Herr Rettner, was waren Ihre Aufgaben bei der Klimakonferenz?
Die Aufgaben von Beobachtern sind vielfältig. Beobachter folgen den Verhandlungen, analysieren konkrete Entwürfe und können eingreifen, indem sie beispielsweise Änderungsanträge stellen. Darüber hinaus führen sie Gespräche mit Delegationen verschiedener Länder. Ich sprach mit den Vertretern des Unterausschusses „Internationale Klimapolitik“ des Deutschen Bundestags und der Delegation des Heiligen Stuhls. Außerdem können Beobachter Druck aufbauen, indem sie protestieren. In Dubai kam es zu solchen kleinen, genehmigten Demonstrationen auf dem Veranstaltungsplatz. In einem Land, das Protest normalerweise nicht zulässt, stellen solche Demonstrationen ein besonders wichtiges Zeichen dar. Und auch die Vernetzung mit anderen Jugendlichen zählte zu meinem Aufgabenbereich. Insbesondere der Austausch mit Menschen aus dem Globalen Süden ist mir wichtig, da sie von den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten betroffen sind.
Wurden junge Menschen repräsentiert und ihre Belange zur Genüge berücksichtigt?
Einerseits waren viele Jugendorganisationen vor Ort und viele Gespräche wurden auf Augenhöhe geführt. Andererseits ist der Einfluss der Zivilgesellschaft bei Klimakonferenzen grundsätzlich stark beschränkt, weil wichtige Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Im Vorfeld hatten Sie einen sofortigen Ausstieg aus Gas, Kohle und Öl gefordert. Nun wurde zum ersten Mal eine Abkehr von fossilen Energien in einem Dokument festgehalten. Verbuchen Sie das als Gewinn?
Da bin ich zwiegespalten. Dass viele Forderungen nicht vollständig angenommen worden sind und vieles daher unkonkret blieb, liegt sicher auch an der Präsidentschaft der Klimakonferenz. Die Vereinigten Arabischen Emirate ziehen einen großen Teil ihres Reichtums aus dem Ölexport und haben kein Interesse daran, diesen Wirtschaftszweig aufzugeben. Es ist also nicht der ganz große Schritt nach vorne, aber es ist ein Fortschritt. Auf Basis dessen muss auf der nächsten Konferenz weiterverhandelt werden.
Wie bewerten Sie den eingerichteten „Schäden und Verluste“-Fonds, der Entwicklungs- und Schwellenländern zugutekommt, die unter den Folgen des Klimawandels leiden?
Ein solcher Fonds wird seit 30 Jahren gefordert. Daher stellt der Beschluss, der am ersten Tag der Klimakonferenz verkündet wurde, einen Meilenstein in den Verhandlungen um eine klimagerechtere Zukunft dar. Die Industriestaaten tragen Verantwortung gegenüber den Entwicklungsländern. Letztere sind nämlich kaum verantwortlich für die Klimaschäden, aber am stärksten von ihnen betroffen. Jedoch sind die Zusagen und Zuschüsse nicht zufriedenstellend geklärt. Nach meinem letzten Kenntnisstand war der Fonds nur zu 0,2 Prozent gefüllt. Das ist bei Weitem nicht genug. Er muss ausreichend und langfristig gefüllt werden. Der Fonds soll kein zahnloser Tiger sein.
War die Verabschiedung dieses Fonds politisches Kalkül des Gastgebers?
Tatsächlich nutzten die Vereinigten Arabischen Emirate die Klimakonferenz, um sich selbst einen grünen Anstrich zu verleihen. Dazu kann auch die Verabschiedung des „Schäden und Verluste“-Fonds zählen, um direkt mit einer positiven Nachricht in die Verhandlungen zu starten.
Ist aus Ihrer Sicht die Erde noch zu retten?
Ja, die Erde ist noch zu retten. Wenn ich nicht dieser Meinung wäre, würde ich auch nicht an der Klimakonferenz teilnehmen. Die Berichte werden immer besorgniserregender und der Zeitrahmen enger. Aber die Möglichkeit, die Erde zu retten, besteht immer noch. Solche Foren wie das der Klimakonferenz, an denen sich alle Länder beteiligen, sind mühselig. Jedoch sind der Austausch und die Zusammenarbeit vonnöten, um dieses Ziel zu erreichen.
Interview: Angelina Horosun