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    Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet

    Kein Mensch kann die Beweggründe eines anderen vollkommen ausloten. Aber auch Günter Grass selbst sollte dieses Wort ins Stammbuch geschrieben werden. Denn er verdammte über Jahrzehnte bei anderen, was er offensichtlich auch selbst getan hat.
    Das Geständnis von Günter Grass, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, polarisiert: die Einen verdammen, die Anderen verteidigen, Dritte sehen es gar einzig als einen geschickten Marketing-Schachzug für sein neues Buch. Denen, die Grass allzu schnell verwerfen, sollte entgegengehalten werden: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ (Mt 7,1). Kein Mensch kann die Beweggründe eines anderen vollkommen ausloten. Aber auch Grass selbst sollte dieses Wort ins Stammbuch geschrieben werden. Denn er verdammte über Jahrzehnte bei anderen, was er offensichtlich auch selbst getan hat.
    Jahrzehntelang attackierte der Schriftsteller an vorderster Front Politiker wie Konrad Adenauer, Ludwig Erhardt, Franz Josef Strauß oder am aggressivsten wohl Kurt Georg Kiesinger wegen möglicher Verbindungen zum Nationalsozialismus. Hier wollte er keine der Rechtfertigungen gelten lassen, die er jetzt selbst in Anspruch nimmt, indem er beispielsweise seine freiwillige Mitgliedschaft in der Waffen-SS unter anderem mit Abenteuerlust erklärt. Moralisch hat seine Autorität durch diese Widersprüchlichkeit schwereren Schaden genommen als durch sein spätes Geständnis.
    Doch es ist nicht zu spät, um Konsequenzen zu ziehen. „Es bleibt bei einer solchen Einsicht noch Zeit für ein angemessenes Wort der Entschuldigung“, hat Kardinal Karl Lehmann in seiner Bistumszeitung formuliert. Warum nutzt Grass die aktuelle Debatte nicht dazu, sich auch für dieses Missverhältniss zu entschuldigen?
    Und wenn wir schon bei Einsichten und Konsequenzen sind: Grass sollte sich überlegen, ob er weiterhin auf den „katholischen Mief“ der damaligen Zeit schimpfen möchte. Schließlich war es dieses katholische Milieu, dass sich als sehr widerstandsfähig gegenüber den Verlockungen des Nationalsozialismus gezeigt hat. Provokativ könnte man sogar formulieren: Ein Aufwachsen in diesem Milieu, beispielsweise als Mitglied im Bund Neudeutschland, hätte Grass vielleicht manchen Holzweg erspart.