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Gedanken zum Sonntagsevangelium von Klaus König, Rottenberg
Ostern ist keine Märchenstunde
Evangelium
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat. Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als erster ans Grab. Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein. Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.
Johannes 20,1–9
Er sah und glaubte – dieser Satz ist so kühn, dass es einer Überprüfung dessen bedarf, was da geglaubt wird.
Wir befinden uns in den frühen Morgenstunden des Ostersonntags. Maria aus Magdala geht in aller Herrgottsfrühe zum Grab Jesu. Doch sieht Maria schon von Weitem, dass mit dem Grab etwas nicht stimmt. Man stelle sich einfach vor, jemand geht im Jahre des Herrn 2003 zwei Tage nach der Beerdigung auf den Friedhof, um nach dem Grab eines nahen Verwandten zu sehen und entdeckt, dass das Grab wieder geöffnet ist, und die Erde auf einem Haufen daneben liegt. Ein solcher Anblick ist nichts für schwache Frauennerven, denn es könnte ja die Leiche geschändet sein. Also muss ein Mann her, am besten noch ein zweiter.
Maria wird fündig und äußert sofort den nahe liegenden Verdacht: „Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen“. Dies freilich ist nicht irgendein Delikt, sondern es handelt sich um Störung der Totenruhe. Deshalb laufen die beiden Herren auf dem schnellsten Weg zum Grab. Sportlich gesehen zieht Petrus den Kürzeren. Aber der „andere Jünger“ lässt dem Petrus mit den starken Nerven den Vortritt. Doch dieser findet nur die Hinterlassenschaft eines ordentlichen Diebes. Der Leichnam ist weg, aber Leinenbinden und Schweißtuch liegen sorgfältig geordnet da. Nun geht auch der „andere Jünger“ hinein; „er sah und glaubte“. Wenn wir nun nachfragen, was er denn geglaubt hat, so allerhöchstens dies: Hier muss ein ordnungsliebender Leichendieb am Werk gewesen sein. Mehr gibt dieser Anblick nicht her. Folglich ist es auch kein Wunder, wenn die Erzählung der Bibel eigentlich mit dem Satz schließt (Vers 10): „Dann kehrten die Jünger nach Hause zurück.“
Irgendwie, meine werten Leserinnen und Leser, ist die Geschichte banal. Sie ist so banal, dass ich mir kaum einen Osterprediger in der Diözese vorstellen kann, dem es gelänge, diese Erzählung in ein frohes, österliches Halleluja-Gefühl umzusetzen. Erstaunlich ist diese Banalität noch einmal mehr, wenn man bedenkt, dass hier der Evangelist Johannes zur Feder gegriffen hat, der es sonst wie kein anderer versteht, auf engstem Raum tief- und hintergründige Sätze und Botschaften zu formulieren. Schon deshalb bleibt einem fast nichts anderes übrig als weiterzulesen. Tut man dies, so macht man schnell die Entdeckung, dass die Banalität des Beginns am frühen Ostermorgen einen Sinn verfolgt: Sie ist ganz und gar Kontrast zu dem, was nun kommt. Der Auferstandene erscheint nun zuerst Maria Magdalena, dann gibt er sich den anderen Jüngern zu erkennen. Das, was so einfach, einsichtig und logisch am frühen Ostermorgen beginnt, so geordnet und gewöhnlich wie gefaltete Tücher, das bringt nun selbst dem Meister der Sprache, den Evangelisten Johannes, in größte Schwierigkeiten – und nicht nur ihn: Wo war der Auferstandene wann? Und war es nicht zur selben Zeit, etc, etc? Eine Unmenge an Nachfragen tun sich plötzlich auf. Letztlich aber ist deutlich der Versuch zu erkennen, das Unaussprechliche auszusprechen und das Unbeschreibbare zu beschreiben: Er ist auferstanden und wir haben ihn gesehen. Und keiner der vier Evangelisten hat sich bemüht, die Widersprüchlichkeiten in der Beschreibung zu glätten, weil es mit dem Instrumentarium der menschlichen Sprache offensichtlich nicht mehr möglich ist, den Auferstandenen zu beschreiben und die Begegnungen mit ihm widerspruchslos in Worte zu fassen. Dieser Bruch, diese Sprachlosigkeit gehört für mich zu den stärksten Indizien, dass wir keine Märchenstunde halten, wenn wir an Ostern verkünden: Er ist von dem Toten auferstanden!
Klaus König ist Pfarrer und Leiter der Pfarreiengemeinschaft Rottenberg, Sailauf und Feldkahl.
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat. Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als erster ans Grab. Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein. Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.
Johannes 20,1–9
Er sah und glaubte – dieser Satz ist so kühn, dass es einer Überprüfung dessen bedarf, was da geglaubt wird.
Wir befinden uns in den frühen Morgenstunden des Ostersonntags. Maria aus Magdala geht in aller Herrgottsfrühe zum Grab Jesu. Doch sieht Maria schon von Weitem, dass mit dem Grab etwas nicht stimmt. Man stelle sich einfach vor, jemand geht im Jahre des Herrn 2003 zwei Tage nach der Beerdigung auf den Friedhof, um nach dem Grab eines nahen Verwandten zu sehen und entdeckt, dass das Grab wieder geöffnet ist, und die Erde auf einem Haufen daneben liegt. Ein solcher Anblick ist nichts für schwache Frauennerven, denn es könnte ja die Leiche geschändet sein. Also muss ein Mann her, am besten noch ein zweiter.
Maria wird fündig und äußert sofort den nahe liegenden Verdacht: „Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen“. Dies freilich ist nicht irgendein Delikt, sondern es handelt sich um Störung der Totenruhe. Deshalb laufen die beiden Herren auf dem schnellsten Weg zum Grab. Sportlich gesehen zieht Petrus den Kürzeren. Aber der „andere Jünger“ lässt dem Petrus mit den starken Nerven den Vortritt. Doch dieser findet nur die Hinterlassenschaft eines ordentlichen Diebes. Der Leichnam ist weg, aber Leinenbinden und Schweißtuch liegen sorgfältig geordnet da. Nun geht auch der „andere Jünger“ hinein; „er sah und glaubte“. Wenn wir nun nachfragen, was er denn geglaubt hat, so allerhöchstens dies: Hier muss ein ordnungsliebender Leichendieb am Werk gewesen sein. Mehr gibt dieser Anblick nicht her. Folglich ist es auch kein Wunder, wenn die Erzählung der Bibel eigentlich mit dem Satz schließt (Vers 10): „Dann kehrten die Jünger nach Hause zurück.“
Irgendwie, meine werten Leserinnen und Leser, ist die Geschichte banal. Sie ist so banal, dass ich mir kaum einen Osterprediger in der Diözese vorstellen kann, dem es gelänge, diese Erzählung in ein frohes, österliches Halleluja-Gefühl umzusetzen. Erstaunlich ist diese Banalität noch einmal mehr, wenn man bedenkt, dass hier der Evangelist Johannes zur Feder gegriffen hat, der es sonst wie kein anderer versteht, auf engstem Raum tief- und hintergründige Sätze und Botschaften zu formulieren. Schon deshalb bleibt einem fast nichts anderes übrig als weiterzulesen. Tut man dies, so macht man schnell die Entdeckung, dass die Banalität des Beginns am frühen Ostermorgen einen Sinn verfolgt: Sie ist ganz und gar Kontrast zu dem, was nun kommt. Der Auferstandene erscheint nun zuerst Maria Magdalena, dann gibt er sich den anderen Jüngern zu erkennen. Das, was so einfach, einsichtig und logisch am frühen Ostermorgen beginnt, so geordnet und gewöhnlich wie gefaltete Tücher, das bringt nun selbst dem Meister der Sprache, den Evangelisten Johannes, in größte Schwierigkeiten – und nicht nur ihn: Wo war der Auferstandene wann? Und war es nicht zur selben Zeit, etc, etc? Eine Unmenge an Nachfragen tun sich plötzlich auf. Letztlich aber ist deutlich der Versuch zu erkennen, das Unaussprechliche auszusprechen und das Unbeschreibbare zu beschreiben: Er ist auferstanden und wir haben ihn gesehen. Und keiner der vier Evangelisten hat sich bemüht, die Widersprüchlichkeiten in der Beschreibung zu glätten, weil es mit dem Instrumentarium der menschlichen Sprache offensichtlich nicht mehr möglich ist, den Auferstandenen zu beschreiben und die Begegnungen mit ihm widerspruchslos in Worte zu fassen. Dieser Bruch, diese Sprachlosigkeit gehört für mich zu den stärksten Indizien, dass wir keine Märchenstunde halten, wenn wir an Ostern verkünden: Er ist von dem Toten auferstanden!
Klaus König ist Pfarrer und Leiter der Pfarreiengemeinschaft Rottenberg, Sailauf und Feldkahl.