Der Sonnengesang des Heiligen Franz von Assisi stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist ein Lobgesang auf die Schöpfung. Als eines der ältesten Zeugnisse der italienischen Literatur feiert der Text die Schönheit und Vielfalt der Natur und dankt Gott dafür. Der Sonnengesang besteht aus mehreren Strophen, in denen Franziskus verschiedene Elemente der Schöpfung lobpreist, darunter Bruder Sonne, Schwester Mond und die Sterne, Bruder Wind, Schwester Wasser, Bruder Feuer und Mutter Erde. Er sieht in der Natur ein Spiegelbild Gottes und empfindet eine tiefe Verbundenheit mit ihr.
Heute noch aktuell
Den Sonnengesang interpretieren bis heute viele Menschen als Aufforderung zur Bewahrung der Schöpfung und zu einem respektvollen Umgang mit ihr. Er unterstreicht die Bedeutung der christlichen Ökologie und erinnert daran, dass die Natur als Gottes Werk geehrt werden sollte. Franziskanerinnen und Franziskaner feiern deshalb weltweit den vermutlich 800 Jahre alten Sonnengesang.
Die Oberzeller Franziskanerin Schwester Margit Herold hat sich anlässlich des Jubiläums an ein Bild aus Kindertagen erinnert: ein Wandgemälde in ihrer Schule in Schwanfeld, das dem Lobpreis des heiligen Franziskus gewidmet ist. Um das Bild noch einmal zu sehen, begann sie eine kleine Reise in die Vergangenheit, die nicht nur Erinnerungen weckt, sondern auch einem fast vergessenen Kunstwerk neue Aufmerksamkeit schenkt.
Als Schulkind sei sie oft daran vorbei gelaufen, erinnert sich die Ordensfrau. „Unser Lehrer Alfons Feuerbach erzählte uns damals, dass ein Freund dieses Bild geschaffen hat.“ Im Sekretariat der Schule fragte sie, ob sie das Gemälde fotografieren dürfe. „Die Sekretärin war überrascht, denn sie kannte das Bild gar nicht“, erzählt die Oberzeller Franziskanerin. Sie beschrieb der Sekretärin die Stelle am Ausgang zum Pausenhof in der alten, 1956 eröffneten Schule.
Dieser Teil der Schule wird heute nicht mehr regelmäßig genutzt, deshalb geriet das Wandgemälde in Vergessenheit. Die Sekretärin wurde fündig und sprach Schulleiterin Margot Köhler-Tanzberger auf das Bild an, die selbst gerne mehr dazu erfahren hätte. „Allerdings wusste ich selbst nichts Näheres über das Gemälde“, berichtet Schwester Margit. „Zuerst rief ich Erna Feuerbach an, die Frau meines verstorbenen Lehrers, und fragte sie nach dem Namen des Freundes und Künstlers.“ Tatsächlich erinnerte sie sich an einen Namen: Willi Götz.
Aus Rimbach bei Volkach
Im Internet fand Schwester Margit Informationen über den Künstler, der am 29. November 1926 im Volkacher Stadtteil Rimbach geboren wurde und dort 1993 starb. Der Maler und Grafiker gestaltete in „Sgraffitotechnik“ (Einkratzen) viele Kunstwerke in Mainfranken. In der Auflistung seiner Werke fehlte allerdings das Wandgemälde der Schwanfelder Schule.
Schwester Margit Herold machte sich deshalb auf die Suche nach Angehörigen des Künstlers. Ein Neffe bestätigte, dass nicht alle Werke seines Verwandten erfasst sind. Ein Kunstwerk in Schwanfeld war ihm nicht bekannt. Er leitete die Anfrage und das Foto des Gemäldes an eine Verwandte weiter. Deren Vater war der ältere Bruder des Malers. Er hatte viele der Arbeiten von Willi Götz fotografiert, dokumentiert und so eine Art Werkverzeichnis angelegt. Von ihr kam allerdings eine kritische Rückmeldung: Das Bild stamme höchstwahrscheinlich nicht von Willi Götz.
„Ich ließ nicht locker“
„Das dämpfte meinen Enthusiasmus, aber ich ließ nicht locker“, erzählt Schwester Margit. Über Umwege erreichte sie den Bruder ihres früheren Lehrers. „Er bestätigte mir, dass sein Bruder Alfons Feuerbach und der Künstler Willi Götz gute Freunde waren.“
Fast zeitgleich erhielt die Ordensfrau eine Mail von ihrem ehemaligen Hausarzt in Schwanfeld, Dr. Ekkehard Römmelt. Er hatte von der Suchaktion gehört und sich interessiert. Um Klarheit zu schaffen, ging er noch einmal zu Erna Feuerbach und erfuhr, dass der Künstler in Schwanfeld gearbeitet hat und oft Gast der Familie Feuerbach war.
Diese Information leitete Schwester Margit Herold an die Familie Götz weiter. Und siehe da: „Kurz darauf sind bei der erneuten Durchsicht von Unterlagen aus dem Nachlass Fotos des Wandbildes und auch der Name Schwanfeld aufgetaucht.“ Dank der Spurensuche bekomme das Werk nun mehr Aufmerksamkeit. Das freue auch die Angehörigen des Künstlers. Möglich gemacht habe das vor allem „die gute Erinnerung an meine Schulzeit in Schwanfeld“, betont Schwester Margit.
Botschaft in unruhiger Zeit
Wichtig ist der Oberzeller Franziskanerin, dass der Titel „Sonnengesang des heiligen Franziskus“ erhalten bleibt. Diese Schrift werde seit Jahrhunderten von der franziskanischen Familie durch die Zeit getragen: „Vielleicht interessieren sich auch manche Schwanfelder nun wieder für das Bild und seine tiefe Aussage zur Bewahrung von Gottes Schöpfung. Gerade jetzt in dieser unruhigen Zeit wäre das sehr wichtig.“
Von Anja Mayer und Ralf Ruppert