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      Radikaler als Luther

      Im Zentrum des 500. Reformationsjubiläums steht die Gestalt Martin Luthers. Jedoch bestand die kirchliche Erneuerungsbewegung aus vielen Strömungen mit zahlreichen Protagonisten, darunter auch der aus Unterfranken stammende Andreas Rudolf Bodenstein (1486– 1541). In humanistischer Tradition nannte er sich nach seiner Heimatstadt „Doktor Carlstadt“.

      Es war dem Karlstädter Bürgermeistersohn Andreas Bodenstein nicht an der Wiege gesungen worden, dass er an der umwälzendsten religiösen Bewegung seiner Zeit teilhaben würde. Während seines Studiums in Erfurt, Köln und Wittenberg bereitete er sich auf den geistlichen Beruf vor. Der junge Theologe legte eine steile Karriere hin: Priesterweihe und Promotion im Jahr 1510, Professur an der Wittenberger Universität ab 1511. Im Jahr 1512 promovierte er den Augustinermönch Martin Luther zum Doktor der Theologie.

      Als Bodenstein von einem längeren Rom-Aufenthalt zurückkehrte, gärte es an der Universität. Viele seiner früheren Studenten hatten sich während seiner Abwesenheit den Vorlesungen des charismatischen Martin Luther zugewandt. Dessen augustinisch geprägte Theologie der Gnade, die allein den Menschen vor Gott rechtfertige, wehte wie ein frischer Wind durch die von der mittelalterlichen Scholastik geprägte Fakultät. Ursprünglich wollte Bodenstein diesen theologischen Ansatz widerlegen, musste aber bald erkennen, dass er ihn selbst überzeugte. Am 26. April 1517 veröffentlichte er 152 Thesen zum Thema „Die Natur, das Gesetz und die Gnade“ und stellte sich damit neben Luther an die Spitze der reformatorischen Bewegung.

      Luther verteidigt

      Nach der Veröffentlichung der 95 Thesen Martin Luthers, die sich rasend schnell in ganz Deutschland verbreiteten, war die neue Lehre nicht mehr aufzuhalten. Bodenstein verteidigte Luther in mehreren Disputen gegenüber Johannes Eck, dem Vertreter der katholischen Kirche. Auf Veranlassung von Eck erließ Papst Leo X. im Jahr 1520 den Kirchenbann gegen Luther und Bodenstein. Nach dem Wormser Reichstag 1521 wurde Luther von Kurfürst Friedrich dem Weisen auf der Wartburg in Schutzhaft genommen. Bodenstein jedoch kehrte an die Wittenberger Universität zurück, wo er unbeirrt sein reformatorisches Wirken fortsetzte. Konsequent setzte er sich für tiefgreifende kirchliche Erneuerungen ein: Entfernung von Bildern und Skulpturen, Abschaffung der Kindertaufe, Glaubensgespräche zur Bibelauslegung. Er war der erste, der zum Weihnachtsfest 1521 eine evangelische Liturgie feierte – auf Deutsch, in weltlicher Kleidung, und mit dem Abendmahl in beiderlei Gestalt für die gesamte Gemeinde.

      Die Veränderungen sorgten für Unruhe. Luther kehrte zurück nach Wittenberg und rief zu maßvolleren Reformen auf – nicht zuletzt im Auftrag der Stadtväter und des Kurfürsten. Bodenstein, tief enttäuscht aber in seinen Überzeugungen ungebrochen, zog sich aus der klerikalen und akademischen Welt zurück. Im Jahr 1522 heiratete er Anna von Mochau. Mit seiner Frau zog er als Pastor und Bauer nach Orlamünde an der Saale, wo er mit tatkräftiger Unterstützung der dortigen Gemeinde sein Reformmodell des Laienchristentums umsetzte.

      Luther jedoch lehnte dieses eigenständige Wirken ab und beschimpfte Bodenstein als bilderstürmerischen „Schwärmer“ und Aufrührer. Im September 1524 wurde er des Landes verwiesen. Für ihn und seine Familie begann ein jahrelanges Wanderleben quer durch Deutschland – am Rande des Existenzminimums, doch stets im Dienst seiner Ideale. Gegen die lutherische Version der Kirchenreform hatte Bodensteins radikalerer Ansatz jedoch keine Chance.

      Anerkannt

      Zur Ruhe kam Bodenstein erst wieder im Jahr 1530, als er sich als Diakon und Prediger in Zürich niederließ. Eine Professur an der Universität Basel sicherte ihm schließlich neue Anerkennung und ein gutes Auskommen. Lange konnte er beides nicht genießen: An Weihnachten 1541, genau 20 Jahre nach seinem ersten evangelischen Gottesdienst in Wittenberg, starb Andreas Bodenstein an der Pest.

      Karen A. Braun

      Noch bis zum 31. Oktober zeigt der historische Verein Karlstadt eine Ausstellung über Andreas Bodenstein im Stadtmuseum, Hauptstraße 11, Karlstadt. Geöffnet: Mo bis Fr 10 bis 13 Uhr, 14 bis 18 Uhr; Sa 10 bis 13 Uhr, 15 bis 17.30 Uhr; So 10 bis 12 Uhr.