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    Würzburger Gemeindereferenten besuchten das Projekt "offene Kirche" in Bern

    Ort der Stille, Begegnung und Gastfreundschaft

    Würzburger Gemeindereferenten besuchten das Projekt "offene Kirche" in Bern
    Im Juni dieses Jahres hielten elf Würzburger Gemeindereferenten ihren Rekollektio-Kurs im offenen Kloster von Neuchâtel in der französischen Schweiz ab. Dabei besuchten sie unter anderem die nahe gelegene Bundeshauptstadt Bern. Ihr besonderes Interesse galt dort dem in der City-Pastoral angesiedelten Projekt „offene Kirche“ in der Heiliggeist-
    Gemeinde.
     
    Freitag Nachmittag in der Schweizer Bundeshauptstadt Bern: Menschen eilen durch eine belebte Geschäftsstraße, wirken gestresst. Es ist heiß, das Wochenende steht vor der Türe. Wie ein ruhender Pol steht eine Barockkirche direkt neben der modernen Architektur des Bahnhofs. Die offene Türe lädt zu einem Besuch ein.
     
    Als einen Ort der Stille, der Begegnung und der Gastfreundschaft möchte sich die Heiliggeistkirche dem Besucher präsentieren. Erst auf dem zweiten Blick fällt die Obdachlosen-Szene ins Auge, die sich auf der rechten Seite vor dem Gotteshaus versammelt hat. Früher, so der Gemeindepfarrer Hansueli Egli, waren es vor allem die Drogenabhängigen, die hier zusammen kamen. Inzwischen hat sich die Szene gewandelt und wird vor allem von Alkoholabhängigen geprägt.

    Vor acht Jahren war die Evangelisch-Reformatorische Heiliggeist-Gemeinde vor der Frage gestanden, wie sie mit dem Problem der so genannten „Penner“ umgehen sollte. Stimmen wurden laut, die Szene mit Gewalt zu vertreiben. Doch dann besann man sich des christlichen Auftrags und entwickelte ein soziales Projekt, dass mit einem Suppenausschank zwei Mal die Woche in der Kirche begann und auf Anhieb gut angenommen wurde.
     
    Vier Jahre später entstand daraus dann die weiterführende Idee, hier eine so genannte „offene Kirche“ zu installieren. Dazu wurden die römisch-katholische und die christkatholische Gemeinde sowie die jüdische Gemeinde Bern mit an Bord geholt – eine interreligiöse Aktion war geboren. Beispiele dafür gibt es auch in vielen anderen Städten der Schweiz. Allen voran leistete das Projekt der offenen Elisabethenkirche im 100 Kilometer entfernten Basel Pionierarbeit auf diesem Gebiet. Doch in Bern wurde nicht wie in den anderen Städten eine verlassene Stadtkirche umfunktioniert: eine normale Pfarrgemeinde sollte ihre schöne Kirche für das Anliegen öffnen. Nach inzwischen weiteren vier Jahren wird das Projekt von der 6300 Christen zählenden Gemeinde zwar toleriert, aber nicht unbedingt geliebt. Zu viele Be-rührungsängste gibt es nach wie vor bezüglich der sozial Schwachen, die ihre Kirche jetzt in immer größerer Anzahl aufsuchen. Ein Traum von Pfarrer Egli ist jedoch immer noch, dass das Projekt als eine spezielle Berufung und Bereicherung des Gemeindelebens verstanden wird.
     
    Im Zentrum der geschäftigen Stadt will die offene Heiliggeistkirche mit ihrem Programm die schwierige Balance zwischen sozialen, kulturellen und spirituellen Anteilen bieten. Über 50 geschulte Freiwillige arbeiten am Projekt mit, vor allem um sich in den Öffnungszeiten von 11 bis 18.30 Uhr um die Besucher zu kümmern. In einer Ecke des Gotteshauses wurde ein kleiner Café-Bereich eingerichtet, in dem man kostenlos etwas trinken kann. Schauwände, Prospekte und ein Buch für Gebetsanliegen laden zum Verweilen und Stöbern ein.
     
    Immer wieder geht an diesem Freitag Nachmittag die Kirchentüre auf, Menschen kommen rein, sehen sich um. Manche sind mit Plastiktüten bepackt, andere wirken wie Touristen auf der Durchreise. Der helle Raum ist einladend, eine Ausstellung zieht die Blicke an. Immer wieder nimmt jemand an einem der Bistrotische in der Cafe-Ecke Platz, bekommt von den Mitarbeitern etwas zu trinken angeboten. Andere setzen sich für eine Weile in eine Bank, bevor sie wieder weiterziehen. Im Winter ist es sehr viel ruhiger in der Kirche“, erklärt Egli, „dann kommen auch oft Leute mit psychischen Problemen hierher“. Die Besucher werden in der Regel zunächst nicht von den Mitarbeitern angesprochen. Sie sollen nicht vereinnahmt werden, können beten, still werden oder sich einfach nur umsehen. Manche schlafen auch eine Weile in einer Kirchenbank ein.
     
    Eine Kontaktaufnahme wird langsam angebahnt, soll diskret und zurückhaltend geschehen. Dies ist oft eine nicht einfache Aufgabe für die Freiwilligen und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Nach einiger Zeit wurde dem Leitungsteam klar, dass die Mitarbeiter auch ausgewählt und geschult werden müssen. Seit dem finden Vorgespräche für interessierte Ehrenamtliche statt und es werden regelmäßig Fortbildungen angeboten.
     
    Trotzdem finden sich genug Mitarbeiter für den Dienst, sie nehmen diese Maßnahmen sogar als Anerkennung und Wertschätzung ihrer Arbeit war. Durch ihre Qualifizierung können sie nun auch Erstberatungen vornehmen und haben Informationen über weiterreichende Hilfemöglichkeiten durch die sozialen Einrichtungen der Stadt. Über eine „Notfallnummer“ können sie jederzeit auch einen der hauptamtlichen Betreuer des Projektes erreichen.
     
    Zu dem Angebot der offenen Türe kommen jeden Mittwoch eine Mittagskirche, ein Abendgebet beschließt an jedem Freitag die Woche. Dazu werden monatlich Frauengottesdienste gestaltet, Ausstellungen und begleitende Veranstaltungen durchgeführt. Konzerte und Lesungen und eine Reihe mit interreligiösen Gesprächen runden das Angebot ab. Daneben finden die normalen Gemeindegottesdienste statt. Auch die Suppenküchen, mit denen vor acht Jahren alles begann, gibt es noch jeden Dienstag- und Donnerstagabend.
     
    Besucher anderer Religionsgemeinschaften empfinden die Atmosphäre in der Kirche laut Egli unter anderem deshalb als sehr einladend, weil keine Bilder oder religiöse Symbole den Raum prägen. So kann vor allem die ausdrucksstarke Architektur und die Weite des Raums wirken. Die 2000 Sitzplätze, die diese Kirche zu bieten hat, werden allerdings höchstens noch bei Konzerten gebraucht.
     
    Ursprünglich stand an der Stelle der heutigen Heiliggeistkirche die Kapelle des mittelalterlichen Spitalordens zum Heiligen Geist, der sich 1228 in Bern niederließ. Dort wurden Arme und Kranke betreut. Damals war der Ort noch weit vor den Toren der Stadt, denn man wollte den Anblick von Armut und Krankheit nicht an sich heran lassen. Die Stadt ist seitdem gewachsen – 127000 Einwohner hat Bern inzwischen – und die Probleme der sozial Schwachen sind viel weiter ins Zentrum und damit in den Blick gerückt.
     
    Doch mit der „offenen Kirche“ haben die Berner Kirchen die alte Tradition des Dienstes für die Bedürftigen an diesem Ort wieder aufgenommen.
    Für Egli ist das Projekt ein Beispiel für zeitgemäße kirchliche Arbeit, die nicht dem Territorialprinzip untergeordnet ist. „Unsere Aufgabe als Kirche ist es heute, Orte für die Bedürfnisse der Menschen zu finden, seien sie spiritueller oder sozialer Art“, kommentiert er.
     
    Informationen zu den Projekten „offene Kirche“ in der Schweiz gibt es im Internet unter
    „www.offenekirche.ch“.