteil Pleich gefundenen jüdischen Grabsteine in das Zentrum einbezogen. „Sie sind das Fundament, das uns trägt, der Grund, auf dem wir stehen“, sagte Schuster wörtlich und versicherte zugleich: „Wir fühlen uns als Teil dieser Stadt und als Teil Europas“. Er dankte allen am Bau Beteiligten, allen Unterstützern und Förderern und nannte dabei namentlich auch die evangelisch-lutherische Landeskirche, die Diözese Würzburg und die Abtei Münsterschwarzach.
Die gute Nachbarschaft zwischen Juden und Christen in der Region betonte Bischof Friedhelm in seinem Grußwort und dankte allen, die an diesem „kostbaren Gebäude des Vertrauens“ mitgebaut haben. Er gratulierte auch im Namen von Kardinal Friedrich Wetter und versicherte, dass der Tag der Einweihung des neuen Gemeinde- und Begegnungszentrums nicht nur ein Festtag für die jüdische Gemeinde, sondern auch ein freudiger Tag für die Diözese Würzburg sei.
In seinem Festvortrag schilderte Prof. Dr. Ernst Cramer, Vorsitzender der Axel-Springer-Stiftung, wie er als amerikanischer Offizier im Frühsommer 1945 in das zerstörte Würzburg gekommen und einer Handvoll überlebender Juden begegnet war, die gewissermaßen auf gepackten Koffern saßen und auf die Auswanderung warteten. Der Rabbiner Leo Baeck habe damals gesagt, dass die Epoche der Juden in Deutschland ein für allemal vorbei sei. Heute, nach über sechszig Jahren, lebten wieder mehr als 100000 Juden in Deutschland. Den nie ausgestorbenen Antisemitismus und den von islamistischen Terroristen verbreiteten Fundamentalismus benannte er als Hauptgefahren für die neue jüdische Geschichte in Deutschland. Beim islamistischen Terror, der „viel mit missverstandener Religion” zu tun habe, müsse aufgeklärt, für Verständnis geworben und, wenn nötig, entschlossen abgewehrt werden.
Immer aber müsse man bereit zum Gespräch und zum aussöhnenden Miteinander sein. Cramer erinnerte daran, dass Papst Johannes Paul II, ausgehend von der Bibel, Juden und Christen als Nachkommen Abrahams als dazu berufen gesehen habe, „Segen für die Welt zu sein“. Diese Aussage sei später vom Zentralkomitee der Deutschen Katholiken mit der Formulierung ergänzt worden: „Wir hoffen, auch die Muslime, die sich ebenfalls auf die Abrahamskindschaft beziehen, für diese Verpflichtung zu gewinnen.“ Der Jüdischen Gemeinde wünschte er, dass sie den göttlichen Auftrag, Segen für die Welt zu sein, nie vergesse.
Mit der Schlüsselübergabe durch Architekt Gerhard Grellmann, dem Segensspruch von Rabbiner Jakov Ebert und einem Schlusswort von Graf Albrecht Fürst zu Castell-Castell, Vorsitzender des Initiativkreises „Shalom Europa“, ging ein Festakt zu Ende, der bewies, dass jüdisches Leben in Deutschland sich wieder selbstbewusst zeigt und entwickelt; der aber auch – nicht zuletzt durch die strengen Sicherheitsvorkehrungen – zeigte, dass es weiterer Anstrengungen bedarf, damit das auch zur unbedrohten Selbstverständlichkeit wird.