Vor meinem ersten Tag im Tierpark war ich ziemlich aufgeregt. Ich hatte ja noch keine Ahnung, was alles auf mich zukommen, oder ob ich mich dort mit allen gut verstehen würde. Ich fuhr an dem Montag extra früher los, weil ich die Strecke das erste Mal allein fahren musste und mich auf gar keinen Fall verspäten wollte. Natürlich war ich viel zu früh da, aber besser zu früh, als zu spät ... Als ich aus meinem Auto stieg wurde ich von den verschiedensten Geräuschen und Gerüchen empfangen. Hier und da schrie ein Pfau, überall gackerten Hühner und krähten Hähne. Auch die Kühe und Pferde waren nicht zu überhören. Es roch etwas streng, was aber an dem Misthaufen lag, der sich genau vor meiner Nase auftürmte. Im Aufenthaltsraum wurde ich dann von Tierparkleiter Thomas Dodenhoff begrüßt. Nach einer kurzen Unterhaltung wies er mich Christiane, einer Mitarbeiterin des Parkes, zu. Sie sollte mit mir einen Rundgang durch das Gelände machen und mir die verschiedenen Arbeitsbereiche zeigen. Von Elmar, einem der Gruppenleiter, bekam ich dann Sicherheitsstiefel, die beim Umgang mit großen Tieren, wie Pferden, Schweinen und Kühen, absolute Pflicht sind.
Den Rest des Vormittags verbrachte ich mit Christiane auf der Koppel beim Abmisten und beim Ausmisten der Pferdeställe. Da ich früher schon häufig auf Reiterhöfen gearbeitet hatte, war das nicht ganz so unangenehm, wie ich erwartet hatte, nur merkte ich leider im Laufe dieses Morgens, dass mir die Stiefel etwas zu klein waren. Nach einer kurzen Rast ging es dann weiter mit den restlichen Ställen, mit denen wir bis zur Mittagspause beschäftigt waren. Jetzt hatte ich endlich einmal Gelegenheit, mich etwas ausführlicher mit meinen neuen Kollegen zu beschäftigen. Ich stellte mich kurz vor und wurde auch sofort von einigen Neugierigen angesprochen, die wissen wollten, von welcher Schule ich käme.
Auf der Suche nach etwas Sonne verzog ich mich nach dem Essen nach draußen in den Vorhof – und musste feststellen, dass ich durch die Stiefel schon Blasen an den Füßen hatte ... Den Rest meiner Mittagspause verbrachte ich dann im warmen Sonnenschein und nach und nach leisteten mir auch die Anderen Gesellschaft. Bevor es weiterging, versammelten wir uns alle im Aufenthaltsraum, wo Hubert, einer der Gruppenleiter, die Einteilung für den Rest des Tages festlegte. Ich sollte mit Basti den Spielplatz kontrollieren, also den Müll einsammeln und wegbringen. Als wir endlich damit fertig waren, gingen wir zurück in den Aufenthaltsraum, um uns eine neue Aufgabe zu holen. Unsere neue Mission lautete: Carmen mit den Nagern helfen.
Basti und ich sollten den Käfig der Deggus sauber machen. Deggus sind eine Mischung aus Siebenschläfern und Meerschweinchen und einfach nur putzig! Sie wuseln den ganzen Tag über die Äste in ihrem Käfig, man könnte ihnen stundenlang zusehen. Aber wir mussten ja wieder zurück an die Arbeit. Carmen zeigte mir dann ihre Frettchen, und auch wenn die kleinen Tierchen einen wirklich strengen Körpergeruch haben, würde ich mir jederzeit eines als Haustier zulegen. Als mein erster Tag endlich vorbei war, war ich ziemlich erleichtert – nicht nur, weil ich endlich die Stiefel ausziehen konntemich und mich ins Bett schmeißen konnte, sondern auchweil ich mich mit meinen neuen Kollegen so gut verstanden hatte.
Am nächsten Morgen war ich wieder etwas zu früh, aber ich setzte mich einfach in den Aufenthaltsraum und wartete, bis die anderen kamen. Nachdem ich bei bestem Willen mit meinen gefolterten Fersen nicht in die Sicherheitsstiefel kam, sollte ich mich von den größeren Tieren fernhalten. Also ging ich mit Jochen das Dammwild und die Mufflons füttern, wobei ich seine ziemlich interessante Lebensphilosophie, nämlich: „Alls nei die Wurscht!” beigebracht bekam. Als wir mit dem Füttern fertig waren, halfen wir Linde im Geflügelbereich. Die meiste Zeit von Compassion verbrachte ich mit Linde, Jochen und Moni bei den Vögeln. So sind mir besonders Linde und die Raben ans Herz gewachsen. Ich entwickelte in dieser Zeit eine gewisse Routine: Tiere füttern, zu den Vögeln und dann verschiedene Aufgaben, die eben in einem Tierpark anfallen, wie das Futter für die Schweine vorbereiten. Aber es gab auch immer wieder für mich sehr interessante Ausnahmen: Ich durfte zum Beispiel mit Elmar die Bienen umsetzen und musste dafür einen kompletten Imker-Dress anziehen. An einem anderen Tag sollte ich mir die Umweltstation des Parkes ansehen und durfte prompt an einer Führung mit einer Gruppe Kindergarten-Kinder über die Tiere in dem Park teilnehmen. Während die Führerin mit der Hälfte der Kinder in das Gehege der Ziegen ging, nahm ich die andere Hälfte mit in die Brutstation und zeigte ihnen die neu geschlüpften Küken.
Ein paar Tage später begleitete ich noch eine Gruppe, diesmal körperbehinderte Jugendliche, deren Ausflug das Thema „Esel und Ponys“ hatte. Wir gingen mit den Kindern auf die Esel-Koppel und ließen sie die Tiere streicheln und striegeln. Die Kinder waren begeistert und lernten nebenher so einiges über Huftiere.
Ein weiterer Höhepunkt in diesen zweieinhalb Wochen ergab sich durch Zufall. Ich hatte im Ziegengehege ein Schaf gesehen, dessen Horn ihm ins Gesicht gewachsen war. Als sich Elmar das Tier angesehen hatte, war klar, dass das Horn weg musste. Nachdem ich es entdeckt hatte, durfte ich es selbst absägen. Ich habe mir in der Werkstatt des Parkes in das abgesägte Horn ein Loch bohren lassen, es mit Klarlack bestrichen und an einem Lederband befestigt. So habe ich eine Erinnerung an den Tierpark Sommerhausen. Nachdem das von mir so gequälte Schaf noch keinen Namen hatte, habe ich ihm gleich nach der Sägerei den Namen Mika gegeben, der meiner Meinung nach perfekt zu diesem Tier passt.
An meinem letzten Tag bin ich dann doch noch einmal zu den Pferden gegangen, allerdings nur zu einem Shetland Pony. Es heißt Excalibur und war das Pflegepferd von Claudia, einer meiner neuen Freundinnen aus dem Park. Wir holten es von der Koppel und säuberten es so gut wie möglich. Das war ziemlich schwierig, da es schon den ganzen Tag wie aus Eimern schüttete. Das Pony war von oben bis unten verdreckt und wir hatten ganz schön Mühe, Excalibur wieder einigermaßen sauber zu kriegen.
Ich war ziemlich traurig, als es auf das Praktikumsende zuging. Natürlich freute ich mich schon sehr darauf, meine Klasse endlich wieder zu sehen, aber eigentlich wollte ich den Tierpark nicht verlassen. Auch wenn ich nur zweieinhalb Wochen mit den Menschen und den Tieren in diesem Park verbracht habe, sind sie mir in dieser Zeit doch sehr ans Herz gewachsen ...
Und obwohl es manchmal etwas anstrengender als Schule war, würde ich es jederzeit noch einmal machen. Es war eine sehr positive Erfahrung für mich, und auch die Atmosphäre war einfach super, auch wenn der Großteil der Mitarbeiter Bayern-München-Fans waren, was den einen oder anderen Streit mit den zwei- drei Dortmund-Fans, die sich behaupten wollten, herbeiführte. Aber Streit kommt überall mal vor, nicht war? Ich kann mich bei den Mitarbeitern und auch der Leitung des Tierparkes Sommerhausen nur bedanken für diese tolle und spannende Zeit und kann es jedem nur empfehlen, sich den Park einmal anzusehen.
Die Mainfränkischen Werkstätten betreiben seit September 1993 den Wildpark in Sommerhausen mit dem Ziel, dass Menschen mit Behinderungen im direkten Erleben mit der Natur und beim unmittelbaren Kontakt mit Tieren über ihre Arbeit Lebensinhalt und -sinn erfahren und Verantwortung übernehmen können. 26 Menschen mit Behinderungen arbeiten im Wildpark Sommerhausen unter der Anleitung von Fachpersonal bei der Pflege der Tiere, der Instandhaltung des Parks, im Kiosk und in der Küche der Begegnungsstätte.
Öffnungszeiten des Wildparks: täglich 10 bis 18 Uhr, in den Wintermonaten täglich 10 bis 17 Uhr.
Compassion
Nicht in die Schule, sondern in Kliniken, Alters- oder Behindertenheime, Beratungsstellen führte für zweieinhalb Wochen der Weg für die Schülerinnen der elften Klassen des MBW. Das Projekt „Compassion“ (zu deutsch: Erbarmen, Mitleid) wurde in den neunziger Jahren von der Deutschen Bischofskonferenz initiiert. Ziel des Praktikums ist es, soziale Verantwortung zu lernen; Einblicke in Lebenswelten zu bekommen, die sonst im Schulalltag kaum vorkommen: die Welt kleiner Kinder, die Welt alter oder behinderter Menschen, die Welt von Flüchtlingen, Kranken, Obdachlosen ... Die Erfahrungen, die die Schülerinnen in ihrem Praktikum gesammelt haben, werden anschließend in verschiedenen Unterrichtsfächern aufgearbeitet. Auch während der Compassion-Zeit hat jedes Mädchen einen Lehrer als Ansprechspartner. Mittlerweile ist das Projekt an über 100 Schulen bundesweit – überwiegend in kirchlicher Trägerschaft – etabliert.