Erst am 16. Oktober hielt der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer in der Stiftsbasilika ein Pontifikalamt aus Anlass des Marianischen Kongresses. Mit dabei: eine barocke Strahlenkranzmadonna von 1750 aus dem Stiftsmuseum; sie ist Eigentum der seit über 400 Jahren bestehenden Männersodalität. Ebenso werden zum Patrozinium die Reliquare von St. Peter und Alexander, zwei vergoldete und mit Edelsteinen besetzte Silberbüsten aus der Zeit um 1450 und 1480, aus der mit Panzerglas gesicherten Vitrine geholt. „Das sind nicht einfach nur Exponate“, unterstreicht Dr. Schauerte.
Vergessenen Schatz wiederentdeckt
Fast schon Kurioses weiß er zum frühesten hier präsentierten Kunstwerk zu berichten: Das Gemälde aus dem 13. Jahrhundert zeigt Christus als Weltenrichter. Zu dessen Rechten steht Petrus, zur Linken Alexander. Das Bildnis der Kirchenpatrone gehörte mit größter Wahrscheinlichkeit zur Ausstattung des Chors, war vermutlich Teil des Hochaltars. Die Motive sind aufgebracht auf Eichenbohlen. Die Farbe Gold dominiert. Das gefiel wohl irgendwann nicht mehr. Jedenfalls diente dieses Brett fortan umgedreht als Holzdiele, bis der vergessene Schatz 1986 beim Öffnen des Bodens entdeckt wurde.
Seit 1861 beherbergt das Kapitelhaus des schon um 950 von Familienmitgliedern des Kaisers Otto des Großen gegründeten Stiftes St. Peter und Alexander ein Museum. Aufwendig saniert wurde der Bau zuletzt 1994. Er ist rund um einen um 1220 angelegten Kreuzgang angeordnet. Selbiger zählt in Deutschland zu den wenigen vollständig erhaltenen Kreuzgängen aus der Romanik.
Luther und Markgraf Albrecht
Eine Glanzzeit erlebte Aschaffenburg im Mittelalter und in der Renaissance dank wohlhabender Stifter und vor allem dank Kardinal Albrecht von Brandenburg. Denn der nach dem Kaiser zweitmächtigste Mann im Reich wählte die Stadt am Untermain ab 1541 als seine Residenz. „Und er kam mit großem und wertvollem Gepäck“, wie Dr. Schauerte mit Freude berichtet. Über dieses Kapitel könnte der Museumsdirektor lange und frei referieren. Kuratierte er doch 2006 eine Sonderausstellung in der Moritzburg in Halle an der Saale, wo Albrecht ursprünglich residierte.
Der einstige Markgraf von Brandenburg war in den geistlichen Stand gewechselt. 1513 stieg er zum Fürsterzbischof von Magdeburg sowie zum Apostolischen Administrator von Halberstadt auf. Im darauffolgenden Jahr wurde er zudem Erzbischof von Mainz, Kurfürst und Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Für seine ambitionierten Bauvorhaben benötigte er viel Geld. Er kassierte Unsummen, indem er den Gläubigen anbot, sich von Strafen im Fegefeuer freizukaufen; nur die Hälfte der Einnahmen schickte er dem Papst nach Rom.
Gegen diesen Ablasshandel wetterte Martin Luther. Albrecht unterschätzte die Wucht der Reformation und musste schließlich aus der Moritzburg fliehen. Zuvor hatte er dem Luther-Freund Lucas Cranach dem Älteren den größten Gemäldeauftrag der älteren deutschen Kunstgeschichte erteilt: 16 Flügelaltäre mit 142 Bildern.
Herausragendes Werk der Malerei
Der sogenannte Magdalenen-Altar war für die Neue Stiftskirche in Halle als Grablege des Kardinals bestimmt. Als der höchste katholische Repräsentant aus Mitteldeutschland vertrieben wurde, nahm er den Altar mit. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts stand dieses herausragende Werk der Malerei der Reformationszeit in der Aschaffenburger Stiftsbasilika. Dann wurden die Tafeln während der Säkularisation getrennt und an verschiedenen Orten verwahrt. Schließlich wurden sie als nicht mehr transportabel eingestuft. Dr. Schauerte konnte jedoch die Verantwortlichen der Bayerischen Staatsgemäldesammlung überzeugen, den Magdalenen-Altar für jene Ausstellung in Halle an der Saale restaurieren zu lassen.
Die Mitteltafel allein misst 2,60 Meter in der Höhe und 1,95 Meter in der Breite. Die Auferstehung Christi ist hier dargestellt – „in bonbonfarbener Buntheit“. So beschreibt Dr. Schauerte den Stil Cranachs. Und er fügt hinzu, dass die Urfassung wiederhergestellt wurde: Ein Frauenpo, der aus Prüderie von einem Gebüsch verdeckt worden war, prangt ganz unverhüllt.
Religiöse Volkskunst
Im Zuge der Aschaffenburger Ausstellung „Cranach im Exil“ kehrte der Altar als Dauerleihgabe zurück auf den Stiftsberg. Dorthin weisen in der Innenstadt an vielen Straßenlaternen kleine Schildchen mit der Aufschrift „Pracht und Glaube“. Das seien für die Menschen im Mittelalter keine Gegensätze gewesen, heißt es auf einem Handblatt: „Die größtmögliche Meisterschaft der Künstler und die Kostbarkeit des Materials dienten ihnen als würdigster Ausdruck für die Gnade und das Wirken Gottes auf Erden.“
Nichtsdestotrotz fehlt im Stiftsmuseum auch die religiöse Volkskunst nicht, zum Beispiel Votivbilder und ein geschnitzter Palmesel aus Miltenberg. Im Obergeschoss der Nikolauskapelle ist im ehemaligen Stiftskarzer sogar eine Folterkammer eingerichtet – nicht zum Ausprobieren. Angefasst werden darf unter anderem im Untergeschoss die nachgefertigte Rüstung eines römischen Legionärs einschließlich dessen Kettenhemds und in der Abteilung Archäologie ein Steinzeitbohrer. Dass etliche Ausstellungsstücke immer wieder zum Einsatz kommen, zeichnet das Stiftsmuseum eben aus.
Bernhard Schneider
Mehr Infos und Kontaktdaten zum Aschaffenburger Stiftsmuseum gibt es auf der Homepage.